5. Erste Mobbing Runde

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POV Manu
Als ich wieder was sehen kann, weiß ich direkt wo ich bin. Hinter der Schule und auf dem Boden liegend. Vor mir steht die ganze Gang, bestehend aus Patrick, Freddie und Felix, mit verschränkten Armen, und natürlich auch Sebastian, der mich hämisch angrinst.
„Was wollt ihr?", frage ich und drücke mich nach hinten. Ich stoße gegen Plastik, welches sich, nach einem kurzen Blick über die Schulter, als Mülltonne herausstellt.
Sebastian verschränkt nun ebenfalls die Arme vor der Brust.
Meine Blicke wandern zu den anderen und bleiben an Patrick hängen. Seine braunen Haare fallen ihm ins Gesicht und er pustet sie lässig weg. Unter seinem dünnen Hemd kann ich seine Bauchmuskeln erkennen und seine wunderschönen Augen stechen förmlich auf mich ein.
„Was wir von dir wollen?!", holt Sebastian mich wieder ins hier und jetzt zurück und meine Augen wandern wieder zu ihm. „Rache."
„Für was?", frage ich atemlos und kauere mich zusammen. Es ist nicht die beste Methode, aber meine Methode. Ich wurde an meiner alten Schule auch gemobbt, weil ich schwul bin und dem ganzen habe ich auch eine Narbe an meinem Knöchel zu verdanken.
„Halt's Maul, Schwulettchen!", ruft Patrick.
Bei diesen Worten von ihm habe ich das Gefühl, als würde er mir mein Herz rausreißen und mein Brustkorb zieht sich so komisch zusammen.
Freddie nickt Felix zu. Dieser kommt auf mich zu, packt mich am Kragen und hebt mich in die Luft. Wieder dieser entschuldigende Blick. Und dann spüre ich auch schon den ersten Schlag in meiner Magengrube. Ich keuche und krümme mich zusammen. Mein ganzer Körper schmerzt.
Ich versuche mich zu wehren und treffe Felix einmal an einer empfindlichen Stelle, sodass er mich fallen lässt, doch bevor ich weitermachen kann, tritt Sebastian gegen meine Nase.
Mit Tränen in den Augen kriege ich einen weiteren Schlag verpasst. Das war Patrick! Die Jungs lachen. Und dann wird mir schwarz vor Augen.

[Leute, ich weiß, dass man noch so schnell ohnmächtig werden kann, aber sonst hätte die folgende Szene nicht funktioniert]

POV Patrick
Der Junge vor uns krampft sich zusammen, als Felix ihn wieder runterlässt. Doch er regt sich nicht mehr. Eine Mischung aus Blut und Dreck klebt in seinen Haaren und seine Nase sieht etwas schief aus. Das kann aber auch vorher schon so gewesen sein.
„Jungs, was machen wir jetzt?", fragt Felix auf einmal panisch. „Der ist bewusstlos!"
„Wir müssen ihn ins Krankenzimmer bringen und dann abhauen", beschließe ich und betrachte Manuel am Boden.
„Dann trägst du ihn aber, Pat!", bestimmt Sebastian.
Wütend drehe ich mich zu ihm um. „Wieso denn, ich?!", zische ich mit geballten Fäusten. Doch mein Herz findet die Idee gar nicht so schlecht. Schon seit dem ersten Tag fühle ich mich ein wenig zu Manu hingezogen. Ich schüttele meine Kopf, um wieder normale Gedanken zu fassen. Wobei das natürlich Quatsch ist. Immerhin ist Manu ein Schwuchtel und ich hetero. Homosexualität ist einfach falsch. Freddie hat recht.
„Du bist der stärkste", erklärt Freddie ruhig und stellt sich zwischen uns.
Ich lasse meine Muskeln spielen. „Ach, ja?"
Freddie deutet ohne ein Wort zu sagen auf Manu.
Seufzend Knie ich mich neben ihn und hebe ihn langsam hoch. Jetzt ist die Blut-Dreck-Mischung auch noch auf meinem Hemd. Na toll. So schwer ist Manu aber gar nicht und ich trage ihn mit Leichtigkeit zum Krankenzimmer.

Vor diesem angekommen bleibe ich stehen. „Wer kommt mit rein?", frage ich.
„Du musst ihn nur ablegen und dann kurz erzählen, was passiert ist und dann kommst du wieder raus", meint Freddie und lehnt sich gegen die Wand.
„Seid ihr komplett behindert?! Ich soll ihr sagen, WAS PASSIERT IST?!", flippe ich aus und lasse den Jungen in meinen Armen fast fallen, kann ihn aber gerade noch halten.
„Ein bisschen anders natürlich", seufzt Sebastian.
Grummelnd betrete ich das Krankenzimmer. „Wenn der aufwacht, lasse ich ihn fallen", brumme ich leise und lege ihn auf eine Liege ab. Vorsichtig streiche ich ihm eine Strähne aus dem Gesicht. Eine Sekunde später hasse ich mich dafür.
Die Krankenschwester kommt rein und starrt geschockt auf Manus blutverschmiertes Gesicht.
„Ein paar meiner Freunde und ich haben ihn hinter der Schule bei den Mülltonnen so gefunden", lüge ich und will mich schon wieder umdrehen.
„Weißt du zufällig, was passiert ist?", fragt die besorgte Krankenschwester. „Oder kennst du den Jungen?"
Ich verdrehe die Augen und wende mich dann wieder zu ihr. „Nein, ich weiß nichts." Schnell füge ich noch ein knappes „Leider!" hinzu, damit es glaubwürdiger klingt. „Und ich kenne ihn auch nicht."

POV Jodie
Unruhig Wippe ich auf meinem Stuhl vor und zurück. Wo sind Sebastian, Freddie, Felix und Patrick? Zu meiner Beunruhigung fehlt auch noch Manu. Wo können die sein?
In dem Moment betritt die ‚Gang' die Klasse und setzen sich nach einem leisen „Sorry" auf ihre Plätze. Sebastian neben mir, Felix und Freddie gegenüber und Patrick an einem Tisch, der er an unseren ran geschoben hat.
Ich beuge mich zu Sebastian. „Wo ist Manu?", frage ich Stirnrunzelnd.
„Im Krankenzimmer", erklärt mein Freund und gibt mir einen Kuss auf die Lippen.
Schnell löse ich mich von ihm. „Wieso das denn?! Sag nicht, wegen euch!", sage ich geschockt. Ich wusste, dass Sebastian mir die Wahrheit sagen würde.
„Doch ...", murmelt Sebastian.
Und dann knalle ich ihm eine vor der ganzen Klasse. Alle Blicke sind auf und gerichtet.
Mit einem schmerzverzerrtem Gesicht hält er sich die Wange. „Scheiße, was sollte das?", flucht er.
Ohne zu antworten stehe ich auf, nehme meinen Rucksack und verlasse die Klasse. Mit schnellen Schritten gehe ich zum Krankenzimmer und öffne die Tür. Ein paar Stühle stehen im Wartebereich und es gibt zwei Türen, die zu Zimmern mit Liegen führen. Ich lasse mich auf einem Stuhl nieder und warte.

Einige Minuten später kommt eine Krankenschwester auf einem der Räume raus und lächelt mir freundlich zu. „Na, was willst du denn hier?", fragt sie ebenso freundlich, wie sie lächelt.
„I-ich wollte Manuel besuchen", krächze ich.
„Oh, der ist gerade nach Hause gegangen", sagt die Krankenschwester, ohne das Lächeln aus ihrem Gesicht zu entfernen.
Ruckartig beuge ich mich vor und stöhne: „Mir ist schlecht!" Und das ist nicht mal gelogen. Die Tatsache, dass jemand wegen meinem Freund verletzt wird, breitet ein echt schlechtes Gefühl in mir aus.
„Oh, Liebes!", ruft die Schwester und setzt sich neben mich. „Geht es oder ist es sehr schlimm?
In meinem Magen zieht sich alles zusammen. „Ich muss mich ausruhen", murmele ich, den Kopf In die Hände gestützt.
„Wenn es dir nicht gut geht, geh nach Hause", meint die Krankenschwester und legt mir eine Hand auf die Schulter.
„Danke", sage ich schnell und verlasse das Krankenzimmer. Natürlich ist Manu nach Hause gegangen! War doch klar. Wo wohnt der, ist allerdings die Frage. Ich laufe auf dem Gebäude raus und stehe wenig später auf dem Parkplatz der Schule. Irgendwo muss Manu doch sein! Ich blicke mich um.
„Hey, Jodie!", ruft eine bekannte Stimme. Ich drehe mich um und sehe Manu auf seinem Fahrrad sitzen. „Komm, Steig auf!"
Glücklich lasse ich mich wenige Sekunden später auf dem Gepäckträger seines Bikes fallen und Schlinge meine Arme um ihn.
Manu hat eine braun-rote Masse in den Haare kleben, die mich ziemlich stark an Blut und Erde erinnert. „Was haben Sebastian und die anderen getan?", frage ich wütend und betrachte Manu von der Seite.
„Alles okay", murmelt der Junge vor mir.
„Nichts okay!", widerspreche ich ihm.
„Ich fahre dich erstmal nach Hause", brummt Manu.

CAN'T YOU SEE? ᵏüʳᵇⁱˢᵗᵘᵐᵒʳWo Geschichten leben. Entdecke jetzt