Kapitel 3

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Den ganzen restlichen Tag war ich mit meinen Gedanken völlig woanders. Seine tiefblauen Augen wollten mir einfach nicht aus dem Kopf. Als ich zum dritten Mal etwas verschüttete, meinte Kristen, ich solle nach Ladenschluss noch schnell da bleiben und den ganzen Laden aufnehmen. Da heute Freitag war, protestierte ich nicht. Ich wusste, dass ich ansonsten mit Sean und Clarice weggegangen wäre, aber ich hätte jetzt gerne etwas Zeit für mich. So etwas wie bei Taddl hatte ich schon lange bei niemandem gefühlt. Nur schon die Erinnerung an sein Lächeln liess Schmetterlinge in meinem Bauch tanzen. Aber eigentlich wollte ich auch gar nicht so fühlen. Ich wusste, aus eigener Erfahrung, dass Jungs einfach nichts Gutes brachten. Aber mein Herz zeigte mir immer wieder Sean mit seinem Freund. Die beiden waren nun schon gut ein Jahr glücklich mit einander. Wobei bei meinem Exfreund hat es auch ein Jahr gebraucht, bis er mir sein wahres Gesicht gezeigt hatte. Ich verdrängte den Gedanken an meinen Ex in den hintersten Teil meines Gehirns und machte mich daran, den Laden abzuschliessen. Die anderen waren bereits gegangen und Kristen hatte mir den Schlüssel da gelassen. Was bedeutete, dass ich am nächsten Tag als erstes da werde sein müssen. Ich holte die Putzutensilien hervor und steckte mein iPhone in die Musikanlage. Mit den Klängen meiner Lieblingsband, All Time Low, in den Ohren, liess sich gleich viel leichter putzen.
Die meisten verstanden meine Liebe zu ATL nicht wirklich. Aber ich mochte all das Mainstream Zeugs im Radio echt nicht. Ausser Ed Sheeran. Er war echt eine Nummer für sich. Seine Stimme verzauberte mich immer regelrecht. Manchmal hörte ich auch Rap. Aber eher selten. Ich hatte ausser Eminem noch keinen Rapper gehört, dem ich wirklich gern zuhörte und der mich über das Leben nachdenken liess. Eigentlich hörte ich nur Rap, wenn ich nicht über das Leben nachdenken wollte.
Das musste gute Musik für mich nämlich bewirken. Das man völlig in Gedanken versinkt, wenn man die Lieder hört. Oder dass man alles herauslassen will. Seine Sorgen und seinen Frust hinaustanzen. Deshalb blieb mein Herz beim Pop Punk.
Das Putzen fiel mir mit der Musik tatsächlich leichter, denn nach einer Stunde blitzte und funkelte alles. Die Putzutensilien hatte ich alle bereits versorgt, als ich mich noch einmal umdrehte, um mein Werk zu betrachten. Dass war auch etwas, was ich bei diesem Job vermisste. Das Resultat sehen zu können. Ich mochte es, nachdem ich für etwas gearbeitet hatte, auch das Resultat zu sehen.
Ich trat aus dem Laden und ein kühler Wind kam mir entgegen. Ich atmete einige Male tief ein und aus. Endlich frische Luft. Frische Luft stand für mich immer schon für Freiheit. Dieses Gefühl hatte sich, je älter ich wurde, immer mehr verstärkt und es war schon so schlimm, dass ich es nicht länger als fünf Minuten in engen Räumen aushielt. Die typische Platzangst eben.
Ich schloss den Laden ab und machte mich auf den Weg nach Hause. Da ich für das Studium sparte, war ich wenig mit dem öffentlichen Verkehr unterwegs und ich besass auch kein Fahrrad oder sowas, also musste ich den Weg immer laufen. Er war zwar nicht lang, aber bei schlechtem Wetter war es trotzdem nervig zu Fuss zu sein. Der Wind war so eisig, wie er sonst nur im Winter war. Er zerzauste meine Haare, die ich unterdessen von dem Knoten hatte befreien können. War ja klar, dass ich meinem Traumtypen mit völlig verstrubbelten Haaren und in der Starbucks-Uniform begegnen musste. Stopp eine Sekunde. Hatte ich Taddl gerade tatsächlich als meinen Traumtypen bezeichnet? Dabei kannte ich ihn doch gar nicht! Was war nur mit mir los? Schon beim Gedanken an sein Lächeln wurde mir ganz warm ums Herz. Nein. Ich durfte nicht so denken. Es brachte nichts. Wahrscheinlich hatte er mich gar nicht wirklich wahrgenommen. Ich war ja nur eine Verkäuferin. Nichts Besonderes. Ich sah ja nicht einmal wirklich gut aus. Meine hellbraunen Augen strahlten nicht einmal annähernd so wie Clarice.
Als ich wieder aus meinen Gedanken auftauchte, fand ich mich vor dem Kölner Dom wieder. Das waren mindestens zwei Kilometer Entfernung zu meiner Wohnung. Wie, um Gottes Willen, war ich hier gelandet?
Egal. War auch nicht so wichtig. Ich musste sowieso noch einkaufen gehen. Ein Blick auf die Uhr bestätigte meine Vermutung. Es war tatsächlich schon nach zwölf. Trotzdem dauerte es nicht lange, bis ich einen noch geöffneten Supermarkt fand. Irgendwie war Köln voll von 24/365 Shops. Ein weiterer Vorteil einer Grossstadt. Der Laden war nicht gross, aber hatte alles, was ich brauchte. Ich nahm mir einen Korb und schlenderte durch die Regale. Die Früchte sahen alle nicht besonders reif aus, was mich bei einem 24/365 Supermarkt auch nicht wirklich überraschte. Trotzdem schnappte ich mir so viel Obst, wie ich tragen konnte. Obst war eines der Dinge, auf die ich nicht verzichten konnte. Früchte waren gesund und dazu noch unglaublich lecker. Da ich nicht besonders gut kochen konnte, ernährte ich mich, seit ich in Köln war, nur noch von Joghurt, Früchten und Sandwichs.
Als ich in die Ecke mit den Getränken einbog, stiess ich beinahe mit jemandem zusammen. Ich hatte den Kopf gesenkt und überlegte gerade, was ich noch brauchen konnte. Ich schaute gerade rechtzeitig auf, um nicht in einen jungen Mann hinein zu laufen. Ich musste zweimal hingucken, um zu realisieren, dass es einer der beiden Typen mit den Rucksäcken war, die heute Nachmittag mit Taddl im Starbucks gewesen waren. Es war der grössere der beiden. „Entschuldigung.", murmelte ich mit einem scheuen Lächeln und wollte schon weitergehen, als er antwortete: „Da gibt es nichts zu entschuldigen. War meine Schuld." Er hatte braune Haare und war tatsächlich ziemlich gross. Ich schätzte ihn auf 1, 85 oder so. Er musterte mich. „Bist du nicht die Angestellte vom Starbucks?" Er erinnerte sich an mich? Ich spürte, wie ich errötete und nickte: „Jep. Ich bin Jules." Ich weiss nicht wieso, aber irgendwie hatte ich einfach das Gefühl mich vorstellen zu müssen.
„Ich weiss.", antwortete der Junge vorsichtig lächelnd, „ich bin Felix." Wir sahen einander leicht peinlich berührt an. Ich durchforstete mein Gehirn verzweifelt nach einem Gesprächsthema, um ja nicht einfach so dazustehen. Er kannte Taddl! Nur schon beim Gedanken an seine blauen Augen, bekam ich weiche Knie. Da fiel mir plötzlich eine Frage ein: „Weshalb hast du meinen Namen gekannt?" Ich trug nicht mehr die Starbucks-Uniform, also konnte es nicht der gleiche Grund sein wie bei Taddl. Auf Felix Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. „Weisst du, Ardy und ich sind nicht blind. Wir haben Taddl und dein Gespräch schon mitbekommen." Er zwinkerte mir zu und fügte noch hinzu: „Ausserdem hat Taddl nicht mehr aufgehört von dir zu reden." Mein Gesicht war jetzt sicher knallrot. Ich konnte nicht glauben, dass Taddl vielleicht das Gleiche gespürt haben könnte wie ich. Das er den Funken zwischen uns auch flackern gefühlt hatte. Ausserdem ordnete ich den Namen Ardy dem kleineren mit dem Rucksack zu. Der, der mit Taddl diesen geheimnisvollen Blick ausgetauscht hatte und ihn Brudi genannt hatte. Jeder noch so blinde, hätte die tiefe Freundschaft zwischen den beiden gespürt.
„Hey Dner! Wir wollen gehen!", konnte ich einen Ruf vom anderen Ende des Ladens hören. Ich konnte sie weder Taddl noch Ardy zuordnen. Vielleicht war auch gar nicht Felix gemeint. Auch er hatte den Kopf in die Richtung gedreht, aus der die Stimme kam.
„Ich muss gehen.", stellte er fest. Ich lächelte ihm zu. „Kommt doch wieder einmal beim Starbucks vorbei.", schlug ich ihm vor und mein Herz begann schneller zu schlagen, wenn ich daran dachte Taddl wiederzusehen. Um Gottes Willen! Ich kannte ihn doch gar nicht! Aber mein Herz war anderer Meinung als mein Verstand und irgendwie genoss ich das bittersüsse Gefühl, dass meinen ganzen Körper durchströmte. „Das werden wir bestimmt.", antwortete er grinsend. Er drehte sich schon um, als ich ihn am Ärmel packte. „Felix?", fragte ich ihn neugierig, „wieso Dner?" Felix begann in Richtung Ausgang zu laufen und ich folgte ihm. Ich hatte sowieso alles, was ich brauchte. Dann kamen wir bei der Kasse an und er machte sich auf den Weg nach draussen. Durch die Scheiben konnte ich die Umrisse von circa drei Leuten erkennen, die auf ihn zu warten schienen. Kurz bevor er nach draussen trat, drehte er sich noch einmal um. „Wieso Dner?", er zuckte mit den Schultern, „das ist eine lange Geschichte."

Als er nach draussen trat, wehte ein Schwall frischer Luft nach drinnen und ich atmete tief. Ich bezahlte und folgte ihm nach draussen. Seine Freunde und er selbst waren schon weg. Auf dem Weg nach Hause dachte ich noch einmal über Felix und mein Gespräch nach und das Lächeln umspielte immer noch meine Lippen, als ich die Türe zu meinem Appartement schon lange abgeschlossen hatte.

Eine andere Welt ~ Eine Youtuberfanfiction (Taddl & co.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt