Kapitel 26

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„Jules?", Andre schnipste vor meiner Nase und brachte mich in die Gegenwart zurück. „Wieder bei uns?" „Ja, klar. Sorry." Ich musste einige Male blinzeln, um zu realisieren, dass wir immer noch an das Geländer gelehnt da standen. Warum musste ich auch so völlig in Gedanken versinken können? Andre und Jan lachten, als sie meinen verwirrten Gesichtsausdruck sahen und Andre hielt mir meine Kamera hin. Dankbar nahm ich sie wieder an mich und liess sie in meiner Hosentasche verschwinden. „Und? Was habt ihr jetzt vor?", fragte ich die beiden, während ich mir durch die Haare fuhr. Innerlich betete ich, dass ich nicht allzu Scheisse aussah. Andre zuckte mit den Schultern und tauschte einen Blick mit Jan. Ich kannte diesen Blick. Es war die Art Blick, die Taddl Ardy zu warf. Die Frage, ob weibliche Begleitung stören würde, lag unausgesprochen in der Luft. Das es dann auch noch eine Frau war, die man danach nicht würde flach legen können, war sicherlich nicht wirklich hilfreich.
„Ach, egal.", ich winkte ab, bevor die beiden antworten konnten. „Lasst euch von mir nicht stören. Ich suche dann mal Taddl." Ich konnte ihnen die Erleichterung sichtlich ansehen. Was hatten sie denn vor, dass eine Frau so sehr stören würde? Ich schob die Frage aus meinen Gedanken und winkte den Fans zum Abschied zu. An Andre und Jan gewandt, sagte ich: „Ich seh euch später." Cengiz und Sara waren irgendwohin verschwunden. Ohne eine Antwort ab zu warten ging ich in die Richtung, aus der ich nicht gekommen war. Ich hatte nämlich in keiner Art und Weise vor, Taddl suchen zu gehen. Das sollte er ruhig selbst übernehmen. Stattdessen wollte ich irgendwie die Zeit bis zur grossen Show überbrücken. Die Fans von vorhin, einige von denen hätten sicher gerne ein Autogramm. Ja, das war es. Autogramme geben. Das würde mich auch ablenken. Bei der nächsten Treppe schlüpfte ich unter dem Absperrband hindurch. Die Security-Männer sahen mich zwar komisch an, aber das interessierte mich nicht. Als ich das Erdgeschoss erreichte, sah ich mich erstmal um. Ein ständiger Strom von Menschen war auf beide Seiten unterwegs. Alle sahen sich ständig um, als hielten sie nach etwas Ausschau. Und ich wusste auch, was dieses etwas war. Wir. Die Youtuber. Es war ein Mädchen etwa zwei Jahre jünger als ich, das mich als erstes entdeckte. Ich lehnte unterdessen an einer Wand und beobachtete das rege Treiben. Yep, es waren definitiv sehr viel weniger Menschen bereits bei der Bühne, als ich gedacht hatte. Dort wo sich eine Gruppe Menschen gebildet hatten, vermutete ich einen Youtuber in der Mitte, der Autogramme gab.
Dass das Mädchen mich erkannt hatte, sah ich am Ausdruck in ihrem Gesicht, als sie mich ansah. Ihr Blick streifte meinen zu erst nur kurz. Dann sah sie mich noch einmal an und ihre Augen weiteten sich. Ein scheues Lächeln schlich sich auf meine Lippen und ich hob die Hand. Sie sah sich um und als sie sich sicher war, dass ich niemandem sonst zu winkte, breitete sich auch ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Sie zupfte ihre Freundin, die verdattert neben ihr stehen geblieben war, am Ärmel und nickte zu mir herüber. Auch deren Augen wurden ganz gross. Ich verkniff mir den Drang, mich umzusehen. Es war so ungewohnt, diese Reaktion selbst bei jemandem auszulösen. Die Finger des Mädchens hatten sich in die Ärmel des Pullovers ihrer Freundin gekrallt und während sie auf mich zu kamen, konnte ich beobachten, wie ihr Griff immer stärker wurde. Ihre Knöchel traten beinahe weiss hervor. War sie tatsächlich so nervös, dass sie mich sah?
„Hi.", begrüsste ich die beiden, als sie bei mir ankamen. Ich war wahrscheinlich genau so scheu und unsicher wie sie. Ein wenig betreten sahen wir einander an. Wir wussten alle drei nicht genau, wie mit dieser Situation um zu gehen war. Schliesslich fragte das Mädchen mit den Locken zitternd: „Bist du wirklich Jules?" Ich atmete tief durch und stellte mich ein wenig gerader hin. „Ja. Ja, die bin ich tatsächlich." Da begann es aus dem Mädchen, das mich entdeckt hatte, nur so heraus zu sprudeln. „Ich... ich habe dich durch Taddl entdeckt, aber ich bin so unglaublich froh! Ich kannte zuvor beinahe niemanden, der Bücher genauso liebt wie ich. Du findest immer Worte für Dinge, die ich nicht ausdrücken kann. Deine Videos sind wie ein Rettungsanker jede Woche zweimal! Ich danke dir. Es ist etwas woran ich mich festhalten kann." Als sie fertig gesprochen hatte, atmete sie schwer und ihre grossen Augen funkelten.
Ich jedoch brauchte eine Weile, bis ihre Worte zu mir durchsickerten. „Meinst du das ernst?" Wow. Wirklich super Antwort. Innerlich hasste ich mich für diese Antwort. Doch sie nickte nur. „Natürlich." „Dann danke ich dir. Du gehörst zu den Gründen, weshalb ich diese Videos mache." Na geht doch. Ich kann also trotzdem mit Worten umgehen.
Sie wurde ganz rot und das war unglaublich süss. „Wollen wir ein Foto machen?", fragte ich sie und zwinkerte dabei ihrer Freundin zu, die uns belustigt beobachtet hatte. Die beiden nickten und so machten wir ein Foto. Dabei wurden andere Fans auf uns aufmerksam und schon hatte sich eine Traube aus Menschen um uns gebildet.
Die Beschreibung des Videodays entspricht etwa dem, wie ich es life vor Ort erlebt habe. (Nicht als Youtuberin natürlich)

Eine andere Welt ~ Eine Youtuberfanfiction (Taddl & co.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt