NEUNUNDZWANZIG

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Nervös zupfe ich meinen Hemdkragen zurecht, während meine Augen den Flughafen scannen.

Das Flugzeug ist schon längst gelandet, weswegen Yam jeden Moment hier sein müsste. Ich kann seit Tagen nicht mehr richtig schlafen, weil ich mich so auf sie freue.

Meine Mutter schüttelt nur belustigt ihren Kopf über meine Aufregung. Sie hält sich zurück was Simón angeht. Normalerweise flippt sie aus vor Freude, wenn ihr ältester Sohn zu Besuch ist. Das Simón seine Freundin mitbringt weiß sie noch nicht. Ich sollte nichts verraten, er will ihr das selber sagen.

Ich bin schon auf das geschockte Gesicht meiner Mutter gespannt. Sie hasst Überraschungen. Außerdem waren Simóns Freundinnen bisher ein kompletter Reinfall.

Nach ein paar Minuten des Wartens sehe ich schon meinen Bruder und dahinter laufen unsere Blondinen.

Das Grinsen auf dem Gesicht meiner Mutter wird immer breiter und ich sehe wie sie mit sich kämpft, nicht zu Simón zu rennen. Letztendlich kann sie nicht mehr an sich halten und läuft die letzten Meter ihrem Sohn entgegen um ihn zu begrüßen. 

Ich schüttel den Kopf, laufe aber auch auf Yam zu, die ihren Koffer abstellt und mir dann in die Arme fällt.

"Ich hab dich vermisst." nuschelt sie in mein Hemd und lässt sich weiterhin von mir drücken. Das Lächeln auf meinen Lippen wird breiter, während ich kurz hinüberschaue zu Simón, Ámbar und meiner Mutter. Ich bekomme nur nebenbei mit, wie mein Bruder versucht zu erklären, wer Ámbar ist.

Yamila löst sich von mir und legt ihre Lippen auf meine, sodass ich wieder nur auf sie fixiert bin. 

"Hey." hauche ich und küsse sie nochmal kurz auf den Mund, ehe ich meinen Arm um ihre Schulter lege und sie meiner Mutter vorstelle.

Diese ist hellauf begeistert, denn Yam zeigt sich von ihrer besten Seite. Ich habe sie darum gebeten, vor meiner Mutter sich wie die perfekte Schwiegertochter zu benehmen. Als ich ihr dann erklärt habe, das meine Mamá ansonsten vermutlich einen Herzinfarkt bekommt, hat sie es mit Humor genommen und mir versprochen sich anzustrengen.

Ich glaube die Tatsache, das Simón ihr erst jetzt von Ámbar erzählt wirft sie schon genug aus der Bahn. Jedenfalls wirkt sie etwas überfordert, denn ihr fehlen die Worte.

"Weißt du, wir fahren jetzt erstmal nach Hause und dann erzähl ich dir alles Mamá, okay?" ergreift mein Bruder deswegen wieder das Wort und sie nickt.

Ich nehme Yams Koffer und so begeben wir uns dann alle zum Auto, wo wir nach Hause fahren. Ich sitze mit Ámbar und Yam auf der Rückbank und erkundige mich nach dem Flug und ob sie auch nichts vergessen hat.

In den letzten Wochen durfte ich feststellen wie vergesslich meine Freundin doch ist. Selbst mich hatte sie manchmal schon vergessen. Als ich ihr dann geschrieben habe, war sie im ersten Moment immer ganz verwundert, bis ihr eingefallen ist, das wir telefonieren wollten.

"Ich habe sogar die Skates eingepackt, du kannst also stolz auf mich sein." überrascht sie mich diesmal vom Gegenteil und ich applaudiere mit einem schmunzeln. Derweil versucht Simón noch immer meiner Mutter langsam zu erklären, wieso er ihr nichts von Ámbar erzählt hat.

Als dann auch noch rauskommt, das Yamila und Ámbar Schwestern sind und ich auch schon davon wusste fehlen ihr die Worte. Vermutlich hätte Simón sie nicht direkt so konfrontieren dürfen. Normalerweise wusste sie wenigstens immer Bescheid, das er in Begleitung kommt oder eine Freundin hat, jetzt wurde sie vor vollendete Tatsachen gestellt.

Sie hasst es angelogen zu werden und wenn wir ihr Sachen verschweigen. Unser Vater hat das immerhin schon zur Genüge getan.

"Ist sie sauer?" flüstert Yam mir ins Ohr und ich zucke mit den Schultern. Ich kann es gerade selbst nicht mal sagen. Besonders Leid tut mir gerade Ámbar. Sie kann nichts dafür, das mein Bruder ein riesen Geheimnis aus allem gemacht hat.

Last NightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt