1.

3K 88 34
                                    

Es regnet. Ist es nicht immer so auf Beerdigungen. Auf einer Beerdigung war ich zuletzt, als meine Eltern bei einem Autounfall starben. Natürlich waren ich und Marcel oft an ihrem Grab und haben ihnen schöne Blumen gebracht, aber jetzt wird er bei ihnen sein und ich werde allein an ihre Gräber gehen müssen. Ohne ihn. Meinem großen Bruder. Auch er starb bei einem Autounfall, genau wie unsere Eltern. Jetzt frage ich mich, wie ich sterben werde. Werde ich auch einen Unfall haben wie meine Familie oder später sterben, wenn ich schon ganz alt bin und meine Kinder groß  sind und auch schon Kinder bekommen?

Ach wie gerne ich jetzt bei Ihnen wäre. Ich wünschte meine Mutter würde über meine Haare streichen und mich in ihren Armen halten, wenn es mir schlecht geht. Ich wünschte mein Vater würde mir seine Abenteuer Geschichten erzählen. Ich wünschte mein Bruder würde mich aufmuntern und mir sagen, dass alles wieder gut werden wird! Nur wird nichts gut werden, weil ich jetzt ganz allein bin , ohne meine Familie.

Natürlich werde ich mir nicht das Leben nehmen, dass würde meine Familie nicht wollen. Sie würden wollen das ich lebe. Auch wenn es schwer werden wird, werde ich versuchen weiter zu leben. Es ist schon verrückt, wie schnell man Menschen, die man liebt verlieren kann. In einem Moment waren sie noch da und im nächsten Moment sind sie weg.

Bevor Marcel auf die Party ging, hatte er mir durch meine Haare gewuschelt und mir einen Kuss auf die Stirn gedrückt. Ich sah ihm noch nach wie er grinsend ins Auto stieg und weg fuhr. Das war das letzte mal das ich ihn gesehen habe.

Ich stehe in einem schwarzen Kleid mit unseren (jetzt nur noch meinen) Pflegeeltern am Friedhof. Zusammen unter einem Regenschirm. Anne hält meine Hand und Chris weint leise. Er hat Marcel geliebt wie seinen eigenen Sohn. Wir alle haben ihn geliebt. Jeder hat ihn geliebt! Wie hätte man ihn nicht lieben können? Er war einfach besonders. Er konnte alle zum lachen bringen. Er war das Licht in der Dunkelheit. Die wärmende Sonne, wenn einem kalt war und der kühlende Regen, wenn einem zu warm war. Er war immer da. Gab mir halt und Stärke. Mit ihm an meiner Seite war ich mutig. Mit ihm in meinem leben war ich vollständig.

***

Nach der Beerdigung gehen wir nach Hause. Während der Fahrt schweigen wir. Es gibt keine Worte, die die Leere und Kälte vertreiben könnten. Als wir zu Hause ankommen schließe ich mich in meinem Zimmer ein und schmeiße mich auf mein Bett. Erst jetzt kommen mir die Tränen. So richtig. Alle Gefühle, die ich zurück gehalten habe stürzen nun auf mich ein und erschlagen mich.

Ich rolle mich auf meinem Bett zusammen und lasse alles raus. Ich will hier nicht allein sein. Ich will sein Gesicht sehen, sein strahlendes lächeln. Er soll seine Arme um mich legen und mich trösten, wenn es mir schlecht geht. Er soll wieder da sein.

Aber egal wie sehr ich es mir auch wünsche, so wird es nicht mehr sein. Nie mehr. Er wird nicht zurück kommen.

***

Ich muss eingeschlafen sein, denn ein klopfen an der Tür lässt mich hoch schrecken und ich stehe auf. Anne steht an der Tür und lächelte mich schwach an.
>>Es gibt essen kommst du?<<

Ich schüttel den Kopf und sage ihr, dass ich keinen Hunger habe. Sie nickt und schließt die Tür wieder hinter sich. Sie weiß genau das es nichts bringen würde mich zu überreden.

Ich scrolle in meiner Galerie auf meinem Handy rum und sehe mir Bilder von mir und Marcel an. Viele können Bilder der verstorben Personen nicht sehen oder das Zimmer nicht mehr betreten. Aber mir ist das wichtig. Ich habe nämlich angst ich könnte vergessen, wie er aussieht, lächelt, lacht oder richt. Mir laufen wieder Tränen über meine Wangen. Ich schließe meine Augen und schlafe wieder ein. Ich fühle mich so schwach und kann einfach nicht mehr.

Ich bin auf einer Feier. Suche meine Freunde, kann sie aber nicht finden. Hier sind eine Menge Leute, die ich nicht kenne. Doch dann sehe ich Marcel wie er gerade mit einem Mädchen spricht. Ich will zu ihm gehen, aber ich kann meine Beine nicht bewegen. Jetzt weiß ich wo ich bin, auf der Party zu der er gefahren ist. Ich will ihn warnen und abhalten ins Auto zu steigen. Aber ich kann mich nicht bewegen. Er hört auf mit dem Mädchen zu reden und sieht mir direkt in die Augen. Er sieht mich entschuldigend an. Dann verschwindet er und ich kann mich wieder bewegen. Ich laufe so schnell ich kann, aber er ist nirgends zu sehen.

Mit einem Ruck erwache ich und setze mich aufrecht hin. Ich muss erstmal aus meinem Traum kommen und realisieren wo ich gerade überhaubt bin. Ich hab ihn gesehen. Warum bist du betrunken gefahren? Warum nur? Warum hast du mich hier allein zurück gelassen?

So das ist das erste Kapitel.
Es ist meine erste Geschichte.
Vielleicht gefällt es auch ja schon :)

LG Tigerfee🐯

He is a WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt