Kapitel 8

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"Es gibt Essen." Mit diesen Worten dreht sich Pia um und verlässt das Zimmer. Ich spüre, wie sich meine Wangen mit Farbe füllen und auch Patrick fährt sich peinlich berührt durch die Haare. "Äh, ja", stammele ich. "Ich glaube, wir sollten runter gehen." Kurz blicke ich ihn an und er nickt zustimmend. Gemeinsam gehen wir nach unten und setzen uns zu den anderen an den Tisch. Auch Max ist mittlerweile aufgewacht und grinst uns niedlich an, was ich wirklich süß finde. Das Einzige, was mich stört ist Pias siegessicherer Blick. Nach dem Essen kommt wahrscheinlich eine Predigt, beginnend mit dem Worten: "Ich hab's doch gewusst!"

"Das sieht wirklich toll aus, danke nochmal für die Einladung", bedankt sich Patrick und beginnt, wie wir anderen zu essen. Als sich die Männer nur noch schweratmend zurück lehnen können, räumen Pia und ich schon einmal das Geschirr in die Küche. "Ich hab's doch gewusst!", zieht mich Pia beiseite und strahlt über beide Ohren. Hab ich es nicht gesagt? In diesen Dingen kenne ich meine Schwester doch schon ganz gut. Gespielt fragend rolle ich die Augen und sehe sie an. "Glückwunsch, du hast es erraten!", jubele ich und sie sieht mich überrascht an. "Wirklich, oh mein Gott, ich muss sofort zu..-" "Pia, nein", sage ich schnell und greife nach ihrem Arm. "Patrick und ich kommen gut miteinander klar, ja. Aber wir sind nur Freunde und daran wird sich auch nichts ändern." Strafend und in der Hoffnung, dass sie es endlich verstanden hat, schaue ich in ihre braunen Augen und sehe tatsächlich ein verständliches Nicken.

"Und was war das dann vorhin? Ihr liegt halb aufeinander und ihr seid "nur Freunde"?!", hakt sie nach und schaut mich eindringlich an. Seufzend spüle ich die Teller ab und stelle sie an die Seite. "Ich hatte seine CD in der Hand und er wollte sie haben. Da ich sie hinter meinem Rücken versteckt habe, hat er um mich herum gegriffen. Zufrieden?"
Allmählich nervt mich dieses Ausfragen wirklich. Ich hab zwar meine Vergangenheit vergessen, jedoch bin ich nicht zu unfähig einzuordnen, was in der Gegenwart stattfindet.

Genervt erledige ich den Rest und gehe, ohne jemandem Bescheid zu geben in mein Zimmer. Warum sollte ich auch? Dazu bin ich nicht verpflichtet. Ich mache es mir auf meinem Bett gemütlich und greife nach meinem Handy. Vielleicht gibt mir das noch ein paar Infos. Ich scrolle durch die Kontakte, viele Namen, die mir absolut nichts sagen. Als ich jedoch einen Namen lese erstarre ich und blicke still auf das Display. Wieder steht dort dieser "Tom" und genauso, wie auf dem Laptop trägt er ein Herz hinter seinem Namen. Diese Information lässt mich schlucken. Er muss mir ja schon ziemlich wichtig gewesen sein, aber warum erkundigt er sich dann nicht nach mir?

Ich hole mir meinen Laptop dazu und schaue auf diesen Ordner, aber wieder habe ich zu viel Angst davor, was mich dort erwartet. Vor Verzweifelung steigen mir Tränen in die Augen, sodass alles nur noch verschwimmt. Wieder überkommt mich dieses Gefühl der Hilflosigkeit. Ich fühle mich schwach, nicht einmal einen harmlosen Ordner schaffe ich mir anzuschauen.

Als leise die Tür aufgeht wische ich mir schnell die Tränen weg und klappe den Laptop zu. "Hey, hier bist du ja. Ich hab dich überall gesucht." Patrick kommt leise auf mich zu und setzt sich auf meine Bettkante. Skeptisch blickt er in meine Augen, wodurch ich schnell wo anders hinschaue. "Hast du geweint?", fragt er mich mit seiner sanften Stimme.

Das hat mir jetzt noch gefehlt. Ich bin selbst total überfordert mit allem, wie soll ich ihm das denn jetzt erklären? "Was? Nein", lache ich und hoffe, er glaubt mir das. "Mia, ich kann meine Mitmenschen sehr gut einschätzen und außerdem merke ich dir an, dass etwas nicht stimmt. Also, was ist los?" Bemitleidend schaut er mich an und wartet auf eine Antwort. Ja, welche Antwort will er denn hören? Eine ehrliche traurige oder lieber eine gelogene glückliche?

"Patrick, ich.." Ich setze mich ein wenig auf, lege beides beiseite und schaue ihn an. "Ich würde jetzt einfach gern allein sein."
Unverständlich schüttelt er den Kopf und sieht mich etwas ernster, aber trotzdem nett an. "Du musst dir helfen lassen und mit mir reden. Sonst wird das nie was." Diese Sätze treffen mich unglaublich. In meinen Ohren klingt alles wie ein: "Jetzt, sofort, sonst wirst du niemals irgendetwas schaffen."

Ein Leben ohne Vergangenheit [Michael Patrick Kelly]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt