Kapitel 15

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Patrick und ich haben an dem Abend nur noch ein wenig über Gott und die Welt erzählt. Was heißt wir, größtenteils hat er geredet. So viel habe ich ja nun wirklich nicht, was ich aus meinem Leben weitergeben könnte.

Kurz darauf kamen auch Pia und Jan. Gemeinsam haben wir noch aufgeräumt und sind dann schlafen gegangen.

Am nächsten Morgen wache ich durch das Vogelgezwitscher auf. Noch verschlafen öffne ich meine Augen und blinzle aus dem Fenster. Der Himmel ist frei von jeglichen Wolken und die Sonne strahlt bis in mein Zimmer hinein. Ich denke, dass kann ein guter Tag werden.

Nach einigen Minuten erhebe ich mich aus meinem Bett und wanke ein wenig. "Zu viel Bewegung um diese Uhrzeit", murmle ich und werfe einen Blick auf meine Uhr. Tatsächlich ist es gleich 10 und ich bin immer noch völlig überfordert damit, einen klaren Gedanken zu fassen. Ob ich wohl schon immer so ein Morgenmuffel war?

Benommen stapfe ich in meiner Jogginghose und meinem fast zu kurzem Shirt die Treppe hinab und folge den vertrauten Stimmen in die Küche. "Guten Morgen, Tante Mia", begrüßt mich Paul viel zu laut und fröhlich an diesem Morgen. Trotzdem lächle ich etwas erzwungen zurück, der Kleine strahlt mich einfach zu sehr an. "Guten Morgen", gebe ich freundlich zurück und schenke auch den anderen ein Lächeln.

Eine Weile essen wir leise für uns, auch Pia spricht mich nicht an. Womöglich weiß sie wirklich, dass ich um diese Zeit nur ungern angesprochen werde. Die Jungs hingegen quatschen fröhlich und munter, bis Max etwas auffällt. "Wo ist denn Onkel Paddy?"

Ich drehe meinen Kopf durch den Raum. Tatsächlich habe ich heute weder seine Stimme, noch ihn selbst wahrgenommen. Neugierig wenden wir uns alle zu Jan, der uns schwerkauend versucht eine Antwort zu geben. "Also, Patrick", schluckt er sein Essen herunter und trinkt etwas Wasser. "Als ich heute Morgen auf Toilette war, habe ich Geräusche im Flur gehört. Dann bin ich raus und da stand er, völlig aufgelöst ist er an mir vorbei stolziert und hat überhaupt nicht auf mich gehört. Ich habe ihn auch gefragt, was los ist, aber er hat absolut nicht mit der Sprache rausgerückt und ist gegangen."

Plötzlich werde ich hellwach. Der erste Gedanke, der mir dabei in den Kopf schießt ist seine Frau. Vielleicht hat sie sich ja gemeldet, oder es ist irgendetwas passiert. "Also ist Onkel Paddy nicht mehr da?", fragt Max traurig, worauf Jan mit dem Kopf schüttelt und den Jungs seine beiden Hände hinhält. "Kommt ihr dann Jungs? Wir müssen langsam in den Kindergarten und Papa muss auch auf Arbeit."

Schmollend verabschieden sich die Kinder von uns und machen sich mit Jan auf den Weg. Pia und ich räumen das Geschirr weg und gedankenversunken spüle ich die Teller ab.

"Hey, ich glaube, der ist nun wirklich sauber."

Pia nimmt mir den Teller aus der Hand und trocknet ihn ab. "Was ist denn los? Noch so müde?" Unbeirrt spüle ich das Geschirr weiter und schüttele wortlos den Kopf. "Was ist es denn dann? Du weißt doch, dass du mir reden kannst."

"Ich mach mir Sorgen um Patrick", gebe ich schüchtern zu.

Unruhig halte ich die Hände unter das kalte Wasser, das meinen Puls ein wenig ruhiger werden lässt. "Sorgen?"

Plötzlich packt mich der Ehrgeiz und die Neugier. Wie ein Blitz jagt es meine Adern hoch, sofort ziehe ich meine Hände aus dem Wasser und trockne sie ab. "Pia, wir reden später weiter, ja?" Kurz blicke ich in ihr verwirrtes Gesicht, stürme nach oben, ziehe mir etwas einigermaßen Brauchbares an und mache mich auf den Weg.

Meine ebenso aufgewühlte und neugierige Schwester lasse ich einfach stehen und laufe schnellen Schrittes nach draußen. Die kühle Brise verleiht meiner Stimmung nur noch den Rest und auch der Himmel ist jetzt mit unzähligen Wolken bedeckt.

Ein Leben ohne Vergangenheit [Michael Patrick Kelly]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt