Verbunden

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„Hilfe! Ich brauche Hilfe!" Ich hörte nichts, achtete nicht auf die Leute um mich herum oder guckte, ob mich vielleicht ein Auto überfahren könnte. Meine ganze Aufmerksamkeit galt dieser einen Person in meinen Armen, die so zerbrechlich und leblos um ihr Leben kämpfte.

Ihre braunen Haare klebten verschwitzt an ihrer Stirn. Ihre Klamotten waren durchgeschwitzt und lagen klamm an ihrem Körper, der so schmal und verletzlich in meinen so plötzlich großen Händen aussah, dass es mich jede Sekunde in der ich sie anguckte, in meiner Brust schmerzte. Die braunen Augen waren hinter ihren Lidern versteckt, so dass ich das schöne Glitzern, das sonst dort immer zu finden war, nicht sehen konnte. Ihr Körper, nur noch eine verlassene Hülle, war so leicht, dass ich nicht wusste, ob ich sie überhaupt trug oder sie doch vielleicht in der Luft schwebte und ich sie nur in die Richtung lenkte.

Wie konnte ein Mensch nur so jemanden verletzten?

„Sir legen Sie ihre Freundin jetzt langsam auf die Liege!" Mit schwerem Atem drehte ich mich zu der Stimme, die irgendwo durch meine vernebelten Gedanken hindurchgekommen war und mich nun aufforderte, Zoey auf eine Liege zu legen.

Links neben mir erblickte ich eine junge dunkelhäutige Frau, die mich eindringlich musterte und mir zu verstehen gab, dass sie mir helfen konnte, wenn ich kooperieren würde.

Ich vertrau Menschen nur schwer. Ich brauche Zeit, um mich zu vergewissern, dass ich ihnen trauen kann. Ich lerne ihre Bewegungen, ihre Art, ihre Hobbys, ihren Alltag, einfach alles auswendig und guckte, ob sie nützlich für mich sind. Doch diese Frau, in ihrem weißen Kittel, den blauen Turnschuhen und diesem Blick, den ich voller Hoffnung erwiderte, vertraute ich. Ich musste einfach.

Kurz drückte ich Zoey einen letzten Kuss auf die Stirn, die viel zu warm glühte, und drückte sie noch einmal fest an mich. Durch den starken Druck stöhnte sie leicht auf, dennoch waren ihre Augen geschlossen und sie zeigte keinerlei Emotionen. Durch die Nähe konnte ich den leichten und doch für mich dominanten Duft von vertrocknetem Blut riechen, das irgendwo aus einer offenen Wunde aus Zoey Körper getropft sein musste.

„Sir ich kann Ihnen nur helfen, wenn Sie-."

„Ist schon okay." Behutsam legte ich Zoey auf die vor mir stehende Liege, die mit einem weißen Laken bezogen war. Kaum löste ich auch meinen letzten Finger von Zoey, ging ich einen Schritt zurück und nahm wieder Luft, da ich anscheinend vergessen hatte, richtig zu atmen. Sofort schürzten sich drei Oberärzte, so sahen sie jedenfalls aus, auf sie und schoben Zoey ins Krankenhaus. Dabei untersuchten sie den leblosen Körper so gut es ging und redeten von dehydriert, bewusstlos, Blutverlust und anderem Kram, der wahrscheinlich zu Zoeys verletztem Körper passte.

Das Einzige, was ich hören konnte, war ein endlos langer Pieps Ton, wie bei diesen Maschinen, an denen Menschen im Krankenhaus angeschlossen werden und man dann ihre Vitalfunktionen beobachten kann. Doch dieser Ton war der Ton des Herzstillstandes.

Kopfschüttelnd trat ich aus dem Licht der Notaufnahme und ging zurück zum Auto.

Ich konnte nicht hier bleiben. Sie würden mich finden.

48 Stunden zuvor ...

Mein Kopf dröhnte, mein Hals war trocken, sehnte sich nach einem Schluck Flüssigkeit. Ganz langsam öffnete ich zuerst das eine Auge und dann das andere, um dann in ein dunkles Nichts zu blicken. Stöhnend richtete ich mich auf, da ich verkrampft nur auf einer Seite gelegen hatte und diese unangenehm anfing zu prickeln, als ob hunderte von Ameisen auf der gleichen Stelle krabbelten.

Hinter mir war etwas Festes. Eine Art Wand, die Kälte spendete und eine leichte Gänsehaut verursachte. Mein Haar fiel mir ins Gesicht, so dass ich meine Hand heben wollte, um die Strähne wegzustreichen, aber ich konnte nicht. Wenn ich die eine Hand bewegte, wurde die andere Hand in die gleiche Richtung gezogen. Zwar konnte ich nichts sehen in der Dunkelheit, aber ich fühlte plötzlich ein dickes Seil, das meine Hände vor meinem Körper miteinander gefesselt hatte.

𝐑𝐞𝐬𝐭 𝐢𝐧 𝐏𝐞𝐚𝐜𝐞Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt