CAN'T YOU SEE? ᵏüʳᵇⁱˢᵗᵘᵐᵒʳ

16. Der erste Tardy Kuss

POV Taddl
Im Deutschunterricht wurden wir in Vierergruppen eingeteilt. Wir sollen einen Text lesen und dazu passende Argumente zu den genannten Themen aufschreiben. Ich komme mit Manu, Jodie und Ardy in ein Team. Mein Ardy! Oh mein Gott, ich bin so nervös!
Wir sind die einzigen, die in einen anderen Raum gehen dürfen, weil unsere Lehrerin ein Auge auf die anderen haben möchte.
Manu und Jodie gehen vor und Ardy und ich folgen den beiden. Manu schließt die Tür auf und lässt uns rein.
„Wer bringt den Schlüssel weg?", fragt er, seine Augen auf Jodie Gerichtet.
Diese seufzt. „Meinetwegen. Gib her!", gibt sie nach, schnappt sich den Schlüssel und macht sich auf den Weg.
Manu wendet sich an Ardy und mich, während wir gerade die Stühle von einem Vierertisch runterstellen. „Ich muss mal aufs Klo", brummt er und verschwindet.
Ich stelle gerade den letzten Stuhl runter, da legen sich plötzlich von hinten zwei Arme um meine Hüfte. Erschrocken drehe ich mich um und blicke in Ardys liebevolle Augen, die nur wenige Zentimeter von meinem entfernt sind. Ein Lächeln liegt auf seinen Lippen.
„Na?", fragt er leise und liebevoll und streicht mir mit einer Hand über die Wange. Seine andere drückt mich an der Taille näher zu ihm.
Ich lächele ihn an. Langsam komme ich ihm mit meinem Gesicht näher. Ich kann schon seinen Atem auf meinen Lippen spüren. Und dann überbrückt Ardy die letzten Zentimeter und legt seine Lippen sanft und gefühlvoll auf meine. Sie sind ein bisschen Rau, aber angenehm.
Die Schmetterlinge in meinem Bauch machen tauend Purzelbäume, Saltos und feiern eine mega Party. Ardy küsst mich! ARDY KÜSST MICH!!
Verwundet löst Ardy sich von mir und schaut mich peinlich berührt an. „Ich ... Ähm ... wolltest du das gar nicht?", fragt er.
„Wieso?", entgegne ich ebenso verwundert.
Ardy streicht mir über die Wange. „Du hast nicht erwidert", erklärt mein absoluter Schwarm.
Ich kichere. „Ich war in Gedanken an den wunderbaren Jungen, in den ich verliebt bin, der mich eben zum ersten Mal geküsst hat!", lache ich.
Ohne eine Antwort abzuwarten drücke ich meine Lippen wieder auf seine. Und er erwidert. Mein Ardy erwidert. Er ist einfach wunderbar! Die Party in meinem Bauch ist wieder im vollen Gange. Ein Glücksgefühl durchströmt meinen Körper und ich bewege leicht meine Lippen, während meine Hände ganz von alleine den Weg zu seinem Nacken finden und sich da ineinander verharken, um ihn näher zu mir zu ziehen. Ich liebe Ardy einfach über alles. Aus Atemnot lösen wir uns voneinander und strahlen uns breit an.
„Ich liebe dich, mein kleiner Taddl!", raunt Ardy leise.
Es würde diesen Wunderbaren Moment zerstören, wenn ich über das 'kleiner' meckere. Immer hin waren in seinem Satz die Wörter 'mein Taddl' vertreten.
„Ich liebe dich auch, mein süßes Ardymon!", erwidere ich und gebe ihm einen kurzen Kuss auf die Wange.
Plötzlich hören wir ein leises räuspern und fahren auseinander. Im Türrahmen stehen Jodie und Manu.

POV Manu
Mit schnellen Schritten gehe ich zurück zum Klassenzimmer. Zwei Meter von diesem entfernt bleibe ich abrupt stehen. Vor der Tür steht Jodie und linst durch einen engen Spalt.
„Jodie, was machst du da?", frage ich leise.
Erschrocken blickt Jodie zu mir. „Ach, du bist es nur", flüstert sie. „Komm her, aber pscht!" Sie legt einen Finger auf ihren Mund und zieht mich zur Tür.
Genervt werfe ich einen Blink hinein. Und dann doch einen. Warte! Sind das ...? Ja, das sind Taddl und Ardy! Küssend!
Irgendwie macht mich das traurig. Aber wieso? Bin ich eifersüchtig auf einen der beiden? Nein, dass kann ich sein. Wenn schon bin ich eifersüchtig auf beide. Taddl und Ardy haben anscheinend zueinander gefunden, aber meine große Liebe mag mich wahrscheinlich nicht mal.
Jodie kniet sich hin, um unter mir die beiden zu beobachten. Sie kichert leise. Aus lauter Eifersucht drücke ich die für auf und räuspere mich.
Die beiden fahren auseinander und blicken uns erschrocken an. „Ich ...", beginnt Taddl eine Erklärung, doch Jodie unterbricht ihn. „Oh mein Gott, ihr seid so niedlich zusammen!", quietscht sie und hopst glücklich zu ihrem Stuhl.
„Manu, ich ...", fängt Taddl wieder an, aber diesmal unterbreche ich ihn. „Mensch, Taddelino, du musst dich hier für gar nichts rechtfertigen oder entschuldigen. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ihr nicht gut zusammenpasst. Ihr seid echt füreinander geschaffen! Aber es wäre toll, wenn ihr hier nicht so auffällig rummacht!", lache ich und komme auf die beiden zu. Taddl und Ardy werden ein bisschen rot im Gesicht. Wie kleine Tomaten.
Jodie lacht. „An die Worte werde ich dich erinnern, wenn du irgendwann mit Palle vor dem Schulhof rumknutschst!", grinst sie.
Ich drehe mich schlagartig zu ihr um. Was hat sie gerade gesagt?! Hat sie mich ernsthaft "verraten"?! Okay, dass ich es Taddl gesagt habe, könnte man ja noch glauben. Aber bei Ardy doch nicht! Den kenne ich kaum.
„Palle? Wieso denn Palle?", fragt Taddl leise hinter mir.
Jodies Lächeln verschwindet und sie starrt mich entgeistert an. „Du hast es ihm nicht gesagt?!", fragt sie ungläubig.
„Was gesagt?!", faucht Taddl und dreht mich zu sich um. „Mensch, Manu! Was hast du mir noch verschwiegen?!" Ich merke, wie Ardy seine Hand auf Taddls Hüfte legt und sanft darüber streichelt. Taddl beruhigt sich ein wenig.
Angespannt trete ich einen Schritt zurück. „Ach scheiße, Taddl", seufze ich und gucke zu Boden. Dieses komische Muster auf dem Boden, welcher aus was weiß ich für einem Material ist, sieht momentan mehr interessant aus, als die Tatsache, was ich meinem besten Freund jetzt gestehen muss. Am liebsten würde ich es einfach lassen. Warum habe ich es ihm nicht schon früher gesagt? Wir hätten drüber reden können und er hätte mir helfen können. „Können wir draußen reden?", frage ich leise. Mein Herz schlägt und ein nervöses Gefühl breitet sich in mir auf, welches mich noch nervöser macht.
Widerwillig nickt Taddl und folgt mir vor die Tür, welche ich hinter uns schließe. „Also?", zischt mein bester Freund trotzig und verschränkt die Arme vor der Brust.
„I-ich habe mich direkt am ersten Tag in Patrick verknallt ...", nuschele ich und lehne mich gegen die weiße Wand im Flur. So, jetzt ist es raus. Jetzt kann Taddl über mich verurteilen.
Taddl stützt seine eine Hand neben mir auf und guckt mir genau in die Augen. Seine braunen Augen saugen sich in meinen förmlich fest. „Warum hast du mir nichts gesagt, Manu?" Seine Stimme klingt verletzt und traurig, aber gleichzeitig auch so wütend und kalt.
„I-ich weiß nicht ...", murmele ich und lasse mich zu Boden sinken. Der kalte Betonboden ist nicht gerade angenehm. „Vielleicht weil ich weiß, dass ich bei so einem homophoben Jungen sowieso keine Chance habe. Aber ich wollte es heute oder morgen machen. Doch als ich Ardy und dich gesehen habe, bin ich wohl eifersüchtig geworden, weil ihr zueinander gefunden habt und mich mein Schwarm nur beachtet, wenn er mich zusammenschlägt."
„Mensch, Manu. Du hättest es mir sagen können. Aber Danke, dass ich es überhaupt erfahren durfte", flüstert Taddl und nimmt mich in den Arm.
Ach, mein bester Freund ist einfach klasse!