Kapitel 21

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Diese Frage überrascht ihn und mich etwas, aber trotzdem scheint er ernsthaft darüber nachzudenken. "Das müssen wir mal mit deiner Erzieherin abklären, okay?", lächelt er. Zufrieden nickt sie und läuft dann glücklich zu ihren Freundinnen. "Hast du eine Ahnung, wo das Büro hier ist?", fragt er mich, steht auf und klopft sich die Knie ab. "Klar."

Ich gehe vor und zeige ihm den Weg, bis ich vor einer Tür Halt mache. "Kommst du mit?" Er schaut mich fast etwas schüchtern an und ich nicke zustimmend. Fest klopft er an die Tür, von drinnen ruft die Chefin, die uns herein bittet. "Schönen guten Morgen, Patrick", stellt er sich vor und reicht der Dame die Hand. Sie begrüßt ihn und scheint ihn auch zu erkennen, aber lässt jegliche Fragen außer Acht.

Auch mich begrüßt sie lächelnd und fragt uns kurz darauf, was uns zu ihr führt. "Die Amelie, das kleine Mädchen hier. Sie hat mich gefragt, ob ich für ihre Gruppe ein bisschen musizieren würde", erzählt Patrick und stützt sich mit den Armen auf einer Stuhllehne ab. "Dürfte ich das denn?"

Nachdenklich kaut die ältere Dame auf ihrem Stift herum und schaut auf ihren Terminplan. Warum? Das weiß ich selbst nicht so genau. "Die Frage ist eher, hätten Sie denn Lust dazu?", lacht die Frau im Gegenzug und Patrick nickt eifrig. "Wenn sich das die Kinder wünschen, dann würde ich ihnen diesen Wunsch auch sehr gern erfüllen. Ich meine, was tut man nicht alles für strahlende Kinderaugen?", lächelt er glücklich.

Gemeinsam einigen sie sich darauf, dass Patrick vor dem Mittagsschlaf ein paar Lieder spielen kann. Die Gitarre bekommt er von dem Kindergarten gestellt. Zufrieden verlassen wir das Büro und setzen uns nach draußen auf eine Bank. Hier herrscht ein wildes Treiben, die Jungs und Mädchen spielen auf dem großen Platz. Einige Schaukeln, andere Rutschen und die nächsten bauen ihre Sandburgen.

Auf Wunsch der Kinder geht Patrick nach vorn und schiebt die Schaukeln an. Ich beobachte ihn dabei und sehe ihm förmlich an, wie ihm dabei das Herz aufgeht. Zufrieden lehne ich mich zurück an die Bank und genieße die warmen Sonnenstrahlen auf meiner Haut. Der Sommer ist meine Lieblingsjahreszeit. Es ist zwar wirklich manchmal so warm, dass man am liebsten zum Nordpol gehen würde, aber insgesamt ist doch viel schöner zu genießen. Die Tage sind länger, die Nächte umso kürzer. Man kann baden gehen, sich sonnen oder einfach einen schönen Spaziergang machen. Wer läuft schon gerne durch zermatschten dreckigen Schnee und friert in jeder Sehne?

Trotzdem hat der Winter genauso schöne Seiten. Wenn die ersten Schneeflocken fallen freut man sich ungeheuerlich, den Schneemann zu bauen gehört zur Tradition. Gestern Abend haben wir einige Bilder gesehen, auf denen ich und meine Schwester in dem weißen Wunderland herumgetollt sind. Dann, erstrecht im Dezember feiert man so viele schöne Tage. Nikolaus, die Weihnachtstage und Silvester. Da kommt die ganze Familie zusammen, man backt Kekse, beschenkt sich und ist einfach füreinander da. Familienzeit. Die ganzen Tage sind mit unglaublicher Liebe verbunde.

Mir fällt gerade ein: Ich habe mich auch im Internet nach Patrick erkundigt, er hat am 05. Dezember Geburtstag. Wahrscheinlich sollte ich mir diesen Tag im Kalender notieren und ihn dick und fett unterstreichen. Ist ja schließlich auch ein Feiertag.

Ich spüre eine leichte Erschütterung neben mir auf der Bank und vernehme ein hastiges Atmen. Meine Augen öffnen sich fast von selbst und richten sich auf Patrick, der sich völlig außer Atem durch die Haare streicht. "Was denn, so anstrengend?", kichere ich und er ringt um Luft, um einen möglichst verständlichen Satz auf die Reihe zu bringen.

"Du glaubst ja gar nicht, was die Kids für eine Ausdauer haben", keucht er und wischt sich den Schweiß von der Stirn. "Oder doch schon alter Opa", stachele ich ihn an und er zwickt mir in die Seite. "Aua!"

Kurz darauf trommelt die Erzieherin alle Kinder zum Mittagessen zusammen und auch wir werden dazu eingeladen, daran Teil zu haben. Herzlich bedanken wir uns, aber die Dame winkt nur lächelnd ab. "Wenn wir schon ein Privatkonzert bekommen, dann soll wenigstens für genügend Nahrung gesorgt sein."

Ein Leben ohne Vergangenheit [Michael Patrick Kelly]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt