Kapitel 27

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Der Kellner legt uns die in Leder eingebundenen Speisekarten auf den Tisch. Bevor ich hineinblicke, betrachte ich das Äußere des kleinen Büchleins. Es sieht einfach zu schön aus.

"Kannst du durch den Einband hindurch schauen?" Patrick lacht über meinen verwirrten Blick und schlägt mir die Karte auf. "So ist es vielleicht einfacher."

Kopfschüttelnd, aber lachend lasse ich die Augen über die zahlreichen Gerichte fahren, die sich vor mir erstrecken. "Das klingt alles so unglaublich gut. Ich kann mich überhaupt nicht entscheiden", jammere ich und werfe ihm einen hilflosen Blick zu.

"Na dann die ganze Karte. Ich habe ja gesagt, heute Abend geht es nicht ums Geld." Er zwinkert mir zu und beugt sich über den Tisch. Umständlich versucht er die auf dem Kopf stehenden Buchstaben zu ganzen Wörtern zu bilden, orientiert sich dann aber einfach an den Zahlen.

"Hier, Nummer 15", er tippt darauf und vergewissert sich noch einmal auf seiner eigenen Karte. "Kartoffeln, mit Gemüse und einem Steak, kann ich dir wirklich nur empfehlen."

Ich betrachte die kleinen Buchstaben und stimme ihm dann zu. Der Kellner nimmt unsere Bestellungen auf und verschwindet dann wieder.

Mein Blick fällt auf Patrick. Etwas nervös zupft er an seinen weißen Hemdärmeln und fährt sich einmal kurz über die Knie. Er wirkt irgendwie angespannt, nicht so locker wie sonst.

"Hey, alles okay? Du wirkst so nervös." Verwundert schaue ich ihn an und stütze mein Kinn auf meine Hand. Sofort blickt er mich an und nickt schnell. "Klar, alles super."

Zu seinem Glück wird das Essen an unseren Tisch gebracht und ich bestaune die Teller. Es ist wirklich schön angerichtet.

"Na dann, einen guten Appetit", wünsche ich ihm, den er mir ebenso entgegenbringt. Gemeinsam machen wir uns über das Essen her, viel reden wir nicht. Wir haben einfach zu viel mit dem Verschlingen dieses köstlichen Mahles zu tun.

Schwer atmend lasse ich mich zurück in den Stuhl fallen und seufze leise. "Das war wirklich unglaublich gut, aber ich kann nicht mehr."

Patrick verschlingt gerade den letzten Bissen und atmet ebenso. Er nickt mit verständlich zu und klopft sich auf den Bauch. "Too much."

Eine Zeit lang verweilen wir noch und trinken unsere Gläser aus, um erst einmal ein wenig zu verdauen. Schon kurz darauf winkt Patrick einen Kellner zu sich heran und begleicht die Rechnung. Ich hake mich bei ihm unter und gemeinsam verlassen wir das Restaurant.

"Danke, für den schönen Abend", ich bleibe vor dem großen Haus stehen und sehe ihn zufrieden an. "Ich danke dir, dass du ihn so schön gemacht hast." Er gibt mir einen kurzen Kuss auf die Stirn und begibt sich in eine andere Richtung, als zum Auto. "Wohin gehen wir?", fragend schaue ich ihn an. "Nur ein bisschen spazieren. Es ist doch gerade so schön." Er lächelt mich glücklich an und geht in Richtung eines kleinen Trampelpfades.

"Willst du mich doch entführen?", kichere ich und lehne beim Laufen meinen Kopf an seine Schulter. "Hab ich ja gesagt. Ich habe aber auch gesagt, dass ich dich wieder heimbringe."

Der Weg führt durch einen kleinen Wald. Mittlerweile dämmert es schon leicht und die Grillen zirpen aus allen Ecken. Ein leichter Wind weht mir um die Nase, der aber trotzdem angenehm ist. Es ist eine wirklich schöne Atmosphäre.

"Meine Schuhe sind aber nicht gerade perfekt, für die vielen Wurzeln, die hier aus dem Boden ragen." Schritt für Schritt schaue ich auf meine Füße und klammere mich an Patricks Arm, um nicht zu stolpern.

"Alles gut, wir sind ja schon da." Er bleibt stehen und ich schaue auf. Wir befinden uns an einer wunderschönen Waldlichtung. Vor uns erstreckt sich ein kleiner Fluss, das plätschernde Wasser klingt wie Musik in meinen Ohren. Die Sonne steht bereits tief am Horizont und wirft mir ihre letzten Strahlen ins Gesicht.

Ein Leben ohne Vergangenheit [Michael Patrick Kelly]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt