Kapitel 5

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Felix grinste, während ich bemerkte, wie die anderen nicht genau wussten, wie sie darauf reagieren sollten. „Nee. Wir drehen keinen Porno, da muss ich dich enttäuschen.“, antwortete Felix mir und hängte noch eine Frage dran: „Also, wo ist jetzt dein Geheimplatz?“
„Folgt mir einfach.“, ich nickte in eine Richtung und ging los. Felix schloss auf und kam wieder auf unser altes Thema zurück: „Weisst du, bei Star Wars geht es nicht nur um Liebe. Da hat es auch noch andere Elemente.“ Taddl, Ardy und der andere folgten uns auf ihren Longboards und umkreisten uns. Ich war mir ziemlich sicher, dass sie unserem Gespräch lauschten.
„Doch klar“, erwiderte ich, „Ich meine schlussendlich, geschieht dort alles nur der Liebe wegen. Oder dem Hass.“ Wir bogen in eine kleine Nebengasse ein. Ich konnte es gar nicht fassen, dass ich tatsächlich jemandem diesen Platz zeigte. Nicht einmal Sean und Clarice waren jemals mit mir da gewesen, es war einfach mein Platz gewesen. Als wir die kleine Treppe erreichten, die zum Rhein hinab führte, drehte ich mich um. „Die zweit-letzte Stufe wackelt ein bisschen, also Vorsicht.“, warnte ich die Jungs und begann dann den Abstieg auf der Holztreppe. Sie war schon ziemlich morsch. Sie schien auch niemandem besonders wichtig zu sein und der Anfang der Treppe war auch ziemlich versteckt. Es war Zufall gewesen, dass ich sie überhaupt entdeckt hatte.
Unten angekommen, sah ich mich erst einmal um. Es sah genauso aus wie immer. Eine Platte aus etwa einem Meter dickem Stein, etwa so gross, wie das Wohnzimmer meiner Wohnung und es hatte genügend Platz für alle. Es war nicht einmal eng. Ich setzte mich an den Rand und liess meine Beine über den Rand der Plattform baumeln. Meine Füsse berührten den rauschenden Rhein ganz knapp nicht. Ich hatte keine Ahnung, weshalb es diese Plattform überhaupt gab und weshalb es niemanden mehr interessierte. Aber das war ja auch der Grund, weshalb ich diesen Platz so liebte. Er war wunderschön und ich konnte ganz für mich sein. Ich blickte zu den Jungs zurück, die unterdessen alle unten angekommen waren und den Platz mit grossen Augen musterten. Ich grinste ihnen zu und fragte: „Und? Ist dieser Platz zum Drehen gut genug?“ „Er ist perfekt.“, antwortete Felix, der in seinem Rucksack kramte und ein Stativ zum Vorschein brachte. Er begann es an einem Ende der Plattform aufzustellen. Unterdessen war auch Bewegung in die anderen gekommen, Taddl und Ardy hatten eine Diskussion über irgendetwas begonnen, dass ich aus der Entfernung nicht ganz verstand. Ab und zu hörte ich Wörter wie Dimensionen und Zeitmaschine heraus, aber ich konnte keinen Zusammenhang zwischen den Wörtern ausmachen. Der Junge, den ich noch nicht kannte, kam auf mich zu. Ich lächelte ihm entgegen. Er hatte blonde, aber kürzere Haare als Taddl und seine Augen waren eine undefinierbare Mischung von grün und blau. Ich liebte es Menschen in die Augen zu schauen. Jeder Mensch hatte so interessante Augen, von Farbverläufen bis zu kleinen Pünktchen. Im menschlichen Auge konnte man einfach alles entdecken.
Er setzte sich neben mich und sah auf den Rhein hinaus. „Ist schön hier, oder?“, fragte ich ihn, stütze mich auf meine Hände und blinzelte in die strahlende Mittagssonne.
„Wunderschön.“, verbesserte er mich, „ich bin Izzi.“ Er wandte sein Gesicht mir zu und ich lächelte ihn an: „Schön dich kennen zu lernen, Izzi.“ In der deutschen Gesellschaft ist man einfach zu wenig freundlich, fand ich, weshalb ich es liebte, englische Floskeln auch im Deutschen zu benutzen. Also „Nice to meet you.“, „Thanks for having me“, etc.
„Wir haben deine Frage immer noch nicht beantwortet.“, stellte Izzi fest. Ich nickte und sah ihn gespannt an. Was jetzt wohl kommen mochte? „Wir sind Youtuber, wir alle.“, er machte eine ausladende Geste, um damit klar zu machen, dass er Taddl, Felix und Ardy mit einschloss. „Was Youtube ist, weisst du wahrscheinlich, oder?“ Ich nickte wieder. Natürlich wusste ich, was Youtube ist. Ich brauchte es zum Recherchieren oder Musik hören ziemlich regelmässig.
Dann begann Izzi zu erzählen. Was sie da machten, wie viel Spass sie hatten, was alles Tolles schon passiert war, wie sie zu Youtube gekommen waren, einfach alles. Taddl, Felix und Ardy hatten sich unterdessen neben uns gesetzt. Taddl auf jener Seite von mir, wo nicht Izzi sass, danach kam Felix und dann Ardy. Ich konnte Taddl’s Nähe deutlich spüren, versuchte mich aber nicht von dem Kribbeln in meiner Magengegend ablenken zu lassen und lauschte Izzi’s Ausführungen gespannt. Ich stellte mir ihr Leben vor. Ohne Probleme, ohne Grenzen. Mit der Möglichkeit jeden Tag, das tun zu können, was ihnen am meisten Spass machte. Ab und zu fügte einer der anderen Izzi’s Erzählung noch etwas hinzu. Ich hatte die Augen geschlossen, genoss die warmen Sonnenstrahlen, die auf meiner Haut kitzelten und hörte ihnen einfach zu. Als sie geendet hatten, war es eine Weile völlig still. Als ich die Augen öffnete, sah ich, dass mich alle vier gespannt ansahen. „Und das ist echt euer Leben?“, fragte ich leicht ungläubig. Es war zu perfekt um wahr zu sein. Doch die vier nickte. „Wow!“, stiess ich hervor und begann dann zu lachen. Sie sahen mich verwirrt an und Taddl hatte eine Augenbraue hochgezogen, als warte er auf eine Erklärung. Es dauerte jedoch noch eine Weile bis ich mich wieder beruhigt hatte. „Ich…Es tut mir leid.“, schnaubte ich zwischen zweimal kichern, „Ich finde es nur komisch, dass gerade ich hier sitze und mit euch rede, eine der wenigen in meinem Alter, die tatsächlich noch nie etwas von euch gehört hat.“ Unterdessen war auch meine Atmung wieder völlig normal und ich atmete tief ein und aus.
Jetzt hatte ich mich mal wieder völlig blamiert. Weshalb hatte ich nur so einen komischen Humor? Doch nachdem sie meine Erklärung gehört hatten, grinsten alle vier. „Ja, diese ganze Begegnung war tatsächlich ziemlich unwahrscheinlich.“, stellte Izzi fest. Sein Grinsen ging von einem Ohr zum anderen und liess seine Augen strahlen. „Noch dazu hast du uns einen perfekten Drehort gezeigt.“, fügte Felix hinzu und erhob sich, um Izzi ein Zeichen zu machen, „wir sollten echt zu drehen anfangen. Ich muss nachher noch mit Rewi Craft Attack aufnehmen.“
Izzi sprang auf, „Stimmt! Ich muss nachher auch noch schnell bei Mediakraft vorbei und lernen muss ich auch noch.“ Ich musterte ihn bewundernd. Wie er das alles wohl unter einen Hut brachte? Sein Studium, Youtube und noch einen Nebenjob. Da kam ich mir mit meinem Job bei Starbucks ganz mickrig vor.
Izzi platzierte sein Longboard so vor die Kamera, dass die Sonne ihm ins Gesicht schien. Man sollte ja nicht in die Sonne filmen. Dass wusste sogar ich. Felix legte sein Board daneben.
„Was ist das Thema heute?“, fragte er Izzi, welcher gerade an der Kamera herumfummelte.
„Keine Ahnung.“, antwortete Izzi, „ich habe noch keinen Tweet ausgewählt.“
Felix scrollte auf seinem Handy hinunter, wahrscheinlich suchte er ein spannendes Thema für die Folge. Ich beobachtete sie gespannt. Ausser in meinem Videokurs, in dem nur Anfänger und Nieten waren, war ich noch nie bei einem Videodreh dabei gewesen. Ich stand auf und stellte mich hinter Felix, um die Tweets mitlesen zu können. Taddl und Ardy waren wieder in eine ähnliche Diskussion vertieft wie zuvor schon. Ich hörte wieder die gleichen Wörter heraus wie vorher.
Ab und zu glaubte ich zu erkennen, dass Taddl zu mir hinüber schielte.
„Was denkst du?“, wandte Felix sich mir zu, „was hältst du von diesem Thema?“
Er deutete auf einen Tweet und ich nickte zustimmend. „Wenn ich vorher alles richtig verstanden habe, dann wird dieses Thema alle eure weiblichen Fans ziemlich freuen.“, antwortete ich lächelnd.
Izzi kam zu uns hinüber. „Was denn?“ Er stand neben mich und schielte auf Felix Handy. Ein Grinsen  schlich sich auf seine Lippen.
„Da hast du Recht.“, stellte er an mich gewandt fest, „das wird sie freuen.“

Eine andere Welt ~ Eine Youtuberfanfiction (Taddl & co.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt