Kapitel 7

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Das Format hiess nicht ohne Grund ramble. Die beiden labberten und labberten, kamen vom Thema ab und irgendwie wieder zurück. Ich hörte ihnen zu, wie sie über das Thema sprachen, wie sie auch sonst miteinander sprachen und sie völlig vergassen, dass sie gleichzeitig filmten. Nur bei dem Thema: „Würdet ihr einen Fan daten?" bemerkte ich, wie es denn beiden leicht unangenehm war. Trotzdem beantworteten beide die Frage mit Ja. Sie sprachen über die Liebe in der Familie, der Liebe zu Stars, Liebe zwischen Freunden, ihre erste Liebe, etc. Sie hörten erst auf, als das rote Licht bei der Kamera zu blinken anfing und anzeigte, dass der Speicher voll war. Ich hatte den beiden einfach zu gehört, ab und zu bestätigend mit dem Kopf genickt, gegrinst, wenn sie gescherzt hatten und die warmen, kitzelnden Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht genossen.
Als Izzi schliesslich sagte: „Wir befinden uns jetzt in der Endcard", kamen Taddl und Ardy noch kurz hinüber. Taddl liess sich neben mich sinken und grinste mir zu, worauf ich zurück grinste. Sein Lächeln war so ansteckend. Das Funkeln in seinen Augen liess mich geradezu von innen heraus strahlen. Ardy zerstörte unterdessen Felix Frisur, was dieser mit einem genervten Blick und einem spielerischen Schlag in die Magengegend quittierte. Daraufhin geriet Ardy ins Schwanken und fasste sich gerade noch, um nicht nach hinten auf den harten Stein zu kippen.
Mit einem Mal wurde mir die Absurdität der ganzen Situation bewusst. Ich war hier und hatte gerade bei einem Video mitgeholfen von Menschen, die ich überhaupt nicht kannte. Was machte ich überhaupt? Ich hatte nicht einmal ihre Telefonnummern.
Als hätte Felix meine Gedanken gelesen, stupste er mich an und brachte mich in den Moment zurück. Izzi packte unterdessen die Kamera zusammen, während Ardy auf seinem Handy tippte und Taddl ihm über die Schultern schielte. „Ich habe deine Nummer noch gar nicht, Jules.", stellte Felix fest und griff in seine Hosentasche, wahrscheinlich um nach seinem Handy zu kramen. Ich nickte: „Stimmt."
Ich diktierte ihm meine Nummer und steckte gleichzeitig meine Haare wieder hoch. Auch wenn Felix fand, dass die Haare unten besser aussahen, fühlte ich mich mit meiner gewohnten Frisur wohler. Mein Haargummi war schon ziemlich ausgelodert, weshalb mir eine Strähne immer wieder ins Gesicht fiel und der Knoten wahrscheinlich auch mehr wie Vogelnest aussah. Genervt strich ich mir sie hinters Ohr. Es war immer die gleiche Strähne.
„Lass sie vorne." Ich sah zu Taddl hinüber. Er lächelte mich an. „Es sieht schön aus. Mit der Strähne vorne, meine ich."
Was? Was hatte er gerade gesagt? Das ich schön aussehe? Ich spürte die Röte in meinen Wangen brennen, aber für einmal interessierte es mich nicht. Alles was ich sah, alles was zählte, waren seine blauen Augen, die mich anstrahlten, als er auf mich zu kam. Ich war wie angefroren. Ich konnte mich nicht bewegen, sondern beobachtete jeden seiner Schritte stumm. Mit jedem begann mein Herz schneller zu schlagen. Als er direkt vor mir stand, atmete ich seinen Duft tief ein. Als er seine Hand langsam hob, um meine Strähne wieder ins Gesicht zu streichen, dachte ich mein Herz würde noch platzen. Es schlug so unglaublich schnell. Er streifte meine Haut nur leicht, doch das reichte, um mich schaudern zu lassen. Ich war nahezu verloren in seinen Augen und mir fiel einfach nichts ein, was ich sagen könnte. Felix rettete mich. „Scheisse!", rief er aus dem nichts. „Ich muss gehen, sonst komm ich zu spät." Sofort tauchte ich aus Taddls Augen auf, wie aus einem Ozean, der mich beinahe verschluckt hätte. Erschrocken trat ich im selben Moment einen Schritt zurück wie Taddl, der mich die ganze Zeit angesehen hatte.
Leicht peinlich berührt, sah ich zu Felix hinüber, der sich seinen Rucksack und sein Longboard schnappte. Er kam zu mir hinüber und umarmte mich zum Abschied. „Ihr wärt schon süss zusammen.", flüsterte er mir während der Umarmung zu. Ich grinste und stiess ihm spielerisch den Ellbogen zwischen die Rippen. Er grinste zurück und wandte sich an die anderen. „Wolltest du nicht auch gehen, Izzi? Du musst doch noch zu Mediakraft."
„Yep. Kommst du auch Ardy?", Izzi musterte Ardy. Es sah beinahe so aus, als würde er ihm etwas mitteilen wollen. Ardy sah zwischen Izzi, Felix und Taddl hin und her. Ich konnte genau beobachten, wie sich seine Miene veränderte. Als ob ihm etwas Offensichtliches klar geworden wäre. Ein breites Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Ja, ich muss auch gehen.", bestätigte er und sein Grinsen wurde noch ein bisschen breiter. Ich schielte kurz auf die Uhr meines iPhones und verdrehte die Augen. „Ich muss in zwanzig Minuten wieder zu arbeiten anfangen. Meine Chefin ist zwar sonst ziemlich cool, aber Pünktlichkeit ist ihr wichtig.", warf ich ein. Taddl zuckte mit den Schultern. „Ich habe noch ein wenig Zeit. Ich begleite dich zurück."
Ein warmes, angenehmes Gefühl breitete sich in mir aus, jedoch begleitet von einem kleinen Kribbeln der Nervosität. Natürlich freute ich mich darauf mit ihm allein zu sein, aber über was sollte ich mit ihm sprechen?
Ardy und Izzi schlenderten zu uns hinüber und verabschiedeten sich, während ich immer zappliger wurde. Ausserdem begann mein Magen zu knurren. Dass ich nichts zu Mittag gegessen hatte, machte sich jetzt bemerkbar.
„Was denkst du?" Taddl's tiefe Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Er sah mich an und lächelte leicht dabei. Dass die anderen schon gegangen waren, hatte ich überhaupt nicht mitbekommen.
„Ich habe gerade darüber nachgedacht, dass ich noch nichts gegessen habe.", antwortete ich auf seine Frage. Sein Lächeln wurde breiter. „Ich kenne einen guten Laden, der auf dem Weg liegt.", stellte er fest. Ich sah zu ihm auf: „Dann nichts wie los."

Wir liefen wirklich nicht lang. Nur die Treppe hoch und etwa fünfzig Meter weiter befand sich ein kleiner Eingang, der mir noch nie aufgefallen war. Die Türe war aus dunklem Holz und ein Schild baumelte darüber. „Zum tänzelnden Einhorn" stand darauf. Daneben war ein Einhorn abgebildet, welches auf den Hinterbeinen stand. Ich musste grinsen.
„Bist du sicher, dass wir hier keine Hobbits und Zauberer antreffen?", fragte ich Taddl. Er sah mich, dann das Schild und dann wieder mich an. Dann begann er zu lachen. Er hatte ein schönes Lachen. Mir wurde dabei ganz warm.
„Ob du es glaubst oder nicht, aber du bist die Erste, die die Anspielung versteht.", meinte er, als er mir die Tür aufhielt. „Echt?", fragte ich überrascht, „sie ist doch so offensichtlich." „Für Fans wahrscheinlich schon.", gab er zurück. Ich zuckte mit den Schultern. Sollte ich erwähnen, dass ich auch die Bücher gelesen hatte oder kam das zu nerdig hinüber?
„Weisst du, ich habe sogar die Bücher gelesen.", gestand er und sah dabei nervös umher, als hätte er sich genau die gleiche Frage gestellt wie ich. Ich folgte seinem Blick.
Es war eine kleine Bar mit runden Holztischen und einer langen Theke. Die Theke befand sich rechts vom Eingang, während die gegenüberliegende Wand, eigentlich keine Wand war, sondern grosse Fenster, die helles Sonnenlicht in den Raum liessen. Dafür dass der Eingang so versteckt lag, war der Raum erstaunlich gross. Es war eine Mischung aus gemütlichem Café und wildem Pub. Als ob sich die Besitzer nicht richtig entscheiden könnten. Ich liebte es. Es strahlte Geborgenheit und Abenteuer gleichzeitig aus. Zu dem war alles aus Holz und es roch angenehm danach.
„Ich habe die Bücher auch gelesen.", erklärte ich ihm und lächelte ihn an. Sein nervöser Blick hielt inne und fixierte mich. „Ohne Witz?" Ich nickte. „Meiner Meinung nach, wird Sam zu wenig gewürdigt. Ohne ihn wäre Frodo niemals so weit gekommen."
„Ich weiss!", er schlenderte in Richtung eines Tisches in der Nähe eines der Fenster. Er zog einen Stuhl hervor und bot mir den Platz an. Ich nahm ihn dankend an.
„Im Film wird Frodo als der einzig wahre Held dargestellt, obwohl Sam eigentlich das meiste getan hat.", fuhr er fort, nachdem er Platz genommen hatte.
„Nicht nur im Film.", widersprach ich, „in den Büchern auch."
Sofort waren wir in einer Diskussion über Herr der Ringe verwickelt und nebenbei bestellten wir noch zwei Portionen Pommes. Als ich das nächste Mal auf die Uhr sah, sackte mir das Herz in die Hose.

Eine andere Welt ~ Eine Youtuberfanfiction (Taddl & co.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt