Last Night

ACHTZEHN

Seit dem 'Vorfall' habe ich Yamila nicht mehr gesehen oder irgendwie Kontakt mit ihr gehabt. Stattdessen verbringe ich viel Zeit mit meinem Bruder. 

Diese gemeinsame Zeit schweißt uns wirklich wieder zusammen. Vermutlich sind wir beide jetzt erwachsen genug. Okay, wir rangeln uns immer noch, aber nur zum Spaß.

Ámbar und Simón habe ich erzählt was vorgefallen ist, habe aber explizit darum gebeten, dass sie es einfach sein lassen und sich absolut nicht einmischen.

Heute haben beide keine Zeit für mich, weswegen ich mich alleine in die Stadt begebe. Ich war die letzte Woche ziemlich oft hier, weswegen ich mich langsam auch gut auskenne.

Zumindest finde ich den Weg hin und zurück.

Gerade bin ich in einem Sportgeschäft und schaue mich nach neuen Laufschuhen um. Seit ich hier bin gehe ich fast täglich allein oder mit Simón joggen. Allerdings brauche ich noch richtige Schuhe, dann werde ich das sicherlich auch Zuhause fortsetzen.

Jazmín wollte mich sowieso schon so oft dazu animieren.

"Kann ich helfen?" werde ich gefragt, nachdem ich bestimmt schon fünf Minuten regungslos vor dem Schuhregal stehe.

Ich drehe meinen Kopf in die Richtung, aus der die Stimme kam und blicke in das Gesicht einer jungen, schwarzhaarigen Frau. 

"Ich suche Laufschuhe, aber ich kann mich nicht entscheiden zwischen den beiden. Was empfehlen Sie?" frage ich und hole die zwei Paar Schuhe mit der richtigen Größe aus dem Regal.

"Ich würde mich für die hier entscheiden." sagt sie und nimmt mir das schwarze Paar Nikes aus der Hand.

"Die sind eindeutig bequemer und haben ein besseres Profil. Und sie sehen auch optisch besser aus." erklärt sie mir dann ihre Entscheidung. 

"Wenn das so eine erfahrene Verkäuferin sagt, dann muss ich die ja nehmen." grinse ich und stelle die anderen zurück ins Regal.

"Ist nur mein Ferienjob, aber gut das ich überzeugend rüberkomme." kichert sie und nimmt den Karton von den Schuhen aus dem Regal. Das heißt sie ist noch Schülerin.

"Darf es sonst noch was sein?" will sie dann von mir wissen.

"Deine Nummer vielleicht?" frage ich mit schiefen Lächeln und hoffe das es wirkt.

"Nein." gibt sie mir direkt einen Korb.

"Aber ich hab gleich Mittagspause. Du kannst mich auf einen Kaffee einladen und vielleicht bekommst du dann meine Nummer." spricht sie dann aber weiter.

"Sehr schön. Ich bin Ramiro." stelle ich mich dann vor und halte ihr meine Hand hin.

"Delfina." erwidert sie und schüttelt meine Hand.

"Brauchst du hier noch was oder nur die Schuhe?" 

"Nur die Schuhe." 

Wir gehen an die Kasse und ich bezahle die Schuhe, ehe ich draußen vor dem Laden auf die Verkäuferin warte. 

Gemeinsam holen wir uns einen Kaffee und ein belegtes Brötchen vom Bäcker, ehe wir uns eine freie Bank suchen.

Während wir essen und trinken lernen wir einander kennen. Delfina ist 18 und jobbt seit Jahren in den Ferien in dem Sportladen von vorhin. Nach ihrem Abschluss möchte sie am liebsten Medizin studieren und sich dann auf die Chirurgie spezialisieren. 

"Bist du eigentlich immer so direkt?"

"Inwiefern?" hake ich nach.

"Beim Ansprechen von Mädchen? So offensiv hat mich noch keiner angeredet."