Kapitel 34

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Sie hatten das Auto am Rand eines Feldweges abgestellt und ich sah sofort, warum. Der Feldweg endete nämlich einige Meter weiter oben und ging in einen sich schlängelnden Wanderweg über. Dieser führte noch weiter den Berg hinauf, als wir schon waren. Auf jeden Fall nahm ich an, dass wir auf einem Berg waren. Anders konnte ich mir die Aussicht nicht erklären. Der Feldweg grenzte an einem steilen Abhang mit Geröll und Schutt. Keine Bäume standen im Weg. Tatsächlich konnte man weit über das Land hinausschauen, da der Berg auch der einzige in der Nähe zu sein schien. Hinter uns, also auf der anderen Seite des Feldwegs, versuchten Wiesen sich gegenseitig mit saftigem Grün zu übertrumpfen. So wie die Aussicht aussah, mussten wir schon ziemlich hoch sein, aber der Berg stieg links von uns noch höher. Ich konnte die Entfernung nicht einschätzen, aber den ganzen Wiesen lang, war er nicht wirklich steil, erst dort, wo sich ein von bunten Farben leuchtender Laubwald erstreckte, schoss er noch einmal in die Höhe. Den Gipfel konnte ich nicht erkennen, dafür waren wir wohl zu nah.
Die Luft roch rein und klar, war aber etwas kühler, als sie es in der Stadt gewesen war. Ich kam mir wie in einem Hobbitfilm vor. So stellte ich mir Mittelerde vor. Die Farben waren voller Kraft und ich konnte es überhaupt nicht fassen, dass wir immer noch in Deutschland waren. Das waren wir doch, oder?
Ich war im ersten Moment völlig erschlagen und stand einfach nur da. Mit einem Mal schlang Taddl seine Arme um mich und als er mich an sich zog, streiften seine Lippen kurz mein Ohr. Ob es Absicht gewesen war oder nicht, es liess mir einen angenehmen Schauder den Rücken hinunterlaufen. Ich lehnte mich an ihn und atmete tief durch. Taddls Geruch vermischt mit dem der frischen Höhenluft, war alles, was ich für den Rest meines Lebens brauchte. Davon war ich in diesem Moment überzeugt. Perfekter konnte es nicht werden. Gerade als ich das dachte, küsste Taddl mich sanft auf das Haar und sagte, ich konnte das Lächeln in seiner Stimme hören, „ich glaube, ich weiss, was du damals mit dem Leben im Moment gemeint hast.“
Von wegen perfekter könnte es nicht werden. Ich drehte mich langsam zu ihm um und sah hoch. Seine blauen Augen funkelten und wie immer musste ich mich zusammenreissen, nicht in ihnen zu versinken. Er hatte einen leichten Dreitage-Bart und ich konnte nicht anders, als mit meinen Fingern darüber zu fahren. Ich lächelte in mich hinein. Er war sogar zu faul, um sich zu rasieren.
Schliesslich antwortete ich ihm. „Du hast lange gebraucht.“
Meine Hände waren unterdessen in seinen Haaren angelangt und wickelten sie sich um den Finger. Taddl hob seine eigenen Hände und pickte meine sanft aus seinen Haaren. Er verschränkte unsere Hände miteinander und schob sie beinahe andächtig zwischen uns. Somit hatte er einen kleinen Abstand geschaffen, aber verbunden waren wir immer noch. Als er seine Augen von unseren Händen löste, lächelte er mich leicht schräg an. „Aber alle Zeit der Welt hab ich nicht gebraucht, oder?“
Da hatte er recht. Ich war mir aber immer noch nicht sicher, ob er ganz verstanden hatte, was ich ihm damals sagen wollte, aber es reichte doch, dass er sich dessen sicher war. Also stellte ich mich auf die Zehenspitzen und küsste ihn. Ich legte alle meine verwirrten Gefühle, die ich in letzter Zeit hatte in diesen Kuss. So war es nicht nur ein Kuss voller Liebe, sondern auch einer von ungestümer Verzweiflung. Fast als würde unser Leben davon abhängen.

Wir bemerkten Ardy erst, als er sich räusperte. Doch anstatt mich sofort von ihm zu lösen, machte ich eine Wegscheuch-Bewegung in Ardys Richtung.
 „Ach kommt schon! Nicht euer Ernst?“ Ich konnte mir bildlich vorstellen, wie er dabei die Augen verdrehte. Mit einem breiten Grinsen in Taddls Richtung trat ich einen Schritt zurück. Offensichtlich hatte er etwas Ähnliches gemacht wie ich, denn Ardy funkelte nicht nur mich verärgert an.
Ich hatte mich zuvor noch überhaupt nicht gefragt, wo die anderen wohl waren. „Habt ihr einen Platz gefunden?“, fragte Taddl Ardy und ganz nebenbei begann er auf unsere wiederverschränkten Hände mit der freien Hand Kreise zu fahren. Das machte er häufiger. Und meistens fiel es ihm nicht einmal auf.
„Ja. Wir haben einen gefunden. Oben am Waldrand hat es eine schöne Feuerstelle.“, erklärte Ardy und fügte noch hinzu: „Simon und Felix arbeiten gerade an einem Feuer.“
„Arbeiten?“ Ich feixte, aber Ardy lachte nur. „Ja. Arbeiten. Simon sieht zwar aus, wie ein Natur-Freak, aber in Wahrheit…“
„Du willst also sagen, sie brauchen Hilfe.“, fasste Taddl zusammen. Ardy nickte. „Davon gehe ich aus.“ Und schon lief er los.

Eine andere Welt ~ Eine Youtuberfanfiction (Taddl & co.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt