13. Liebesgeständnisse

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POV Felix
„Schatz, komm runter! Es gibt Abendessen!", ruft meine Mutter mit einer fröhlichen Stimme durchs Haus.
„Ich habe keinen Hunger, Mom!", versuche ich mich rauszureden. Mein Magen knurrt. Um ca. 22 Uhr werde ich mich einfach in die Küche schleichen und mir was Kleines machen.
Die Stimme meiner Mutter ist nun näher und wenig später klopft sie an meine Zimmertür. „Du hast das letzte Mal heute Morgen was gesessen und hockst nun schon den ganzen Tag in deinem Zimmer rum. Mina vermisst dich auch schon", dringt Moms Stimme dumpf durch die Tür.
„Ich hatte auch einen guten Grund, um hier zu bleiben", brumme ich genervt und wische mir zum tausendsten Mal mit einem Taschentuch die Tränen von der Wange. Mehrere zerknüllte Tischtücher liegen auf meiner Decke und auf dem Schreibtisch steht ein Tablett mit kaltem Mittagessen. Mina hat es mir vorhin gebracht, aber ich habe es nicht angerührt. Mom ist einmal vorbeigekommen und hat mich gefragt, ob es geschmeckt hat, aber ich habe nur gemurmelt, dass ich es nicht gegessen habe.
Und das alles nur wegen Patrick. Denkt dieser Idiot, dass es mir in irgendeiner Weise hilft, denn er mir genau in die Fresse sagt, dass Schwul-sein, beziehungsweise in meinem Fall Bisexuell-sein, falsch ist? Mein bester Freund. Ich weiß, ich habe keine Chance bei meinem Schwarm, aber er versteht mich nicht mal. Ob er mich überhaupt so akzeptiert?
„Kann ich reinkommen?", fragt Mom und versucht die Tür aufzudrücken, welche ich allerdings vorsorglich abgeschlossen habe.
„Ich möchte einfach meine Ruhe, Mom", sage ich.
Stille. „Ich möchte dir nicht drohen, aber wenn ich keinen genauen Grund weiß, sehe ich keinen Sinn darin, dich zu Hause zu lassen."
Was? Ich möchte Patrick nicht sehen. Nicht heute und auch nicht morgen. Schnell stopfe ich alle Taschentücher in den Mülleimer neben meinem Schreibtisch und schließe dann zögernd die Tür auf.
Lächelnd kommt Mom rein und setzt sich auf mein Bett. Ich setze mich neben sie und nehme sie in dem Arm. Beruhigend streicht sie mir liebevoll über die Haare. Normalerweise würde ich mich drüber aufregen, dass sie meine Frisur zerstört hat, aber heute habe ich keinen gewissen Style, sondern einfach nur Haare.
„Na dann, erzähl mal", murmelt Mom und zieht mich an sich, sodass ich an ihrer Brust lehne. Das ist ja eigentlich ziemlich peinlich, immerhin werde ich bald sechzehn, aber ich lasse es geschehen.
Ich schlucke. „Ich bin bi", fange ich an.
„Das ist mir schon aufgefallen", schmunzelt meine Mutter. „Du hattest zwar eine Zeit lang eine Freundin, die du auch sehr geliebt hast, aber du hast diesen einen Freund von dir immer so ein bisschen verliebt angeguckt, als er hier war. Wie heißt der nochmal?"
„Sebastian", nuschele ich.
Mom legt ihr Kinn auf meinen Kopf. „Rede jetzt weiter. Ich unterbreche dich nicht mehr."
„Also, ich habe mich, wie gesagt, in Sebastian verliebt. Aber der hat eine Freundin und ..." Mir kommen wieder die Tränen, aber ich kann sie gerade noch unterdrücken. „... und unter meinem Kissen habe ich ein Foto von ihm und das hat Pat neulich gesehen und dann wusste er eben, dass ich auf Sebastian stehe. Aber dieser Idiot hat ..." Diesmal kann ich meine Tränen nicht zurückhalten und ziehe ein Taschentuch aus der Packung, um sie abzuwischen. „... der hat mir genau ins Gesicht gesagt, dass Schwul-sein falsch ist."
„Oh", sagt Mom. „Das war nicht wirklich nett von ihm. Sowas kann man doch nicht zu seinem besten Freund sagen. Das macht man einfach nicht." Sie seufzt. „Und ich hatte ihn immer für so einen netten Jungen gehalten."
„Ja, ich auch", murmele ich.
Mom schlingt ihre Arme um mich. „Und deswegen bist du jetzt zu Hause geblieben?", fragt sie. „Ich meine, klar, sowas ist doof, aber da muss noch was dahinter stecken. Ich kenne dich, Felix."
Ich greife nach meinem Handy. „Ja, und zwar viel zu gut", nuschele ich und entsperre es. Dann öffne ich die Gruppe von Sebastian, Patrick, Freddie und mir und klicke auf das Bild, welches Sebastian heute Morgen in die Gruppe geschickt hat. Es ist ein Bild von ihm und Jodie, wie sie sich küssen. Darunter hat er ‚Sehen Sie nun das zukünftige Traumpärchen der Oberstufen-Party!'. Als Antwort auf seine eigene Nachricht hat er noch ‚Sorry, Leute, das war Jodie' geschrieben. Ich gebe Mom mein Handy.
„Das ist schon fies. Aber ich bin sicher, er hätte das nicht gemacht, wenn er von deinen Gefühlen wissen würde", meint Mom. „Sag es ihm doch."
„Mom!", sage ich entrüstet und schnelle hoch. „Wenn Freddie das erfährt, bringt er mich um! Du weißt, wie homophob der ist. Sebastian würde es wahrscheinlich nicht schlimm finden, da seine Eltern ja auch schwul sind, aber trotzdem! Außerdem möchte ich Patrick nicht so schnell wiedersehen."
„Irgendwann wirst du es ihm sagen müssen", seufzt meine Mutter und gibt mir mein Handy wieder zurück. „Und Patrick wirst du auch wiedersehen müssen. Ihr seid schließlich schon immer beste Freunde gewesen. Bist du mit Sebastians Fr... mit dieser Jodie befreundet?"
„Naja, also ...", nuschele ich und lege mein Telefon wieder auf meinen Nachttisch. „Wir schreiben schon oft und sie ist auch immer nett." Ich zwirbele ein Bändchen von meinem Pulli um meinen Finger und rede weiter: „Und bei einem Kettenbrief, wo ich gefragt habe, zu wieviel Prozent sie mich freundschaftlich mag, hat sie mit 70% geantwortet. Also eigentlich ja."
„Dann sag es ihr zuerst!", fordert meine Mutter mich auf.
Ich lasse das Bändchen los und richte mich entschlossen auf. „Meinetwegen", sage ich.

CAN'T YOU SEE? ᵏüʳᵇⁱˢᵗᵘᵐᵒʳWo Geschichten leben. Entdecke jetzt