CAN'T YOU SEE? ᵏüʳᵇⁱˢᵗᵘᵐᵒʳ

62. [Lesenacht 1/7]

Plötzlich spüre ich eine Hand auf meiner Schulter. Im Verdacht, dass es Patrick ist, schlage ich die Hand weg und drehe mich dann um. Als ich sehe, dass es Felix ist, murmele ich ein leises 'sorry' und rutsche etwas beiseite, um ihm Platz zu machen. Eilig wische ich mir die Tränen weg und trockne so gut es geht mit den Ärmeln meines zu großen Hoodies mein Gesicht. Dass es immer noch rot ist vom Weinen, kann ich ja schwer ändern, das muss eben von alleine weggehen. Ob man mich weinen sieht ist mir gerade auch komplett egal.
Patricks bester Freund lässt sich neben mir nieder und legt einen Arm auf der Rückenlehne hinter mir ab. "Was ist passiert?", fragt er mich und sieht interessiert und zum Teil auch besorgt zu mir. Kann man mich nicht einfach in Ruhe lassen? Ich denke nicht, dass ich so aussehe, als würde ich wollen, dass mich jemand anspricht, aber wenn er unbedingt sein Leben riskieren will, soll er es versuchen.
Etwas skeptisch betrachte ich den Jungen neben mir. Kann man ihm vertrauen ohne, dass er direkt alles Patrick erzählt? Hoffentlich, sonst werden das Taddl und Sam rausfinden und ihm das Leben zur Hölle machen und wenn die beiden erstmal in Fahrt sind, kann sie kaum einer beruhigen.
"Ähm... es gab Stress", murmele ich schließlich und schaue in die entgegengesetzte Richtung von ihm.
Felix seufzt. "Soweit war ich auch schon. Worum ging's denn? Was hat Patrick wieder angestellt?", hakt er weiter nach und tippt meine Schulter solange an, bis ich mich ergebe und wieder zu ihm blicke.
"Er hat mich geküsst, dann haben wir uns gestritten, weil ich meinte, dass er es eh nicht ernst meint im Gegensatz zu mir und daraufhin meinte er dann, dass das nicht sti-... oh... Oh! Warte, was?" Geschockt sehe ich zu dem Jungen neben mir, welche mich nur mit einem verwirrten Blick mustert. "Verstehe ich das gerade richtig oder sind das wieder meine Hoffnungen, die mir einen Streich spielen? Das kann doch nicht sein, dass das stimmt!"
Der Junge neben mir seufzt. "Manu... was denkst du, warum ich wollte, dass du herkommst und bei ihm bist, wenn er aufwacht?", fragt Felix mich, anstatt auf meine Frage zu antworten.
Ich hebe eine Augenbraue und krame kurz in meinem Gedächtnis nach der Szene vor Patricks Zimmer, wo ich ihn darauf angesprochen habe. "Du hast nur gesagt, dass er mir das besser selbst sagen sollte."
"Und das hat er jetzt ja", sagt Felix, als wäre es das normalste der Welt, diesen Satz so zu meinen, wie er es sagt.
"Äh... was?"
Ich kann einfach nicht glauben, dass Felix mir gerade erzählen will, dass Patrick, der Patrick, der mich am Anfang des Schuljahres noch wegen meiner Sexualität verprügelt hat, ernsthaft Gefühle für mich haben sollte. Das klingt doch total absurd. Das kann nicht stimmen, das passt einfach nicht zu Palle. Er ist homophob, er kann mich doch nicht einfach so lieben. Das bildet Felix sich doch bestimmt nur ein. Vielleicht hat Patrick was gesagt und das hat er dann falsch verstanden.
"Das glaubst du doch wohl selber nicht", brumme ich, lasse meinen Kopf sinken und beiße mir auf die Unterlippe. Das kann einfach nicht stimmen.
Felix seufzt und strubelt mir durch die Haare. "Du solltest eigentlich wissen, dass ich sein bester Freund bin. Und nur so nebenbei habe ich ihm geholfen, auf seine Gefühle klarzukommen. Außerdem war er selbst nie wirklich homophob, er, und Sebastian und ich auch, haben das ganze sozusagen nur von Freddie eingetrichtert bekommen. Und er hatte uns in der Hand, also konnten wir nichts gegen ihn tun", erklärt er mir.
Geschockt von dem, was er mir soeben gesagt hat, starre ich ihn mit offendem Mund an. Ich weiß nicht, was ich schockierender finden soll, dass Freddie die Gruppe manipuliert hatte oder, dass Patrick anscheinend wirklich irgendwas für mich fühlt.
Ich kann das aber nicht einfach so glauben. Ich komme nicht darauf klar und irgendwas in mir sträubt sich dagegen und redet mir ein, dass er nie was für mich fühlen würde. Aber trotzdem sagt Felix das.
"Ich bin gerade überfordert", stammele ich und lehne mich zurück.
Felix richtet sich auf und zieht mich ebenfalls auf die Beine. "Wir gehen jetzt in eine Café und dann kommst du schön auf andere Gedanken. Das waren wahrscheinlich zu viele Infos auf einmal. Komm."

Erinnert sich noch an die Geschehnisse aus Kapitel 34 und 52, auf die ich ein wenig angespielt habe? xD