Kapitel 29

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"Schauen sie mal hier", die Ärztin dreht den Monitor zu mir und umfährt mit ihrem Finger immer wieder einen kleinen Punkt.

"Ist das..", mir stockt der Atem und es fühlt sich an, als setzt mein Herz für einen Moment aus.

"Herzlichen Glückwunsch, Frau Franke! Sie sind schwanger!", zufrieden lächelt sie mich an, aber ich kann nicht anders, als hemmungslos zu weinen. Ich weiß nicht, ob es richtig ist, glücklich oder traurig zu sein. Gerade, wo ich zu einem Menschen wieder solch ein Vertrauen gewonnen habe, soll das alles in die Brüche gehen?

Pia greift schnell nach meiner Hand und streicht mir durch die Haare. "Hey Mia, mach dir bitte nicht so einen Kopf. Wir bekommen das alles hin, ja?", versucht sie mich mit ihrer sanften Stimme aufzumuntern, aber ich höre ihr gar nicht wirklich zu.

In meinen Kopf sind gerade nur zwei Fronten. Patrick und das Kind. Auch, wenn ich das Würmchen noch nicht kenne, ist es jetzt schon der wichtigste Bestandteil meines Lebens geworden.

"Wollen Sie das Kind nicht?", Frau Meier, dessen Name ich endlich auf ihrem Schild erkenne, reicht mir ein paar Tücher und sieht mich fragend an. Wortlos wische ich mir das Gel vom Bauch und würdige niemanden auch nur eines Blickes.

"Ich muss hier raus", murmele ich, stehe einfach auf und lasse die beiden in diesem Raum zurück. Draußen nehme ich die kühle, frische Morgenluft in mir auf, ich sauge sie förmlich ein. Das ist für diesen Moment das Richtige, es tut so unglaublich gut.

Schniefend lasse ich mich auf einer kleinen Holzbank nieder und starre auf den Asphalt. Wie soll das jetzt alles weitergehen? Verzweifelung macht sich in mir breit und ich spüre die Tränen erneut aufsteigen.

Damit mich ja keiner sieht, stecke ich die Hände in meine Jackentaschen und lege sie somit auf meinen Bauch. Keiner der Menschen, die an mir vorbeigehen schauen mich an, trotzdem habe ich das Gefühl, als starren mich alle an. Am meisten habe ich Angst, dass Patrick hier vorbeikommen könnte.

"Hier bist du ja", Pia kommt erleichtert atmend auf mich zu und setzt sich neben mich. Sie legt ihren Arm um meine Schulter herum und streckt mir einen kleinen Zettel und ein Heft entgegen. "Das Ultraschallbild und dein Mutterpass."

Zitternd greife ich nach dem kleinen Foto meines Kindes und schaue es mir an. Es ist nicht viel zu erkennen und trotzdem spüre ich eine gewisse Verbindung zu dem Kleinen. "Mein... Baby", flüstere ich kaum hörbar und merke, wie mir heiße Tränen über die Wangen strömen.

"Du bist in der 5. Woche", klärt sie mich auf. "Also.. Es wäre noch Zeit abzutreiben", meint sie etwas unsicher und blickt mich von der Seite an.

Ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken. Ich kann verstehen, warum sie das sagt. Immerhin habe ich auf die Frage von der Ärztin vorhin nicht geantwortet, trotzdem bin ich ein wenig fassunglos.

"Ich soll mein Kind umbringen?", emotionslos sehe ich sie an. Pia hadert mit sich, versucht sich irgendwie zu erklären und sagt mir, dass das ganz anders gemeint war, aber ich unterbreche sie.

"Es ist eine beschissene Situation, ja. Ich weiß weder, wer dieser Tom ist, noch, wie ich das hier alles anstellen soll. Ich habe noch keine Arbeit gefunden, habe kein Geld und rücke euch Zuhause nur auf die Pelle. Aber ganz egal, was sein wird. Mein Kind bleibt am Leben", flüstere ich unter Tränen und spüre sofort, wie sich Pias warme Arme um mich legen.

"Du bist eine so verdammt starke Frau, weißt du das?" Mittlerweile hat sie selbst Tränen in den Augen, aber wischt mir meine trotzdem weg. Das zu hören bekräftigt mich, da ich kaum Selbstvertrauen besitze.

"Wir werden so gut, wie nur möglich für dich da sein. Du kannst so lange bei uns bleiben, wie du willst. Die Kinder freuen sich umso mehr, wenn du noch bei uns bist und Patrick ist auch immer gern bei uns willkommen."

Ein Leben ohne Vergangenheit [Michael Patrick Kelly]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt