Vorsichtig löst er sich von mir. Ganz zaghaft nimmt er seine Hände von meinem Körper und schaut mir etwas schüchtern in die Augen. Es fühlt sich fast so an, als hätte er Angst etwas falsch gemacht zu haben. Doch es ist eher das Gegenteil. Er hat alles richtig gemacht.
Wortlos sehen wir einander in die Augen und bekommen keinen einzigen Ton raus. Gerade, als ich den Mund öffne, um etwas sagen zu können, höre ich den Schlüssel im Schloss herumdrehen. Erschrocken weichen wir beide zurück und schauen durch den noch immer leeren Türrahmen.
"Oh, hallo. Da bin ich wieder", lächelt Pia und stellt sich zu uns. "Ihr seht ja aus, als hättet ihr einen Geist gesehen. Was ist denn los?" Fragend mustert sie uns und hängt kurz darauf ihren Schlüssel in den dafür vorgesehenen Kasten.
Ich atme durch und trete danach zu ihr. "Nein, alles gut. Wir waren einfach nur gerade in ein Gespräch vertieft und haben nicht damit gerechnet, dass du schon kommst", versuche ich uns zu verteidigen. "Wie war denn dein Termin und weswegen eigentlich?"
Pia hängt ihre Jacke in den Flur und fährt sich kurz durch die Haare. "Ja, hat alles geklappt. Es ging nur um die Anmeldung für Paul, weil er ja ab August in die Schule geht", lächelt sie zufrieden.
"Oh wow, stimmt ja", klinkt sich Patrick in das Gespräch ein. "Wie läuft das denn alles so ab?", fragt er neugierig. "An einem Wochenende vor Schulbeginn findet die Schuleinführung statt. Da lernen sich die Kinder ihrer zukünftigen Klasse kennen und es wird ein wenig gefeiert. Dazu gibt es dann natürlich noch eine Zuckertüte", erzählt sie aufgeregt. Unwissend blickt er sie an. "Naja, das ist eine große Tüte, wie der Name schon sagt, gefüllt mit Kleinkram für die Schule, vielen Süßigkeiten, Kuscheltieren.. All sowas."
"Oh wow, so etwas hätte ich damals auch gern gehabt", lacht er. "Tja, aber du bist zu der Feier auf jeden Fall herzlich eingeladen", überrascht ihn Pia. Verlegen kratzt er sich am Kopf, grinst aber über beide Ohren. "Das freut mich wirklich, dankeschön", umarmt er sie dankend.
Lachend erwidert sie es und geht danach in die Küche. "Hat heute früh alles geklappt, mit den Jungs?" Sie nimmt sich einen Apfel aus der Obstschale und beißt genüsslich hinein. "Oh ja und wie", kichere ich und schaue Patrick kurz an. Neugierig will Pia wissen, warum ich so grinse.
"Er musste ein Privatkonzert geben, die Kinder hätten ihn sonst nicht gehen lassen." Kopfschüttelnd, aber lachend setzt sich Pia auf einen Stuhl. "Das können auch nur kleine Kinder schaffen."
"Habt ihr eigentlich Hunger?", fragt sie uns und wirft den Rest ihres Apfels in den Müll. "Ne, ich würde gern erstmal hoch", gebe ich nur kurz zurück und gehe in mein Zimmer. Zu viele Gedanken sind in meinem Kopf, die ich erst einmal richtig verarbeiten muss.
Der Kuss hat irgendwie alles auf den Kopf gestellt, ich weiß noch gar nicht, wie das alles weitergehen soll. Wäre es denn falsch eine Beziehung einzugehen? Anderenfalls ist das Ganze noch ziemlich frisch. Ich denke, wir sollten mal miteinander reden.
Leise öffne ich die Tür und stelle mich vor sein Zimmer. Jetzt oder nie. Zaghaft klopfe ich an die Tür und werde hinein gebeten. "Hey", sage ich knapp, während ich den Raum betrete. Als er sieht, dass ich es bin, setzt er sich auf dem Bett gerade auf und lächelt mir leicht zu. Danach klopft er neben sich auf den Platz und ich lasse mich neben ihm nieder.
"Patrick, ich glaube, wir müssen reden", sage ich leise und er nickt kaum merklich. "Der Kuss.." Ich breche ab, weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Aus dem Grund bin ich ja hier. "Ich fand es sehr schön", flüstert er leise und streicht mir kurz über die Hand.
Ich weiche etwas zurück, zu sehr überwiegt meine Unsicherheit noch. Er sieht mich etwas unverstanden an und ich kann nur verzweifelt durchatmen. Eine kleine Träne bahnt sich ihren Weg über meine Wange und ich bin komplett überfordert mit der Situation. "Ich weiß einfach nicht, was ich denken soll", schniefe ich. "Was ist richtig und was nicht? Ich weiß doch gar nicht, ob du es ernst mit mir meinst!"
DU LIEST GERADE
Ein Leben ohne Vergangenheit [Michael Patrick Kelly]
FanfictionWas passiert, wenn man von jetzt auf gleich alles vergisst, was jemals passiert war? Du hast keine Vergangenheit, Nichts, an dem du festhalten kannst. Du bist allein. [Alle Inhalte sind frei Erfunden und dienen nur der Story der Geschichte. Einzig u...