Kapitel 18

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"Du wolltest was?"

Mir fällt beinahe alles aus dem Gesicht. Hat er das gerade wirklich gesagt? Eine Mischung aus Wut und Enttäuschung, aber auch Trauer macht sich in mir breit. Warum und wie kann er auch nur ansatzweise an sowas gedacht haben? Dieser tolle Mensch wollte sein Leben beenden? Das kann einfach nicht wahr sein. Nein, das darf es einfach nicht.

Unverstanden schiebe ich mein Glas von der einen in die andere Hand und beobachte das darin hin und her schwapsende Wasser. "Mia, ich wollte. Ich habe es doch nicht getan, ich lebe doch noch."

"Ja und du meinst, dass macht es jetzt besser?!", schreie ich ihn fast an. Ich bin einfach zu erschüttert von seinen Worten, es trifft mich zu sehr. Seufzend stehe ich auf und will gerade aus der Tür gehen, als eine Hand nach meinem Arm greift. "Mia, bitte warte."

Vorsichtig drehe ich mich zu ihm um und sehe ihn zwei geknickte blaue Augen. "Das Thema tut doch jetzt eigentlich gar nicht zur Sache. Es geht doch viel mehr darum, dass es dir gut geht", meint er und zieht mich an meinem Arm etwas näher zu sich heran.

"Heute hast du aber nicht mehr solche Gedanken, oder?", flüstere ich und schaue ihn bekümmert an. Ich habe einfach viel zu viel Angst, ihn zu verlieren. Gerade jetzt, wo mein Herz dabei ist immer höher für ihn zu schlagen.

Aufmunternd schüttelt er den Kopf und zieht mich ganz an sich ran. Behutsam streicht er mir mit den Händen über den Rücken und drückt mir einen kleinen Kuss auf die Stirn. "Deshalb wollte ich es dir auch nicht erzählen. Das wirft nur unnötige Fragen auf und das Thema ist abgehakt. Ich habe mit meiner Vergangenheit abgeschlossen."

"Das sollte ich auch mal versuchen, hm?", lächele ich ihn leicht an und bekomme ein etwas unsicheres Nicken zurück.

"Kommt ganz darauf an. Deine Vergangenheit war ja sicherlich nicht immer schlecht, es gab ganz bestimmt auch schöne Momente. Und die solltest du nicht missen müssen", flüstert er und legt mir eine Strähne hinter das Ohr.

Plötzlich hören wir Schritte aus dem Flur, sofort löse ich mich von ihm und richte mein Shirt etwas zurecht. "Ach, hier seid ihr ja." Pia lugt um den Türrahmen und kommt dann zu uns in die Küche hinein. "Die Kinder und ich haben euch gesucht. Was macht ihr denn so lange?"

Ich spüre, wie mir das Blut in die Wangen schließt, deshalb drehe ich mich schnell zur Spüle und stelle mein leeres Glas hinein. "Ich hab nur sein Shirt in die Waschmaschine getan und hab was getrunken."

"Und ich musste ihr dabei helfen, die Gläser standen zu weit hinten" schmunzelt Patrick. Im Augenwinkel erkenne ich seinen frech grinsenden Blick, der mich nur noch mehr auf die Palme bringt. "Okay, wir warten draußen", sagt Pia knapp und verschwindet schon wieder hinaus.

Mittlerweile ist das Glas wahrscheinlich schon poliert, so lang hab ich es aufgewaschen. Schnell greife ich nach dem Geschirrtuch, das über dem Griff des Ofens hängt und trockne das glänzende Gefäß ab. "Na, soll ich es wieder reinstellen? Du kommst ja nicht hin", neckt er mich.

"Ach, geh zur Seite, das schaffe ich allein." Ich greife hinter die Küchentür und hole den kleinen Holztritt hervor. Ohne ihn eines Blickes zu würdigen, platziere ich das kleine Möbelstück vor der Theke und gehe die kleinen Stufen hoch. Trotz alle dem muss ich mich noch ein klein wenig abstützen und lege die Hand auf den Schrank, als ich ein lautes Quietschen vernehme und ruckartig zurückweiche.

Erschrocken schreie ich auf und merke, wie ich langsam aber sicher zurück falle und mich schon auf den Sturz gefasst mache. Ich kneife meine Augen fest zusammen, als ich doch nicht auf den harten Fliesenboden, sondern in zwei starke Arme falle.

"Hey, nicht so stürmisch", grinst er und hebt mich vorsichtig zurück auf den Boden der Tatsachen. Mein Herz schlägt Tausend Purzelbäume. Einerseits der Schreck vor dem Fall, andererseits seine plötzliche Nähe. "Alles okay?"

Ein Leben ohne Vergangenheit [Michael Patrick Kelly]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt