Kapitel 30

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Als ich die Augen öffne, liege ich in einem Krankenbett. Eingehüllt in eine weiche, helle Decke. Das Licht strahlt mir grell in die Augen, weshalb ich nur schwer erkennen kann, was sich gerade hier abspielt.

Plötzlich ertönt ein leises Wimmern, was immer mehr zu einem Geschrei wird und ich spüre einige Bewegungen in meinen Arm. Ein kleines Neugeborenes drückt sich an meine Brust und weint hemmungslos. Da es für einige Sekunden aufhört zu schreien kann ich sehen, dass es strahlend blaue Augen hat.

Ein kleines Mädchen, eingepackt in einen niedlichen rosafarbenen Strampler, protestiert in meinem Arm. Meine Augen hängen nur auf ihr, als plötzlich die Tür meines Krankenzimmers aufgerissen wird und jemand hineinstürmt.

"Das ist nicht dein Ernst, wie kannst du mir das nur antun?!", schreit mich jemand an, sodass der Wurm nur noch mehr zu Weinen beginnt. Mein Kopf schnellt in Richtung der Person und sofort beginnt mein Herz kräftig zu schlagen.

"Patrick, es ist nicht so, wie du denkst", gebe ich zurück, will eigentlich Schreien, aber es kommt kaum ein Wort aus mir heraus. In diesem Moment sind meine Lippen wie zugeklebt.

"Ach ja? Und wie ist es dann?!", er kommt wütend auf mich zu und zeigt auf dieses kleine Menschenbündel, das in meinen Arm liegt. Schützend umgreife ich die Kleine und spüre, wie mein Körper zu Zittern beginnt.

"Du weißt, dass ich mir schon immer eigene Kinder gewünscht habe und dann vögelst du fremd?! Was bist du nur für ein schlechter Mensch!" Schluchzend rennt er zur Tür. "Es ist vorbei, Mia. Entgültig", er sieht mich zu tiefst verletzt an und verlässt den Raum mit einem lauten Knall.

Das Babygeschrei dröhnt in meinen Ohren. Es schallt, wie ein Echo, wird immer lauter, immer kräftiger. Mein Herzschlag pocht im Takt, meine Haut beginnt zu schwitzen. Die Stirn glüht, meine Kehle schnürt sich zu. Ich bekomme keine Luft mehr.

Plötzlich ist alles schwarz.


S

chnell fahre ich aus dem Bett hoch und atme tief durch. Luft ist das Einzige, was ich in diesem Moment brauche.

"Hey, ist alles okay?", meldet sich eine verschlafene, aber besorgte Stimme neben mir. "Du bist ja völlig durchgeschwitzt."

Panisch drehe ich mich zu ihm und merke erst jetzt, dass mir die Tränen die Wangen hinablaufen. "Baby, du weinst ja!" Plötzlich ist Patrick hellwach und zieht mich behutsam in seine Arme. "Wieder so ein schlimmer Traum?", flüstert er.

Betroffen nicke ich und, als er mich fragt, worum es ging verstumme ich. "Ich weiß es nicht mehr", murmele ich und vergrabe meinen Kopf in seiner Halsbeuge.

Mittlerweile sind wieder zwei Wochen ins Land gegangen. Noch immer habe ich mich nicht wirklich damit abgefunden, Patrick anzulügen. Langsam wird er skeptisch, dass mein "Virus" so lange anhält.

Immer wieder wache ich durch einen Alptraum auf, in dem er auf verschiedenste Weisen erfährt, dass ich schwanger bin. Jedes Mal ist er enttäuscht, dass ich ihm nichts gesagt habe und danach verschwindet er.

Es kam noch nicht ein einziges Mal vor, dass er es angenommen hat und für mich da war. Logisch sind es nur Träume, anderenfalls gibt mir das etwas zu denken.

"Lass uns aufstehen", seufze ich und quäle mich irgendwie aus dem Bett.

"Du kommst aber mit frühstücken."

Besorgt schaut er mir nach und steht sofort auch auf, als ich ihm keine Antwort darauf gebe.

"Mia, du hast jetzt zwei Wochen kaum irgendetwas gegessen oder getrunken. Ich bin mir langsam nicht mehr sicher, ob nicht wirklich etwas bei deiner Untersuchung heraus kam." Er schlüpft in seine Jogginghose und mustert mich von oben bis unten. "Du hast total abgenommen", murmelt er und streicht mir sanft mit seinem Daumen über die Hand.

Ein Leben ohne Vergangenheit [Michael Patrick Kelly]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt