Kapitel 6

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"Auf Befehl der Königinn werde ich euch hier behalten und ein Auge auf euch haben!" ich runzle meine stirn. "Ja genau... Und ich bin der Kaiser von China als Frau verkleidet!" erwiedere ich und sehe ihn mit hochgezogener Augenbraue an. Nun ja... Ich hab zwar gelernt wann ich meine klappe zu halten habe... Aber trotzdem halte ich mich nicht wirklich dran! Der junge seufzt auf und hält ein stück papier hoch. "Das ist der Brief Ihrer Majestät, gerichtet an den Wachhund der Königinn, also mich. Darin steht alles nötige. Soll ich ihn euch vorlesen? Ich glaube nämlich nicht dass ihr lesen könnt!" mit einem leicht empörten Blick gehe ich auf den vorlauten knirps zu. Ich entreisse ihm den Brief. "Tch..." Neugierig lese ich ihn. "Da steht nur eine beschreibung. Danach könnte jeder der so aussieht wie ich oder ähnlichkeiten aufweist gemeint sein!" Ich wedle mit dem Brief vor seiner Nase. "Ohne Namen keine identifizierung!" Dann klatsche ich das stück Papier auf den Tisch. "Und wenn ihr mich entschuldigen würdet EARL! Ich muss die Mörder meiner Familie finden und mich mit ihnen ein bischen... unterhalten!" Ich deute eine verbeugung an und gehe dann an Sebastian aus dem Zimmer. Den ungefähren weg habe ich mir gemerkt und so komme ich schnell wieder in die eingangshalle. Dort poliert gerade ein mädchen im Maidkleid eine Vase. Erschrocken über meine plötzliche anwesenheit schmeisst sie die kostbar aussehende Vase in die Luft! Reflexartig sehe ich die Vase an und sprinte auf die stelle zu an der sie vermutlich aufprallen wird! Ich springe, drehe mich in der luft und komme mit dem Rücken auf dem Boden auf! Gerade noch rechtzeitig hebe ich meine Arme und fange die Vase sicher auf! Erleichtert atme ich auf und grinse breit. "Gerade noch rechtzeitig!" sage ich und stehe auf. "Ach du meine Güte! Es tut mir ja so leid dass ihr euch extra hinschmeissen musstet um meine ungeschicklichkeit auszugleichen!" das Hausmädchen verbeugt sich mehrmals und ich lege ihr eine Hand auf die schulter. "Kein Problem! Eher muss ich mich entschuldigen! Ich bin ziemlich dreckig und habe wohl einiges wieder verdreckt..." Sie sieht mich an und schüttelt dann den Kopf. "Nein! Nein! Ich muss mich entschuldigen!" Ich lache und übergebe ihr dann die Vase. "Auf wiedersehen werte Dame!" verabschiedet sie sich und verbeugt sich tief. Doch ich habe schon meinen Rücken zu ihr gedreht und hebe nur meine Hand.

Draussen angekommen atme ich tief durch und sehe dann in den Himmel. Die Abenddämmerung setzt langsam ein, denn das strahlende blau wird durch rot und orange ersetzt. Ein trauriges Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. "Greta hätte diese stimmung sehr genoßen und mir wieder eine ihrer Geschichten erzählt..." Ich schüttle den kopf und gehe langsam vom Grundstück. Die grillen zirpen und einige vögel zwitschern noch munter vor sich hin als ich durch die Allee gehe, die das Anwesen säumt. "Und wo wollt ihr nun schlafen miss?" Ich zucke zusammen und drehe mich zu Sebastian um, der in gebührendem Abstand hinter mir steht. "Ersteinmal werde ich bei den Gräbern schlafen. Oder zumindest werde ich es versuchen. Keine ahnung wie lange ich bis dahin zu Fuß brauche. Morgen sehe ich dann weiter!" langsam kommt er zu mir und bleibt kurz vor mir wieder stehen. "Erlaubt mir euch zu begleiten! Der junge Herr macht sich sorgen und will euch in sicherheit wissen!" Der Butler kniet sich vor mich hin und legt seine rechte Hand auf seine Brust. "Ich bin stets zu ihren diensten!" Erst sehe ich ihn ungläubig an. Dann gehe ich einen schritt zurück und verschränke meine Arme. "Vergiss es. Das ist eine sache zwischen diesen Bastarden und mir! Und da kommt mir keine dazwischen!" zische ich und Sebastian hebt seinen Kopf um mich anzusehen. "Nicht einmal die Königinn selbst!" füge ich entschlossen hinzu. Einen kurzen moment bleiben wir beide in der jeweiligen Haltung bis ich genervt aufseufze und mich ein wenig entspanne. "Und jetzt geh zurück und sag dem Earl dass er mir keinen Babysitter auf den Hals hetzen soll!" eine Pause entsteht und verlegen sehe ich ihn an und lächle entschuldigend. "Nichts gegen dich!" Dann drehe ich mich um und gehe auf die Abendsonne zu. Wie in einem der bücher die ich von Greta bekommen habe! Ohne mich umzudrehen weiss ich, dass Sebastian mir folgt. Genervt schnalze ich mit der zunge. "Dich werde ich wohl nich los was?" Stille. Dann holt er zu mir auf und geht schräg rechts hinter mir. "Ich fürchte nicht." ist seine antwort. "Und was muss ich machen um dich los zuwerden?" "Der junge Herr muss mir einen anderen Befehl erteilen oder in gefahr sein. Erst dann werde ich von diesem auftrag zurücktreten." Verdammt! Dann werde ich ihn ja nie los! Der kleine scheißer gerät doch eh nie in schwierigkeiten. Und das mit dem Befehl is so ne sache... Ich glaube nämlich nicht dass der earl das machen würde! "Und du folgst mir also überall hin?" Er sieht mich an und nickt. "Aber allein aufs klo oder so darf ich noch oder?" "Ich werde dann in eurer nähe verbleiben!" Ich schlage mir meine flache Hand in mein Gesicht. "Meine fresse... Du gehst mir ja jetz schon auf die Nerven!" Sofort verlängert er den Abstand zischen mir und sich. "Oh gott... Lass den scheiß!" zische ich und bleibe stehen. "Wenn du unbedingt mit musst okay! Aber lass dieses unterwürfige getue! Wie die anderen das aushalten ist mir echt schleierhaft!" Er nickt und wir gehen weiter, diesmal nebeneinander. "Immer dieses 'Ja und Amen' ding... Wie hältst du das bloss aus..." brumme ich, bekomme aber keine antwort.

Inzwischen ist es komplett düster geworden und in der ferne kann ich die einzelnen lichter der stadt sehen. Mit dem pferd und der kutsche ging es echt schneller! maule ich in gedanken und sehe mich dann um. Meine Augen haben sich an die dunkelheit gewöhnt und ich sehe mich ein wenig um. "Ich weiss wo wir sind. Es wird dir zwar nicht gefallen aber wir werden heute auf einem Baum schlafen!" wortlos nickt er und ich gehe vom weg ab. Die büsche lasse ich einfach an meine Oberschenkel schlagen und Sebastian folgt mir. Endlich sehe ich den bekannten Stamm und stelle mich davor. "Unser heutiger schlafplatz!" stelle ich kurz vor und springe dann hoch, um den untersten Ast zu fassen zu bekommen. Behände klettere ich hinauf und wenige augenblicke macht der schwarzhaarige das gleiche. Oben angekommen suche ich mir einen relativ breiten Ast aus und lehne mich an den stamm. "Keine sorge. Keiner muss wache schieben. Hier kommt nie jemand vorbei ausser er sucht gezielt." Ich höre keine widerrede und so lasse ich ein Bein herunterhängen. Meine Arme verschränke ich hinter meinem Kopf. Langsam schließe ich meine Augen. Ich muss ihm vertrauen. Ausserdem... Wenn er gekonnt hätte, hätte er mich schon längst umgebracht... Oder?!
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Ein kleines übel...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt