Heute morgen stand ich auch wieder früher auf, damit ich mich noch von Anne und Chris verabschieden konnte. Sie müssen schon früh los.
Eins habe ich gelernt. Man sollte sich immer richtig von einem verabschieden, egal wann. Auch wenn man sich nur kurz nicht sieht. Man kann ja nie wissen was passiert. Natürlich glaube ich jetzt nicht das ihnen etwas zustößt, aber man sollte immer sicher gehen. Ich hatte auch nicht damit gerechnet, Marcel nie wieder zu sehen.
Ich gehe ins Badezimmer, wasche mich, putze meine Zähne, käme meine Haare und fleschte sie zu zwei Zöpfen. Dann ziehe ich mir noch eine Jogginghose und ein lila Top an.
Meine Pflegeeltern sind schon wach und haben Frühstück gemacht. Ich setze mich zu ihnen an den Tisch.
>>Guten Morgen.<< sage ich und nehme mir einen Apfel.
>>Guten Morgen.<< sagen Anne und Chris und nehmen sich ein Brötchen.
>>Willst du denn nicht mal was vernünftiges essen?<< fragt Anne und ich zucke nur mit den Schultern. Wenn sie noch essen können freut mich das, aber ich kann es einfach nicht.>>Ich habe keinen Hunger. Außerdem habe ich gestern was gegessen.<< brumme ich und beiße von meinem Apfel ab. Sie sagt nichts mehr und schweigend essen wir alle weiter.
Nach dem Frühstück fahren sie auch schon los und ich verabschiede mich.>>Wir müssen nicht fahren.<< meint Chris noch, bevor sie fahren und nimmt mich in den Arm. >>Doch müsst ihr. Es ist nur eine Woche. Ich komme schon klar.<<
***
Jeden Tag war ich am Grab meiner Eltern und natürlich auch an dem von Marcel. Ich habe die Gräber sauber gemacht und frische Blumen gebracht.
Heute ist Freitag und nachher kommen Anne und Chris wieder. Ich habe mir die Zeit mit lesen tot geschlagen und jeden abend haben ich und Mia telefoniert oder geschrieben.
Jetzt gerade bin ich auch am Grab von Marcel. Ich hocke davor und denke nach. Über früher und vieles mehr. Was wir wohl unternehme würden, wenn er jetzt hier wäre. Wie würden meine Ferien dann aussehen? Auf jeden Fall bestimmt besser. Wenigstens hält das Wetter zu mir. Es ist kalt und sehr viel am regnen.
Völlig in Gedanken versunken merke ich nicht, dass sich jemand zu mir gestellt hat. Erst als mir jemand seine Hand auf die Schulter legt, erschrecke ich mich und kippe um. Ich lande mit meinem Hintern auf dem nassen Boden.
>>Tut mir leid. Ich wollte dich nicht erschrecken.<< sagt eine männliche Stimme, die mir sehr bekannt vorkommt. Ich drehe mich um und als ich sehe wer da steht, springe ich auf und umarme ihn. Es ist Michael, Marcels bester Freund.
>>Was machst du denn hier?<< frage ich ihn und schaue ihn überrascht an. Seid der Beerdigung habe ich ihn nicht mehr gesehen. Jetzt kommt mir die Frage dumm vor. Natürlich ist er wegen Marcel da.
>>Ich bin jeden Freitag um die Zeit hier.<< antwortet er mir und ich umarme ihn noch mal, weil ich mich so freue ihn zu sehen.
>>Ist ja gut.<< sagt er lachend und erwidert meine Umarmung. Ich zucke zusammen. Es kommt mir falsch vor, auf einem Friedhof zu lachen. Michael scheint es nicht bemerkt zu haben und redet weiter. >>Hast du Lust was essen zu gehen. Siehst so aus als könntest du mal wieder gutes Essen vertragen.<< Meint er und geht näher ans Grab.
>>Gerne, aber ich gebe dir erstmal Zeit und warte an deinem Auto auf dich.<< Er nickt, gibt mir seine Schlüssel, damit ich nicht draußen warten muss und ich gehe schon mal vor. Nach zwanzig Minuten kam er nach und wir fuhren zu einem keinen Imbiss. Doch ob ich wollte oder nicht ich hatte einfach keinen Appetit.
>>Komm jetzt bestell dir was!<< sagt
Michael und pickst mir in die Seite.>>Ey lass das, ich nehme eine Pommes. Zufrieden?<<
>>Jep, jetzt schon.<< Er bestellt und wenig später kam auch schon das essen. Schweigen aßen wir unser Essen. Ich musste mich zwingen die Pommes runter zu bekommen.
Danach brachte Michael mich nach Hause. >>Wir sehen uns Kleine.<< Er nahm mich in den Arm und drückte mir einen Kuss auf den Scheitel.
Ich winkte ihm noch hinterher und ging dann rein. Michael war für mich wie ein Bruder. Er war schon mit Marcel befreundet gewesen, da war ich noch ganz klein gewesen. Ich bin mit den beiden Jungs aufgewachsen. Und auch wenn er für mich wie ein Bruder ist, könnte er meinen Bruder nie ersetzen. Das könnte niemand.
***
Am späten Abend kommen meine Pflegeeltern nach Hause. Sie erzählen mir von ihrem Urlaub und wie schön es am Meer war. Ich versuche ihnen zuzuhören, auch wenn ich tot müde bin und nur noch schlafen möchte. Die meiste Zeit flogen die Worte nur an mir vorbei. Ich war zu kaputt, um etwas aufzunehmen.
Nachdem sie fertig waren, sagten sie, dass sie von dem Rückweg müde seien und gingen ins Bett. Ich tat es ihnen gleich und ging auch ins Bett. Nur war ich nicht mehr müde und konnte nicht mehr einschlafen. Also nahm ich mir ein Buch aus meinem Regal und lass noch "Der verlorene Blick" von Jana Frey. Es ist eins meiner lieblings Bücher und ich habe es schon oft gelesen. Es ist ein Buch, dass man immer wieder lesen kann.
Jetzt ist es schon kurz nach vier. Ich habe fast die ganze Nacht gelesen und bin verdammt müde. Außerdem habe ich Kopfschmerzen. Das Buch habe ich durch gelesen. Nun versuche ich wirklich einzuschlafen. Mit der Hoffnung keinen Albtraum zu bekommen schloss ich mein Augen und schlief schließlich ein.
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He is a Wolf
WerewolfDie sechzehnjährige Alessia ist gebrochen. Sie hat ihre ganze Familie verloren. Erst Ihre Eltern bei einem Autounfall. Danach ihr Bruder auch bei einem Autounfall. Alessias Pflegevater hat einen neuen Job angenommen, der in einer anderen Stadt ist...