Kapitel 46

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„Auf keinen Fall! Habt ihr denn keine Ahnung wie es J.K.Rowling ergangen ist?" Meine Stimme war lauter geworden, als geplant und alle im Raum starrten mich mit grossen Augen an. Und natürlich hatte niemand eine Ahnung, wovon ich sprach. Abgesehen von jemandem. Weil dieser jemand auf meine Empfehlung hin, das Buch, aus dem ich diese Information hatte, auch gelesen hatte. Aber wie hätte ich auch erwarten können, dass irgendjemand sonst die Geschichte kannte? Das Buch wurde nicht einmal mehr produziert. Ich musste nicht einmal Hilfe suchend zu ihm hinüber schauen, er sprang mir schon bei.
„Warner Bros wollte, als Fanfictions begannen gross zu werden, aus urheberrechtlichen Gründen Fansites zu schliessen. Die Folge war ein riesiger Shitstorm. So schlimm das Warner Bros schliesslich zurückkrebsen musste und sich in der Öffentlichkeit entschuldigen musste. Seitdem wagt niemand mehr etwas dagegen zu unternehmen." Taddl hatte im Gegensatz zu mir einen kühlen Kopf behalten und argumentierte mit klaren Hintergründen. So wie ich es auch hätte tun sollen. Aber ich kannte ihn gut genug, dass ich, während er sprach, das Feuer, erkennen konnte, das in ihm genauso leidenschaftlich brannten wie in mir. Schliesslich ging es hier um unsere Fans. Er verpackte das Feuer nur gut und liess es nicht die Oberhand gewinnen. Aber das hatte er schon immer gekonnte. Mit Worten umgehen. Und er war noch nicht fertig. Seine Augen huschten kurz zu mir und dann fuhr er fort. „Ich stimme Jules zu. Das würde niemals gut kommen und schlussendlich auf uns zurück fallen. Dabei wollen wir nichts anderes, als ein wenig Ruhe haben."
Priska hatte offensichtlich aufmerksam zugehört, denn sie nickte gedankenverloren. Für einige Minuten war es still. Niemand sagte ein Wort. Aber zum zweiten Mal an diesem Tag tauschten Taddl und ich einen Blick. Aber im Gegensatz zum letzten Mal konnte ich nun nichts in seinen Augen lesen. Vielleicht ein wenig Sorge. Aber bei der ging es nicht um mich, sondern um die Entscheidung, die gleich fallen würde. Nahm ich zumindest an.
„Ihr habt recht.", stellte Priska nach einiger Zeit, „aber wir werden ein Presseschreiben herausgeben, in dem ihr noch einmal ganz klar verkündet, dass ihr keine Feindschaften unter euren Fans sehen wollt und dass ihr es schätzen würdet, wenn man euch eure Privatsphäre lässt." Sie wandte sich an eine etwas jüngere Angestellte, die rechts von ihr sass. Ihre Assistentin, nahm ich an. „Kannst du das formulieren und mir danach schicken?" Die jüngere nickte, aber kaum sah Priska weg, verdrehte sie die Augen. Sie sollte ein wenig vorsichtiger sein, wenn sie ihren Job behalten wollte.
„Okay, gut. Sind alle damit einverstanden?" Ich seufzte. Warum genau war ich hier hingekommen? Diese ganze Sitzung wäre doch wirklich nicht nötig gewesen. Natürlich fanden das alle einen guten Kompromiss. „Und Jules?" Ich zuckte merklich zusammen und riss meinen Blick von der Holzmaserung des Tisches los. „Wenn ich du wäre, würde ich bald wieder Videos machen. Sonst werden die Fans langsam wütend."
Ich setzte ein schräges Lächeln auf. „Natürlich." Innerlich äffte ich ihre Stimme nach: „Sonst werden die Fans wütend." Von wegen. Sonst verdient ihr weniger. Ich war so froh, dass ich nur einen Ein-Jahresvertrag unterschrieben hatte.
Somit war offensichtlich auch das ganze unnötige Gespräch zu Ende und alle entspannten sich. Es war das gleiche Phänomen, das man auch in den Kinos beobachten kann, gleich nachdem der Film zu Ende ist. Die Schultern sacken nach unten, die Mundwinkel nach oben und einigen entkommt sogar ein glücklicher Seufzer. Dann standen alle auf, froh wieder auf den Füssen zu stehen und nicht mehr zu sitzen. Gespräche beginnen sich auszubreiten. Aber da ich niemanden zum Reden hatte, verabschiedete ich mich von denen, die ich flüchtig kannte und verschwand.

Doch kaum trat ich aus dem Mediakraft-Gebäude in die frische Luft und schon beinahe die Steintreppe runter, hörte ich schon wieder jemanden meinen Namen rufen. Dass schien heute so üblich zu sein. Ich wusste auch sofort, wer mich da rief. Wieviel musste ich noch klar machen, dass ich okay war? Sogar als ich das dachte, verdrehte ich über mich selbst die Augen. Weshalb konnte ich nicht einfach ehrlich sein und zugeben, dass es mir alles andere als gut ging?
Ardy hatte mich unterdessen eingeholt. Wer ausser ihm sollte es denn sein? „Ich muss mit dir reden.", stellte er fest und legte mir seine Hand auf den Arm. Fast als würde er verhindern wollen, dass ich davonlief. Dieser Fluchtweg war also abgeschnitten. Schliesslich seufzte ich auf und ergab mich meinem Schicksal. „Willst du mich ein Stück nach Hause begleiten?"
Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen und er stütze seine Hand auf seiner Hüfte ab, so dass ich mich einhaken konnte. „Natürlich. Ich geleite die Dame gerne sicher zu ihrem trauten Heim." Scherzhaft stiess ich ihm meinen Ellbogen in die Rippen und ich konnte mir das Grinsen nicht verkneifen. „Ich wüsste mich schon zu verteidigen.", stellte ich fest, aber schob meinen Arm trotzdem in seinen.
„Das glaube ich dir gern." Sein Gesichtsausdruck wurde plötzlich wieder ein wenig ernster und ich musste mir ins Gedächtnis rufen, dass es, obwohl es sich so anfühlte, nicht mehr wie früher war. Das er eigentlich mit mir über etwas sprechen wollte. Und dass wir das am besten nicht gleich vor dem Mediakraft-Gebäude taten. „Komm.", sagte ich beinahe mehr zu mir als zu ihm und wir liefen los.

Eine andere Welt ~ Eine Youtuberfanfiction (Taddl & co.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt