20. Felix Geständnis

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POV Manu
„Wo hast du das her?", japse ich, springe vom Sofa auf und versuche, nach der Dose zu greifen.
Jodie hält sie allerdings so, dass sie für mich unerreichbar ist. „Zieh' deine Ärmel hoch!", sagt sie mit Tränen in den Augen.
„Jodie, ich habe sie noch nie benutzt! Ich schwöre es dir!", verspreche ich und betrachte nervös die Dose.
„Ich sagte: Zieh' deine scheiß Ärmel hoch!", ruft Jodie und schluchzt.
Langsam ziehe ich meine Ärmel hobh und gebe ihr einen Blick auf meine Arme frei. Keinerlei Narben sind zusehen, dafür allerdings einige blaue Flecken von Patrick und den anderen Idioten.
Vor meinen Augen bricht Jodie zusammen. Ihre Schultern zucken ziemlich stark und die Tränen fließen über ihre Wangen. Dieses lebensfrohe Mädchen, welches in allen Sachen etwas positives sieht, so zu sehen, zerbricht mir das Herz. Ich hocke mich neben sie und lege meinen Arm um ihre Schultern. Meine beste Freundin lehnt sich an mich und bettet ihren Kopf in meiner Halsbeuge.
„Scheiße, Manu, ich kann das alles nicht mehr", seufzt sie und wischt sich einige Tränen aus dem Gesicht. Die Nivea-Dose liegt in ihren momentan zerbrechlichen Finger. Ich möchte sie nicht mehr. Aber ich möchte sie auch nicht Jodie geben. Wer weiß, was sie damit macht. „Ich kann nicht mit jemandem zusammen sein, der meinem besten Freund ständig wehtut."
Energisch schüttele ich den Kopf und hebe Jodies Kopf, damit sie mich angucken muss. „Jodie, du kannst nicht, wegen mir, mit Sebastian Schluss machen. Ich mag ihn zwar nicht sonderlich, aber er liebt dich und du liebst ihn. Es würde nicht nur ihm das Herz brechen", murmele ich und drücke Jodie an mich.

POV Jodie
Es klingelt an der Tür.
„Ich mache einmal auf, okay?", fragt Manu sanft und nimmt mir kaum merklich die Dose aus der Hand und bringt mich schnell aufs Sofa.
Ich nicke schwach. Ich kann immer noch nicht glauben, dass Manu eine Klinge zu Hause hat. Ich wollte mir nur mein Gesicht eincremen, da dieses von den Tränen ganz unrein und rot geworden ist. Und dann sehe ich die Klinge. Wieso hat Manu sowas zu Hause?
Und noch viel wichtiger, warum wird er verprügelt? Die blauen Flecke sehen nicht gerade harmlos aus. Und auch nicht wirklich alt. Wieso machen die sowas? Was bringt es einem, andere Menschen zu verprügeln? Und besonders von Sebastian hätte ich das nie gedacht, wegen seinen Eltern. Von Freddie schon am meisten, so homophob wie der ist. Aber Patrick? Der hat sich nur wegen Freddie so verändert. Wie alle anderen. Früher war Patrick nie so. Er war mit Freddie und mir zusammen in der Grundschule und war immer nett zu allen. Er hat sich mit allen immer direkt angefreundet, war immer Klassensprecher und hatte viele Freunde. Zusätzlich war er auch noch Streitschlichter und hat Kämpfe verhindert, anstatt welche anzuzetteln. Und Felix ... apropos Felix: wollte er mir nicht noch was sagen? Soll ich ihn anschreiben? Nein. Erstmal brauche ich Manus Hilfe.
Ich höre die dumpfe Stimme meines besten Freundes aus dem Flur. „Was willst du hier?" Sie klingt scharf und ziemlich unfreundlich.
„Ist Jodie da?"

POV Patrick
„Was willst du hier, Pat?!", zischt Felix und möchte gerade wieder die Tür zuknallen, da stelle ich meinen Fuß dazwischen. Ich habe mich nach Schulschluss dazu entschlossen, meinen besten Freund zu besuchen und das ein für alle Mal zu klären.
Energisch drücke ich mich in den Hausflur. „Was habe ich dir getan?", fauche ich und schließe die Tür hinter mir. „Warum hasst du mich?"
Felix lehnt sich gegen die Wand und seufzt. „Das fragst du noch? Ich habe dir, wenn auch unfreiwillig, meine Gefühle für Sebastian veroffenbart und du schleuderst mir genau in die Fresse, dass Schwulsein falsch ist! Bist du eigentlich komplett bescheuert?! Und jetzt lass mich gehen. Ich treffe mich mit Freddie." Mit den Worten schiebt er mich aus dem Haus, verschließt die Tür und geht. Mich lässt er wortlos vor der Haustür stehen.
Sag mir nicht, dass er Freddie das erzählen will, was ich "ausversehen" herausgefunden habe! Ich muss hinterher! Wer weiß, was Freddie mit ihm anstellen wird ...

POV Felix
Entschlossen trabe ich den Bürgersteig neben der großen Straße lang. Bald werde ich an der Brücke sein und dann werde ich sehen, was passiert. Freddie muss es wissen. Ich kann es ihm sowieso nicht lange verschweigen. Bei Sebastian habe ich zwar keine Chance, aber vielleicht finde ich ja jemand anderen. Kann ja auch ein Mädchen sein, da ich schließlich bi bin. Auch wenn ich ihm es dann nicht sagen müsste. Ach scheiße, ich bin verwirrt. Aber es gibt kein Zurück mehr. Ich sehe Freddie bereits an der Brücke stehen. Neben ihm sein Mountainbike, welches er seit Manuel in unsere Klasse gekommen ist, nicht mehr benutzt hat, da sie die gleichen Räder haben.
„Hey, Felix", begrüßt er mich und klatscht mit mir ab.
Ich nicke ihm und lehne mich auf das Brückengeländer. „Hey", erwidere ich.
„Was gibt's?", fragt er und wendet sich mir zu.
„Es ... es ist schwer zu sagen ...", stammele ich und betrachte die Enten im Fluss unter uns, die fröhlich rumschnattern und mit den Flügeln schlagen.
„Solange du nicht schwul bist, werde ich dich nicht hassen", lacht Freddie und spuckt in den Fluss, woraufhin alle Enten zu seinen Spucketropfen hinschwimmen und versuchen danach zu schnappen, weil sie es für Brot oder anders essen für sie halten.
Ich hole tief Luft. Soll ich es ihm sagen? „D-dann wirst d-du mich hassen", nuschele ich und wende mich von Freddie ab.
„Du bist schwul?!", faucht Freddie und dreht mich grob zu sich um. Er ballt seine Hände zu Fäusten und schubst mich ein Stück zurück, sodass ich mich gerade noch am Geländer festkrallen kann, um nicht zu stürzen.
„Naja, ich bin bi", murmele ich und trete einen Schritt zurück.
Freddie kommt näher auf mich zu. „Das ist aber auch falsch! Es ist einfach nicht richtig! Es ist krank!", wirft er mir vor und schubst mich nochmal.
Diesmal kann ich mich nicht halten und lande auf dem Holz der Brücke. „Deine Einstellung ist das Einzige, was hier falsch und krank ist, du Arsch!", entgegne ich wütend und versuche, wieder aufzustehen.
Freddie befördert mich wieder zu Boden. „Du wirst das alles bereuen, du Verräter! Du kleine Misset!", schreit er mich an. Und dann holt er als und tritt gegen meinen Arm.
„Du bist hier die Misset! Wie kann man was dagegen haben? Wie kann man solche Schäden haben, dass man homosexuellen Menschen auch noch wehtut? Was ist falsch mit dir?", werfe ich ihm vor und halte mir meinen schmerzenden Arm.
Bevor Freddie nochmal ausholen kann, wird er plötzlich am Arm gegriffen und zurückgehalten. Patrick! „Freddie, du Wichser, lass ihn!", faucht dieser und biegt ihm einen Arm auf den Rücken.
„Er ist eine scheiß Schwuchtel!", zischt Freddie schmerzverzerrt.
„Ich weiß, aber das ändert nichts daran, dass er unser Freund ist!" Es scheint, als würde Patrick Freddies Arm noch mehr nach hinten biegen.
Schnell rappele ich mich auf.
„DEIN Freund! Ich will nichts mit einem Schwuchtel zu tun haben! Und mit dir auch nicht mehr!" Freddie reißt sich aus Patricks Griff und geht zu seinem Fahrrad. „Ihr könnt mich mal!"
Ich gucke Patrick an. „Warum?"

Sorry, dass ich so oft die Sichten gewechselt habe! 😅 Bitte nicht schlagen!

Edit 2020: Doch, ich bin kurz davor meinem 2018-Ich eine Klatsche zu geben.

CAN'T YOU SEE? ᵏüʳᵇⁱˢᵗᵘᵐᵒʳWo Geschichten leben. Entdecke jetzt