Kapitel 32

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Es fühlt sich an, als liege ich stundenlang hier unten und weine mir die Augen aus. Auch, wenn nach einiger Zeit keine Tränen mehr kommen wollen, schluchze ich immer wieder laut auf.

Ich zittere am ganzen Körper und bemerke, wie mein Puls immer heftiger schlägt. Meine Hände umgreifen wie von selbst meinen Bauch, streicheln die Haut, unter der ich ein kleines Menschenbündel trage.

"Du kannst doch gar nichts dafür", flüstere ich, bekomme kaum auch nur irgendeinen Ton raus. Plötzlich bin ich ganz still.

Schritte.

Sie kommen näher.

Ich setze mich ein Stück auf und die Welt um mich herum beginnt sich zu drehen. Vielleicht war es doch keine gute Idee so ruckartig hoch zu stürmen. Aber ich muss wissen, wer gerade hier hoch kommt. Die Hoffnung, dass Patrick zurück kommt, habe ich noch nicht ganz aufgegeben.

Plötzlich quietscht die Türklinke und wird nach unten gedrückt. Sehr langsam geht die Tür auf und jemand tritt hinein. Als ich erkenne, wer das ist, fange ich nur noch mehr an zu weinen.

"Mia, hey", panisch kniet sich Pia zu mir und nimmt mich in den Arm. "Alles wird gut, ganz ruhig", flüstert sie und versucht mich irgendwie zu beruhigen.

"Alles wird gut?! Was soll schon noch gut werden?", schluchze ich heftig auf und beginne schwer zu husten. Meine Kehle ist noch immer wie zugeschnürt und jedes Wort kostet mich erneut enorme Kraft. "Patrick ist weg!"

Pia schluckt, sie versteht, warum ich so am Boden zerstört bin. Vorsichtig hilft sie mir auf die Beine. Sie ziehen mich wie Zementblöcke fast wieder nach unten, aber meine Schwester beharrt darauf mich zu halten. Stützend hilft sie mir zu dem Bett, auf dem zuvor noch Patrick gesessen hatte.

Gegen meinen Willen zwingt sie mich, mich hin zu legen. Viel dagegen tun, kann ich sowieso nicht, dafür fehlt mir die Kraft.

"Du musst schlafen", flüstert sie mir zu. Beruhigend streicht sie mir über dir Stirn und wischt mir die restlichen Tränen von meinen glühenden Wangen.

"Ich schaffe das nicht. Ich schaffe das alles nicht, ohne ihn, Pia!" Meine Augen kneife ich fest aufeinander, hoffe, dass das alles nur ein schlimmer Traum ist. Das ich nicht schwanger bin und, dass Patrick neben mir liegt. Für einen Moment fühlt es sich so an. Mein Kissen riecht noch immer nach ihm. Nach seinem Parfum, seinem Shampoo, einfach nur nach ihm. Wenn ich meine Fantasie noch mehr anstrenge, kann ich seine weiche Haut fühlen. Denken, dass ich in seinem Arm liege. Aber sobald ich meine Augen öffne, sind diese ganzen Gedanken dahin.

"Wir bekommen das hin. Aber du musst jetzt wirklich schlafen, du bist völlig durch den Wind."

Noch einmal legt sie Decke richtig über mich, drückt mir einen sanften Kuss und verschwindet dann leise aus meinem Zimmer.

Eine Weile denke ich noch nach. Über Dinge, die ich noch mit Patrick hätte erleben können und die ich nie mehr erleben werde. Die schönen letzten Wochen, die ich mit ihm verbracht habe, aber die von so kurzer Dauer sind.

Letztendlich schlafe ich kraftlos ein.

Als ich wieder aufwache, ist der Hinmel schon fast daran, zu dämmern. Die grauen Wolken haben sich verzogen und die Sonne blitzt noch einmal zaghaft hervor. Auch die vielen kleinen Regentropfen, die noch vor einigen Stunden an die Fensterscheibe getrommelt haben, sind getrocknet und nur vereinzelt hängen noch einige daran.

Eigentlich ist es gut, dass es endlich mal wieder geregnet hatte, immerhin waren die Wiesen schon ausgetrocknet und erstrahlten schon einige Zeit nicht mehr in ihrem saftigen grün.

Ein Leben ohne Vergangenheit [Michael Patrick Kelly]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt