Kapitel 22

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Das Studium lief gut. Ich hatte Spass. Die Leute waren super und niemand dem ich davon erzählte, stellte meine Youtube Aktivitäten in Frage. Mitte August rückte immer näher und alle in meiner Umgebung wurden mit jedem Tag nervöser. Es gab praktisch kein anderes Gesprächsthema mehr als die Videodays und die Gamescom. In den Kommentaren meiner Videos war es nicht besser. Gehst du auch an die Videodays? Hast du Autogrammstunden? Und so weiter. Irgendwann sah ich mich gezwungen ein Video darüber zu machen und machte das offiziell, was Mediakraft Taddl und mir angeboten hatten. Bühnenzeit zu zweit. Unter der Leitung von Dominik Porsche.
Am ersten Tag konnte ich leider nicht anwesend sein, da ich einen Kurs im Studium hatte, den ich nicht verpassen durfte. Aber als dann am Abend alle vom Tag schwärmten, konnte ich gar nicht anders, als nervös zu werden. Was, wenn sich niemand für mich interessierte? Wenn mich niemand kannte und die ganze Organisation für nichts gewesen war? Ich hatte nämlich einiges in Zeit in mein Outfit investiert und extra für diesen Anlass eine Vlogging-Cam gekauft. Ausserdem war die Organisation mit den Autogrammstunden auch nicht unbedingt einfach gewesen. Erst als Taddl und ich schliesslich aneinander gekuschelt in seinem Bett lagen, fiel das Hektische, das mich einige Stunden zuvor überkommen hatte, endlich von mir ab.

Die Nervosität war völlig überflüssig gewesen, dachte ich, als ich mich für unseren „Auftritt" auf der Bühne bereit machte. Am Morgen war alles glatt gelaufen. Die Autogrammstunde hatte unglaublich viel Spass gemacht und alle Menschen, die ich bisher getroffen hatte, waren respektvoll und höflich gewesen. Ich freute mich sogar auf den Auftritt, auch wenn es mir ein wenig unnötig vorkam. Es gab doch so viele andere Youtuber, die die Fans dringender sehen wollten.
Aber schliesslich war es so weit. Und ich schwöre euch, so etwas hatte ich noch nie erlebt. Als ich die Bühne betrat, schien mein Trommelfell platzen zu wollen. Mein Herz klopfte im Takt der Schreie der Masse von Menschen. Als sich mein Blick ein wenig klärte, begannen meine Beine zu zittern. Es waren so viele Menschen! Wie sollte ich auch nur einen Schritt hinbekommen?
Auf einmal schob sich eine Hand in meine. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen und mein Herzschlag begann sich zu beruhigen. Er war ja da. Er würde mich nicht stolpern lassen.
„Und da haben wir auch mein Lieblingspaar!" Dominiks Stimme hallte durch die riesige Arena. Sofort erfüllte erneut Gekreische den Raum. Als ich zu Taddl hinüberschielte, sah ich das Grinsen, das sein Gesicht beherrschte. Im Gegensatz zu ihm, war mir meine Nervosität wahrscheinlich nur zu deutlich anzusehen.
Ich wäre wahrscheinlich noch eine ganze Weile wie versteinert dort gestanden, wenn Taddl nicht zu Dominik hinuntergegangen wäre und mich mitgezogen hätte. Felix und die anderen würden nachher auch noch auf die Bühne kommen, aber die ersten circa zehn Minuten waren für Taddl und mich reserviert. „Reiss dich zusammen, Jules!", sagte ich mir, „Das ist dein Moment. Geniess ihn!"
Als Dominik uns lächelnd den Platz auf dem Sofa anbot, wischte ich mir möglichst unauffällig den Schweiss von den Händen und setzte mich gerade hin. Mir war wohl anzusehen, dass ich mich nicht besonders wohl fühlte, denn Taddl legte mir den Arm um die Schulter und zog mich näher zu sich. Dankbar kuschelte ich mich an seine wohlbekannte, breite Brust.
„So ihr beiden! Wie geht es euch gerade?" Dominik lächelte uns an und zwinkerte mir nebenbei aufmunternd zu. Er hielt uns zwei Mikrofone hin. „Nicht nervös sein, Jules", die innere Stimme meldete sich wieder, „du bist hier mit deinen Freunden. Es ist wie bei einem Video. Die gleichen Leute, die auch sonst kommentieren oder liken." Am liebsten hätte ich, als Antwort auf meine eigene innere Stimme, die Augen verdreht. Es gab nämlich einen riesigen Unterschied. Ich konnte die Menschen sehen. Und es waren haufenweise. Die ganze Arena war voll.
„Ich fühle mich unglaublich. So viele Leute! Wow!" Taddl's hallende Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Er hielt eines der Mikrofone in der Hand und lächelte in die Menge.
Als er fertig gesprochen hatte, sah er mich gespannt an. Ich versuchte ebenfalls ein Lächeln, aber es gelang mir nur schwach. Ich nahm Dominik das zweite Mikrofon aus der Hand und überlegte gleichzeitig fieberhaft, was ich sagen könnte. Taddl's freie Hand fand meine wieder und es half sofort. Genau wie zuvor schon. Es war, als ob er sagen würde: „Das sind deine Fans, Jules. Sie kennen dich. Du musst nicht nervös sein."
„Ähm. Hallo erstmal." Ich zuckte zusammen, als meine Stimme hundertfach verstärkt durch die Arena schallte. Auf meine scheuen Worte folgte in Jubel, welcher mich, aus irgendeinem Grund, von ihnen her wärmte und mir Mut gab. „Ich hab keine Ahnung, was ich sagen soll. Ich bin völlig überwältigt." Dominik gackerte als Antwort in sein Mikrofon und meinte: „Ja, es ist wirklich eindrucksvoll. Mir hat es vorher auch beinahe die Sprache verschlagen. Aber das sollte es wirklich nicht, schliesslich bin ich ja hier, um mit euch beiden ein kleines Spiel zu spielen."
Erneutes Gekreische. Ich versuchte mich auf meine Atmung zu konzentrieren, um ja meine Nervosität nicht zurückkommen zu lassen. „Wir spielen „Who would rather?" mit unseren Turteltäubchen." Für diese Bezeichnung bekam Dominik erst einmal ein Augenverdrehen von mir und einen sanften Faustschlag von Taddl. Er lachte und gab uns je ein Schild auf dem auf der einen Seite mein und auf der anderen Seite Taddls Name stand.
Dann begann das Spiel. Und ich hatte Spass. Ich hatte tatsächlich Spass. Die Nervosität verschwand mit der Zeit völlig und ich begann aufzublühen. Taddl und ich neckten uns, lachten und Dominik zwinkerte zum Spass immer wieder verheissungsvoll in die Kamera. Als schliesslich alle Fragen durch waren, meinte er, das Publikum dürfe jetzt auch noch eine Frage stellen.
Er stand auf und ging auf der Bühne hin und her, während der Lärm in der Arena ohrenbetäubend wurde. Wie wollte er aus diesem Getöse bitte sehr eine Frage heraushören?
„Ah!", rief er plötzlich aus und sofort wurde es ruhig. Beinahe gespenstisch. „Diese Frage klang ganz interessant." Dominik drehte sich langsam zu uns um. Auf seinen Lippen lag ein Lächeln, dass mir ein wenig Angst machte. Er kam auf uns zu und schaffte es dabei, den Gang besonders dramatisch zu betonen. Als er sich schliesslich wieder setzte, lehnte ich mich gespannt ein wenig nach vorne. „Wann werdet ihr heiraten?" Die Frage dröhnte durch die Halle und liess alle entspannen ausser mich. Obwohl Dominik schallendes Lachen sofort auf die Frage folgte und allen klar war, dass er es als Scherz gemeint hatte, war mir die Frage unwohl. Über dieses Thema hatten Taddl und ich logischerweise noch nie gesprochen. Ich wusste nicht einmal, ob er einmal Kinder haben wollte.
Taddl schien an der Frage jedoch nichts auszusetzten zu haben und meinte grinsend: „Übermorgen. Ich kann nicht glauben, dass wir vergessen haben dich einzuladen." Ich fasste mich wieder und fügte an Taddl gewandt hinzu: „Weshalb sollten wir Dominik auch einladen?" Daraufhin zuckte er mit den Schultern und liess sein Grinsen noch etwas breiter werden. „Nein, jetzt einmal Spass bei Seite" Überrascht sah ich Taddl an. Was kam jetzt?

„Wir werden nicht heiraten."

Eine andere Welt ~ Eine Youtuberfanfiction (Taddl & co.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt