Kapitel 36

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Der Tag war viel zu schnell vorüber. Ich denke, er war so wunderschön, weil wir alle einmal abschalten konnten. Wir waren auf einem Berg mit weiter Aussicht und ohne irgendwelche Verantwortung oder Verpflichtungen. Es war uns für einen Tag egal, was alle dachten. Was die Fans, davon hielten, dass wir heute nichts hochluden. Was Mediakraft davon hielt.
Wir haben einfach nur gelacht. Gegessen. Das Wetter genossen. Das Gehirn ausgeschaltet.
Gerade nach diesem Tag, auch ein wenig wegen dem Gespräch mit Caty und den besorgten Blicken der anderen, die ich trotz aller Heimlichtuerei immer wieder bemerkte, war mir klar, dass es so nicht weiter gehen konnte. Also entschied ich mich den Job bei Starbucks noch mehr zurückzuschrauben. Es schmerzte. Denn das bedeutete, dass ich Sean und Clarice noch weniger sehen würde, als ich es sowieso schon tat. Trotzdem schien es mir als das einzig richtige. Caty unterstütze mich, wo sie konnte. Sie hatte Recht, wenn sie sagte, dass mir der Bürojob, den ich, jetzt Fans bedingt, im Starbucks hatte, sowieso nicht gefiel.
Es ging mir besser. Ich machte mir weniger Gedanken und ich hatte mehr Zeit, obwohl ich meist nicht wirklich zum Schlafen kam. Der Youtuber-Schlafrythmus vertrug sich immer noch nicht gut mit meinem Studium.

Und dann war plötzlich Winter. Ich sah ihn nicht kommen. Seit ich in der Youtubersezene war, hatte ich keinen Überblick über das Datum mehr. Eines Tages schneite es einfach und erst da wurde mir klar, dass ich mit all dem Weihnachtskram ziemlich im Rückstand war. Ich liebte Weihnachten. Und durch meine Freude an Weihnachten sah Taddl und Ardys Wohnung innerhalb einiger Tage viel gemütlicher aus und roch angenehm nach Keksen. Heiligabend kam immer näher und eine Woche davor bekam mein Glück einen ordentlichen Dämpfer. Es würde das erste Weihnachten sein, das ich ohne meinen Vater verbringen würde. Und ohne Leo. Ich weiss nicht mehr, wann mir das aufgefallen war. Der Gedanke war einfach da. Wie aus dem nichts. Taddl hatte selbst so viel zu tun und war so oft im Studio, dass es mich nicht überraschte, dass ihm mein plötzlicher Stimmungswechsel nicht auffiel. Er hatte sich verändert. Er war nicht mehr der Junge, der nur so von Natürlichkeit und Offenheit strotzte. Er war jetzt ein Mann, der so sehr darauf beharrte sich selbst zu sein, dass es mir beinahe schien, er würde sich selber verlieren. Wenn er bei mir war, war er noch derselbe und ich liebte ihn noch immer. Aber wenn ich ihn in einem Video sah oder sah, wie er sich manchmal gab, dann schmerzte das. Ich musste immer öfter daran denken, wie ich am Anfang ihre Videos nicht sehen wollte, weil ich mir eine eigene Meinung über sie bilden wollte. Es ging mir ähnlich wie damals. Nur das ich nicht mehr wusste, welche von den beiden Versionen der echte Taddl war. Der liebende, lustige, herzerwärmende Poet und Filmkritiker oder der selbstsichere, sich keinen Deut scherende, talentierte, aber kühle Rapper. Oder war er beides?
Meine Gedanken waren gespalten. Ich wusste nicht, was ich von seiner Veränderung halten sollte. Und gleichzeitig vermisste ich meinen Vater so unglaublich, dass es beinahe weh tat. Ich wollte ihn besuchen und irgendwie auch das genaue Gegenteil.
Caty wusste von all meinen Zweifeln, aber sie hatte selbst so viel zu tun, dass wir beide uns entschieden, es einfach dabei zu belassen und abzuwarten. Es war ja allgemein bekannt, dass der Winter mit seinem Nebel solche Gefühle hochkommen liess.

Als Weihnachten dann endlich da war, konnte ich alles für einige Tage vergessen. Heiligabend feierte das Youtuberhaus zusammen mit Izzi. Dieses Zusammensein hatte die gleiche Wirkung auf mich, wie der Tag im Herbst. Es liess alle meine Probleme unwichtig werden und mich dankbar sein, für das, was ich hatte. Am nächsten Tag fuhren alle zu ihren Familien und Taddl nahm mich mit zu seiner. Ich schwöre euch, ich war noch nie in meinem Leben so nervös. Was würden sie von mir halten? Würden sie mich mögen?
Aber meine ganzen Sorgen waren umsonst gewesen. Taddl's Vater gehört zu den nettesten Personen, die ich je treffen durfte. Sein Humor entsprach genau Taddls und es überraschte mich nichts, dass ein solch lebensfroher Mann sein Kind einfach zum Spass Thaddeus taufte. Wir blieben beinahe eine Woche in dem kleinen Dorf, das mich nur allzu sehr an meine eigene Vergangenheit erinnerte.
Am letzten Tag dieses Jahres, das mein ganzes Leben verändert hatte, fuhren wir wieder zurück nach Köln. Wir hatten da nämlich noch eine kleine Party zu organisieren.

Eine andere Welt ~ Eine Youtuberfanfiction (Taddl & co.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt