Diese Geschichte ist für @ShirosGehirn, die mir die Stichworte "Melancholie, Baum, Future" gegeben hat.
Und danke an ScarsLikeVelvet fürs drüberlesen!
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„Schlecht gelaunt?" fragte der junge Mann, der sich neben Jakaschenputtel auf die Parkbank gesetzt hatte.
„Kann man so sagen," knurrte der und klopfte sich etwas verlegen Dreck aus der Hose.
„Kann ich helfen?" fragte der Fremde.
Jakaschenputtel schüttelte den Kopf. Dann schaute er vorsichtig zu dem anderen rüber.
Oh. Der sah ja ziemlich gut aus.
Der andere hielt ihm die Hand hin.
„Ich bin... Marti," sagte er.
Jako grinste.
„Wie der Prinz?"
„Ähm, ja..." Der andere schluckte. „Wie der Prinz."
Jako nahm sich zusammen.
„Mein Name ist Jako. Meine bekloppte Familie nennt mich Jakaschenputtel. Kannst dir sicher vorstellen warum."
Der andere, der seine Hand inzwischen wieder heruntergenommen hatte, nickte.
Er kicherte.
„Bist ganz schön dreckig, du."
Aber es klang irgendwie nicht böse. Nicht abwertend. Eher... keine Ahnung, aber Jako musste nun auch kichern.
„Na, Laune besser?" sagte Marti.
„Bisschen," sagte Jako, und dann schwiegen sie wieder.
Irgendwie fühlte er sich wohl in der Gegenwart des anderen. Der so hieß, wie der Prinz ihres Landes. Prinzen konnten Jako erst einmal grundsätzlich gestohlen bleiben. Oberflächliches Pack, keine Ahnung von echter Arbeit...
Irgendwie schien Marti, der hier neben ihm saß, ganz in Ordnung zu ein.
Und irgendwie hatte Jako das Bedürfnis, sich bei ihm seinen Kummer von der Seele zu reden.
„Bin halt nur das Stiefkind zuhause," sagte er leise.
„Meine Stiefmutter und die bekloppte Schwester glauben, dass es in Ordnung ist, auf meine Kosten fröhlich zu leben und mich die ganze Arbeit in Haus und Hof und Garten machen zu lassen. Hab vorhin erst die Kamine ausgekehrt."
Er seufzte.
„Und weil mein Vater alles der Stiefmutter vererbt hat, in dem treuen Glauben, sie würde für mich sorgen, bin ich quasi mittellos. Papa war lieb, aber naiv. Verdammt. Ich... vermisse ihn."
Ein Kloß saß ihm im Hals, als er an seinen Papa Felix dachte.
Marti sagte nichts, drängte ihn nicht. Er schwieg. Wartete.
Und schließlich sprach Jako weiter.
„Ich habe nichts gegen harte Arbeit. Aber das hier, das ist einfach nicht fair. Sie gehen feiern, ich maloche. Jeden Tag. Ich würde gern studieren, damit ich irgendwann auf eigenen Füssen stehen kann... nicht dran zu denken. Niente. Nada. Wenn sie essen, krieg ich die Reste. Wenn sie sich Pizza bestellen, krieg ich die Ränder. Wenn nichts übrig bleibt, krieg ich trocken Brot. Und wenn sie ausgehen, schütten sie mir Linsen und Reis zusammen und lassen es mich auseinander sortieren, damit ich zu tun habe. Scheiße."
Er schniefte.
Martis Hand legte sich auf Jakos Knie.
Jako zuckte zusammen, doch er hielt still und lächelte Marti an. Es fühlte sich gut an. Marti schien ihn zu mögen.
Und er... ja, er mochte ihn auch.
Er hörte ihm zu, verdammt, das hatte schon ewig keiner mehr gemacht! Na also. Außerdem hatte er herrlich blaue Augen.
„Gab auch mal bessere Zeiten," sagte Jako schließlich voller Melancholie. „Als Papa noch lebte... Aber was solls, er ist eben nicht mehr. Ähm..."
Er sah vorsichtig zu Marti hinüber.
„...glaubst du an Zauberkräfte und so?"
„Klar," sagte Marti, „ich weiß, dass es so was gibt."
Jako nickte.
„Na ja, auf dem Grab von meinem Papa ist ein Baum gewachsen, und in seinen Zweigen sitzt eine Taube. Ich hab ein bisschen gehofft, dass die mir helfen kann. Ich meine, Superhelden gibt es nicht, kein Spiderman, kein Superman, kein Captain Future, das ist mir schon klar. Aber vielleicht, hab ich gehofft, zaubert mir die Taube was, dass ich wenigstens mal aus dem Alltag rauskomme..."
„Und?" fragte Marti, der sehr neugierig dreinschaute. Er schien sich wirklich für Jakos Sorgen zu interessieren.
„Ja nix und. Weißt du was das dumme Vieh gemacht hat?"
Er schniefte.
„Schmeißt mir einfach nen Designerkleid vom Baum und gurrt, das solle ich anziehen und damit zum Königsball gehen, dann könnte ich mir den Prinzen klarmachen, Prinz Marti halt, und dann wäre ich alle meine Sorgen los."
Jetzt konnte Marti nicht anders und lachte aus tiefster Seele, Jako schaute unsicher zu ihm, aber das Lachen war nicht spöttisch oder so. Im Gegenteil, es schien ehrlich und es war ansteckend. Jako lachte mit.
Als er sich etwas beruhigt hatte, sagte Marti:
„Wobei ich mir dich ehrlich gesagt im Kleid ziemlich gut vorstellen könnte..."
Und er wurde ein kleines bisschen rot.
Jako nickte.
„Na ja, weißt du, ich hab ja nicht mal ein Problem mit dem Kleid an sich. Warum auch nicht. Fuck Genderroles. Aber mich nervt, dass... also ich meine, ich verzichte gerne auf einen Prinzen als Problemlöser, ich will lieber selbstständig sein. Und ich wollte keinen Kerl, egal ob nun Prinz oder Bauarbeiter, der mich nur anschaut, wenn ich Designerklamotten trage. Das ist doch der Punkt."
Er stöhnte ein wenig genervt.
Das ganze machte ihm zu schaffen, und er merkte, wie sich eine paar Tränen aus seinen Augen lösten und eine Spur durch den Aschenfilm zogen, der auf seinem Gesicht lag.
„Hey," sagte Marti leise. „Ich mag dich auch so."
Jako sah ihn an uns konnte wieder lächeln.
Marti hielt ihm eine Flasche Wasser hin.
„Möchtest du auch einen Schluck?"
Jako wollte schon nicken und zugreifen, da fiel im ein, wie dreckig er war.
Also zog er die Hand zurück und sagte:
„Vielleicht besser nicht."
„Unsinn. Der Schmutz kommt immerhin von ehrlicher Arbeit. Komm schon."
Dankbar nahm er also die Flasche und trank einen großen Zug daraus. Er merkte erst jetzt, wie durstig er war.
„Danke," sagte er, als er sie wieder abgesetzt hatte und an Marti zurück gereicht hatte. „Aber ich muss jetzt wieder an die Arbeit. Sonst gibt's wieder Stress und davon hab ich weiß Gott genug."
Er stand auf. Doch bevor er ging sagte er: „Tja, dann... Danke. Fürs Zuhören und so. Und vielleicht sehe wir uns ja irgendwann noch mal..."
„Bestimmt," sagte Marti und sah ihm nach, als er davon ging.
* * *
Am nächsten Tag kam ein Brief ins Haus Joiko. Ein Brief auf edlem Büttenpapier mit einem herrschaftlichen Siegel.
Er war an Jako gerichtet.
Und bei genauerer Betrachtung stellte sich das Siegel als das des königlichen Schlosses heraus.
„Lieber Jako.
Nicht alle Prinzen sind so, wie du denkst. Ich kann die Schönheit unter der Asche sehen, und ich meine nicht nur die Schönheit eines Angesichts.
Es war mir eine Ehre, mein Wasser mit dir zu teilen. Erweise du mir nun bitte die Ehre, mit mir zu tanzen.
Ich möchte dich zu meinem Ball einladen, und es ist mir egal, ob du ihm Designerkleid kommst, in Jeans und T-Shirt oder in deinem schmutzigen Arbeitsanzug. Ich werde nur mit dir tanzen.
Prinz Marti."
Und während sich die Stiefmutter und die bekloppte Schwester noch von ihrem Schreck erholten, begann Jako, mit Dreck im Gesicht und Spinnweben in den Haaren und verträumtem Blick durch die Diele zu tanzen...

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Berliner Sammlung
FanfictionEine kleine Sammlung von Drabbles, Oneshots und ähnlichem über die Berliner Youtuber. Alles, was mir dazu so in den Kopf kommt.