Kapitel 1

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Wie jeden morgen wache ich recht früh auf und mache meinen morgendlichen rundgang in dem Bretterdorf dass ich auf die schnelle zusammengezimmert habe. Dort wohnen alle ausgesetzten und heimatlosen. Von dem alten Herrn bis zu kleinen Kindern, die gerade mal der Brustfütterung entwachsen sind. Hier passt jeder auf jeden auf und wir teilen alles was wir haben. Auch ich bin ohne Heimat oder Familie. Nun gut. Die leute hier sind meine Familie! Langsam gehe ich von bretterhütte zu Bretterhütte und überprüfe, ob alle friedlich schlafen und ob ich zusätzliches material klauen muss, um beispielsweise ein undichtes Dach zu reparieren! Doch heute sieht alles friedlich aus und zufrieden klappere ich noch den rest ab. Ich bin sowas wie der chef hier. Bei problemen werde zuerst ich konsultiert und hier läuft nichts, ohne dass ich es nicht weiss. Klare strukturen haben wir hier ausserhalb der stadt auch. Kinder bekommen IMMER zuerst! Auch bekommen sie die wärmeren sachen! Lächelnd beobachte ich wie Elias, unser neuester, aus einem haus krabbelt und mich mit großen Augen ansieht. Schnell gehe ich zu ihm und hebe den kleinen fratz hoch. Augenblicklich fängt er fröhlich das glucksen an und spielt mit meinen kurzen braunen Haaren. Ich gebe ihm einen kuss auf die stirn. "Guten morgen du kleiner Ausreisser!" begrüße ich ihn sanft und gehe dann in die Hütte aus der er gekommen ist. Magda, die ziehmutter unseres kleinen verbandes, liegt tief schlafend auf ihrer mit stroh gefüllten matraze. Vorsichtig lege ich ihr Elias nebendran und schleiche mich wieder raus. Also... Für heute brauche ich essen und neue kleidung für die kleinen. Die wachsen viel zu schnell! Ich lächle und mache mich dann auf, um die entsprechenden sachen zu besorgen. Laufender weise brauche ich ungefähr 15 minuten um in den äußeren teil der stadt zu gelangen. Vorsichtig und vorallem unauffällig bewege ich mich fort. Da ich als mädchen in jungenkleidung zu viel aufmerksamkeit erregt hätte habe ich mir meine brüste abgebunden und eine Kappe aufgesetzt. Durch den dreck in meinem gesicht sind meine weiblichen züge kaum bis gar nicht erkennbar. Prüfend sehe ich mich um und entdecke ein passendes Opfer. Ich schlendere pfeifend auf den kleinen reichen Jungen und seinen Butler zu und laufe in sie rein. Dabei fallen ich und der kleine junge hin. Bei unserem zusammenstoß habe ich mir blitzschnell seine brieftasche geklaut und sie mir selbst eingesteckt. Besorgt sehe ich zu dem kleinen hin. "T-Tut mir leid! Ich habe nicht auf den weg geachtet! Geht es euch gut mein Herr?" meine stimme habe ich verstellt und sie klingt nun wie die eines jungen. Ich stehe auf und halte ihm meine Hand hin. Doch er nimmt diese nicht einmal wahr und ich verbeuge mich nocheinmal tief. "E-Es tut mir wirklich leid!" mit einem "Tch!" geht er an mir vorbei. Ich drehe mich um und grinse breit. Umauffällig gehe ich weiter und verschwinde dann in einer seitengasse. Schnell ziehe ich das Portmonaie heraus und zähle mit immer größer werdenden Augen das viele geld! "Das reicht sogar aus um Jakob's Arztkosten zu decken!" murmle ich ehrfurchtsvoll und sehe dann entschlossen auf. "Erst brot, dann kleidung und dann alte rechnungen begleichen!" Ich nicke mir selbst zu und gehe dann zum bäcker. Mit vier riesigen Tüten komme ich wieder heraus. Plötzlich sehe ich zwei bekannte gesichter und ich pfeife sie zu mir. Annelise und Kathrin kommen sofort angelaufen und ich übergebe ihnen die kostbare ware. "Hier ist das Essen! Ich besorge noch kleidung für die kleinen und begleiche ein paar rechnungen! Ihr versorgt schonmal die anderen!" die beiden nicken und verschwinden fröhlich. Mein nächster weg führt mich in einen laden für kinderkleidung. Durch mein relativ gutes verhandlungsgeschick bekomme ich die kleidung für die hälfte des preises! Glücklich schlendere ich heraus und bezahle mit dem restlichen Geld die schulden. Erleichtert gehe ich wieder zurück. Durch die schwere der einkäufe brauche ich ungefähr 30 Minuten. Schon von weitem höre ich glückliches kinderlachen und ich muss lächeln. "Da kommt sie ja wieder!" ruft Greta, die Verbundsälteste. Mit ihren 63 Jahren hat sie schon einiges erlebt und ich profitiere jeden tag von ihren weisheiten! Ich spüre wie einige der kinder um mich herum rennen und ich knie mich hin. Sofort kommen sie angerannt und stürzen sich auf die frische Kleidung! "Heee! Es ist genug für alle da!" rufe ich lachend und schon sind meine Hände leer. Jedoch sehe ich in die strahlenden gesichter von den Kindern. "Und jetzt geht wieder spielen!" scheuche ich sie lachend weg. Plötzlich spüre ich etwas hinter mir. Schnell reisse ich mein messer aus der scheide und stelle mich schützend vor Greta, da die kinder schon weg sind. Ich staune nicht schlecht als ich den Butler sehe, der vorher bei dem kleinen jungen dabei war! Seine schwarzen haare glänzen in der vormittagssonne und die vorderen Haarteile die länger als der rest sind, spielen mit dem Wind. Seine blutroten Augen fixieren mich. Der anzug den er trägt scheint Maßgeschneidert zu sein, denn ich erkenne mit einem blick dass er dort sitzt wo er sein sollte! Wie zur hölle hat er herausgefunden wo ich bin? Ist er mir gefolgt? War ich zu auffällig? "Greta?" ich sage dieses ohne von dem merkwürdigen Butler wegzusehen, der still wie eine statue dasteht. "Bring die Kinder zu Punkt KB!" sage ich und ich spüre, wie sich die alte Dame schickt, aus dem gefahrenbereich zu kommen. "Dafür habt ihr also das geklaute Geld meines jungen Herren benutzt!" Es ist weder eine anklage noch eine rechtfertigung, sondern eine feststellung. Langsam greife ich in meine Hosentasche und hole das leere Portmonaie heraus. Ich werfe es ihm hin und er fängt es elegant in der Luft. "Und jetzt verschwindet! Ich will den Kindern nicht erklären müssen wieso ich dich hier getötet habe!" zische ich und gehe noch etwas in die Knie. Doch der Butler verbeugt sich höflich und sieht mich an. "Keine Sorge. Ihr werdet den armen kleinen Kindern so etwas nicht erklären müssen!" Langsam richte auch ich mich auf und sehe ihn an. Das Messer lasse ich fest in meiner Hand. Ich nicke kurz und beobachte ihn, wie er sich umdreht und aus dem Verbund hinaus geht. Eine weile behalte ich ihn im auge um sicherzugehen, dass er es sich nicht plötzlich anders überlegt und zurückstürmt! Erleichtert atme ich auf, als er endlich um eine entfernte ecke biegt!
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Ein kleines übel...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt