Kapitel 29

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Der kalte Stein drückte gegen meinen Rücken und bildete einen starken Kontrast zu meinem erhitzten Körper. Er brannte noch immer vom Feiern und Herumhüpfen während der Show. Während die anderen jetzt noch etwas trinken gegangen waren, war ich direkt hier her gekommen. Zu meiner Steinplatte. Dort, wo ich das erste Mal bei ramble dabei gewesen war. Damals, als ich noch nichts von dieser anderen Welt geahnt hatte.
Ich lag ausgestreckt auf dem Boden und starrte in den Sternenhimmel über mir. Es war eine klare Nacht und der Mond funkelte mit den Sternen um die Wette. Ein kühler Wind lag in der Luft und brachte die Frische des Herbstes mit. Der Rhein rauschte und liess keinen anderen Gedanken zu.
Taddl hatte sich den ganzen Tag über nicht gemeldet. Felix hatte zwar gesagt, er wolle mir nur ein wenig Platz geben. Trotzdem. Ich seufzte leise und verschränkte die Arme hinter meinem Kopf. Von wegen das Rauschen des Rheines lasse keinen anderen Gedanken zu.
„Ich wusste, dass ich dich hier finde." Die tiefe Stimme sprach ruhig und gelassen. Nach all dieser Zeit bekam ich noch immer eine leichte Gänsehaut, wenn er so plötzlich in der Stille sprach.
Ich blieb still liegen. Schritte näherten sich und ich konnte spüren, wie sich jemand neben mich setzte. Weshalb hatte ich ihn zuvor nicht gehört? Weshalb hatte die Treppe nicht geknarzt?
„Jules?" Ich seufzte erneut und setzte mich auf. Ihn zu ignorieren wäre viel zu kindisch gewesen. Ich setzte mich in den Schneidersitz und betrachtete ihn. Er hatte sich umgezogen. Und offensichtlich war er frisch geduscht. Seine Haare waren nicht gestylt und standen auf alle Seiten ab. Kurz: er sah genauso aus, wie ich ihn am meisten liebte und ich konnte mir ein schwaches Lächeln nicht verkneifen. Mein Herz hatte bei seinem Anblick automatisch seinen Puls erhöht.
Als er sah, dass ich lächelte, runzelte er die Stirn. „Bist du nicht mehr sauer?", fragte er und klang dabei beinahe hoffnungsvoll.
„Ich weiss es nicht.", antwortete ich wahrheitsgetreu und zuckte mit den Schultern, „Ich verstehe, was du mir sagen wolltest, aber ich finde es schade, dass du so denkst." Ich machte eine kurze Pause und musterte sein Gesicht. Er betrachtete mich aufmerksam und ich bemerkte, dass er über meine Worte nachdachte, also fuhr ich fort. „Im Moment liebe ich dich, verstehst du? Und es ist mir egal, was kommt, so lange ich weiss, dass du mich auch liebst."
„Das tue ich. Wirklich. Ich liebe dich." Er streckte seine Hände aus und nahm meine in seine. Auch er sass im Schneidersitz da.
„Genau das ist ja der Punkt. Eine Hochzeit ist doch eigentlich nichts anderes, als diese Liebe zu feiern." Meine Stimme klang fest, als ich die Argumente aussprach, die mir schon den ganzen Tag durch den Kopf gingen. „Es geht um die Liebe im Moment. Ob danach etwas dazwischen kommt oder nicht, sollte in diesem Moment nicht die Frage sein. Und das kommt es wahrscheinlich so oder so. Ob man heiratet oder nicht."
Ich sah es ihm an, dass er etwas sagen wollte, aber ich hob die Hand und er schloss seinen Mund wieder. Also sprach ich weiter.
„Mir ist es eigentlich egal, ob wir heiraten. Ich will momentan auch noch gar nicht heiraten. Ich will nur, dass du, wenn du mit mir zusammen bist, glücklich bist. Du sollst nicht die ganze Zeit darüber nachdenken, dass nichts ewig ist und das wir uns sowieso wieder trennen. Wenn du die ganze Zeit nur so denkst, dann kannst du gar nie glücklich werden. Wirklich glücklich. Und ich wünsche mir nichts mehr, als das dir unsere Liebe so genügt, wie sie jetzt, in diesem Moment ist."

Als ich nun endlich fertig war, atmete ich erst einmal tief durch. Taddl sah mich mit grossen Augen an. Dann zog er seine Hände weg und lehnte sich, auf sie gestützt, nach hinten. Er sah in den Nachthimmel und ich konnte beinahe sehen, wie es in ihm ratterte. Ich weiss nicht, ob er verstand, was ich ihm sagen wollte. Er machte sich zu viele Gedanken. Und wenn man immer nur nachdenkt, vergisst man irgendwann, zu leben.

Eine andere Welt ~ Eine Youtuberfanfiction (Taddl & co.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt