Kapitel 2

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Nur schwer kann ich meine Augen öffnen. Vorsichtig blinzle ich durch meine Lider und starre an das Dach eines Autos. Ich liege. Warum? Ich kann mich nicht bewegen und versuche durch diesen Raum zu blicken. Immer wieder rumpelt es, mittlerweile wird mir wirklich komisch. Neben mir sitzt ein Mann, der gerade nicht zu mir sieht. Er trägt eine Jacke mit der Aufschrift "Notarzt". Er schaut aus dem Fenster. Anscheinend betrachtet er das Wetter. Wie es wohl sein wird? Sonnig? Verregnet? Welche Jahreszeit haben wir? Ich kann mich absolut an nichts erinnern.

Was tue ich hier eigentlich? Ich habe keinerlei Ahnung, wie ich überhaupt hierher gekommen bin. Das Einzige, was ich in diesem Moment spüre, sind rasende Kopfschmerzen.
Der Mann neben mir dreht sich entspannt zu mir und plötzlich werden seine Augen immer größer. Was ist bloß los? Wie sehe ich aus? Ist etwas passiert?
"Oh, Sie sind ja wach", sagt der Mann leise und lächelt mir leicht zu. Er hat eine sanfte und beruhigende Stimme, die mich etwas zur Ruhe kommen lässt.
"Darf ich Sie fragen, wie ihr Name ist? Wir haben keine Papiere bei Ihnen gefunden."

Ich schaue ihn an, überlege und überlege, aber keine Antwort will zu mir gelangen. Stefanie, Lilly, Marie? Es könnte jeder Name sein. Immer wieder durchsuche ich jegliche Schubladen in meinem Kopf, aber in keiner ist der richtige Name. Verzweifelt blicke ich den Notarzt an, nach und nach bahnen sich Tränen über mein Gesicht.
"Wo bin ich?", ist das Einzige, was ich in diesem Moment über die Lippen bringe. "Sie sind auf dem Weg ins Krankenhaus. Wir haben Sie.. -"
Er unterbricht, als der Krankenwagen anhält und sich die hinteren Türen öffnen.

Vorsichtig werde ich hinaus gebracht und kneife wie automatisch die Augen zu. Nicht nur die Sonne, die mich in diesem Moment blendet, lässt mich verstecken. Auch die vielen Menschen und der ganze Tumult macht mich panisch und ich fühle mich einfach sicherer, wenn ich davon nichts mitbekomme. Zumindest nichts davon sehe.

Mehrere Menschen bringen mich hinein, ich werde untersucht und dann werde ich in ein Zimmer gebracht. So wie die Ärzte gesagt haben, habe ich eine große Platzwunde, die versorgt wurde und eine Gehirnerschütterung erlitten. Mein Gedächtnisverlust soll womöglich damit zusammenhängen und ich müsst bald wieder alles wissen. Wie ich heiße oder wer ich bin hat man mir allerdings immer noch nicht sagen können.

Im Zimmer befindet sich eine ältere Frau, die mich freundlich begrüßt. Wir führen ein kurzes Gespräch, als sie mich lächelnd anschaut und mir zunickt. "Ich bin die Elisabeth, du kannst aber auch gern Elli zu mir sagen."

"Okay", sage ich knapp und sehe kurz danach aus dem Fenster. Nach einiger Zeit schweift mein Blick wieder zu ihr, noch immer schaut sie mich mit gehobenen Augenbrauen an. Dieses Gefühl beobachtet zu werden macht mich irre. Ihre Augen durchbohren meinen ganzen Körper, als könnten sie alles von mir sehen, ich bin bloßgestellt. Als wüsste sie alles von mir, nur ich kein einziges Detail.

"Ich würde mich Ihnen sehr gern vorstellen, aber.. -" Ich unterbreche meinen Satz, weil ich merke, dass der Kloß in meinem Hals immer größer wird. "Ich weiß meinen Namen nicht. Um genau zu sein weiß ich nichts über mich."

Als ich diese Sätze ausspreche verkrampfe ich total, drehe bei ihrem Blick fast durch. Ich kauere mich in meine Decke und weine still hinein. Auch die Frau scheint zu merken, dass ich mit der Situation völlig überfordert bin und lässt es, weitere Fragen zu stellen.
Irgendwann schlafe ich vor Erschöpfung einfach ein.

Als ich meine Augen wieder öffne erschrecke ich mich erst einmal vor einer Frau, die neben mir an meinem Bett sitzt. Sie hat langes, blondes Haar und ein freundliches Lächeln. "Schön, dass du wach bist, Mia", sagt sie.

Stopp. Mia? Ist das mein Name? Warum kennt sie meinen Namen, wenn ich doch selbst keine Ahnung habe, wie ich heiße? Dieses Gefühl ständiger Unwissenheit macht mich kaputt.

Ein Leben ohne Vergangenheit [Michael Patrick Kelly]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt