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Jako hatte Hunger.
Der Tag im Studio war wieder mal lang und anstrengend gewesen und er hatte sich wieder mal nicht die Zeit genommen, zwischendurch etwas vernünftiges zu essen.
Nun war er zu Hause und hatte Hunger.
Normalerweise machte er auf dem Weg von der U-Bahn zu seiner Wohnung Halt bei einem der Imbisse, die auf dem Wege lagen, und nahm sich etwas mit.
Und in letzter Zeit war das immer häufiger dieser kleine Laden gewesen mit den köstlichen veganen asiatischen Speisen. Dort schmeckte das Essen ganz hervorragend, und außerdem arbeitete da dieser Typ, den Jako so süß fand.
Er hatte blaue Augen, braunes Strubbelhaar, niedliche Grübchen und zwei süße kleine Muttermale auf der Stirn. Jako war von ihm regelrecht hingerissen.
Der Typ hatte auch schon mit ihm geflirtet, und er hatte zurück geflirtet. Das hatte Spaß gemacht. Aber genau da lag auch das Problem.
Der Typ flirtete mit jedem, Männlein, Weiblein, egal; es schien einfach Teil seiner charmanten Art zu sein, vielleicht auch schlicht Verkaufsstrategie, jedenfalls war Jako nicht der einzige, der in den Genuss kam. Und das tat ihm weh.
Er hatte festgestellt, dass er die Anwesenheit des anderen deutlich mehr genoss, als gut für ihn war. Er hatte sogar schon begonnen, sich einzubilden, dass der Typ mit ihm anders flirtete als mit anderen Kunden, intensiver, persönlicher – aber hier war sicherlich der Wunsch der Vater des Gedanken.
Und daher hatte er beschlossen, diesen Laden in Zukunft zu meiden.
Eigentlich war der Plan gewesen, dann eben einen anderen Imbiss aufzusuchen. Aber irgendwie hatte ihn nichts wirklich angesprochen, und so war er nun zu Hause und hatte Hunger
Also nahm er den Stapel mit Prospekte von Lieferdiensten zu Hand, die auf der kleinen Ablage in seinem Flur lagen, und beschloss, sich etwas zu bestellen. Er sah den Stapel durch und hatte schließlich den Flyer jenes Ladens in der Hand... nun ja, das Essen war dort unbestreitbar toll, und bestellen konnte ja nicht schaden, also nahm er den Telefonhörer zur Hand und bestellte. Die Nummer Sieben in extra scharf.
Eine halbe Stunde später, er hatte sich gerade die frisch geduschten Haare trocken geföhnt und war in einen Pyjama geschlüpft, klingelte es an der Tür. Aha, das Essen war da.
Er ging in den Flur und öffnete die Wohnungstür.
Im nächsten Moment traf ihn fast der Schlag, denn draußen im Treppenhaus stand ER.
Der Typ mit den blauen Augen. Den Grübchen. Dem Lächeln.
„Hallo," sagte er. „Du hast bei uns bestellt, oder?"
„Ich...ähm..."
Jako merkte selber, das er sinnlos stotterte, aber er kriegte einfach keinen Gedanken zu fassen geschweige denn ein Wort ausgesprochen.
Aber der junge Mann vor ihm ließ sich nicht beirren.
„Also wenn ich das richtig sehe, hast du die Nummer sieben bestellt. Weißt du, mein Name ist Marti. Und wenn man nun die Buchstaben meines Namens ihrer Stellung im Alphabet nach mit Zahlen versieht, bekommt man die Zahl 13118209. Und wenn man daraus die Quersumme berechnet, bekommt man 25 heraus, und daraus wiederum die Quersumme gibt eine Sieben. Also wenn man es recht bedenkt, dann bin ICH die Nummer sieben. Und das mit dem extra scharf..."
Er schaute an sich selbst herunter und wandte seinen Blick dann wieder Jako zu.
„...kommt auch hin."
Jako war sprachlos.
Also fuhr der andere fort:
„Aber wenn du lieber das Essen möchtest, dann bekomme ich jetzt bitte neun Euro fünfzig."
Jetzt endlich fand Jako die Sprache wieder.
„Na, ja, also, ich glaube, am liebsten möchte ich beides."
Auf dem Gesicht des anderen breitete sich ein erleichtertes Grinsen aus.
„Klingt gut," sagte er und trat durch die Wohnungstür, die Jako weiter geöffnet hatte um ihn einzulassen.
Jako führte Marti in die Küche, wo er das Essen auf zwei Tellern verteilte. Er stellte zwei Gläser Cola dazu und dann ließen sie es sich schmecken. Sie unterhielten sich, erst schüchtern doch dann immer offener. Es machte Spaß und sie spürten beide, dass sie sich tatsächlich mochten und gerne zusammen waren.
Schließlich war die Mahlzeit vertilgt und Jako fragte vorsichtig:
„Kriegst du nicht Ärger, wenn du so lange ausbleibst?"
„Nö," sagte Marti, „denn erstens ist meine Schicht zu Ende und zweitens gehört mir der Laden."
Er grinste.
„Klasse," sagte Jako und grinste ebenfalls, „wenn ich also was mit dir anfange habe ich jederzeit leckeres Asiafutter, umsonst und frei Haus. Das ist die Sache wert." Und er stupste dem anderen auf die Nase.
Es war die erste zärtliche Geste zwischen ihnen, und es schien Marti nicht zu stören, im Gegenteil, er schloss einen winzigen Moment genießerisch die Augen.
Dann grinste er und sagte:
„Na ja, aber dafür möchte ich gerne sexuelle Gefälligkeiten als Gegenleistung."
Einen Augenblick war Jako wieder sprachlos, doch dann prusteten sie alle beide los.
Es war ein befreiendes Lachen, die Dämme waren gebrochen und die Zurückhaltung, die bis eben noch da gewesen war, wie weggefegt.
Der Rest des Abends bestand aus einem langen, ausgiebigen „Nachtisch" auf Jakos Bett.
Was nun nicht heißt, dass sie gevögelt hätten wie die Waldratten.
Nein, sie ließen es langsam angehen. Der Nachtisch bestand eher aus Kuscheln, Streicheln, Küssen, sich im Arm halten, voneinander erzählen und wieder Kuscheln.
Es war wunderschön und es war ein Versprechen, eine Verheißung auf so viel mehr, auf eine gemeinsame Zukunft, die noch ganz viel für sie bereithalten würde.
Sie schliefen Arm in Arm ein.
Als Jako am nächsten Morgen erwachte, waren das erste was er sah die blauen Augen von Marti. Er lächelte und fragte schmunzelnd:
„Sag mal, Nummer Sieben, liefert dein Laden auch Frühstück?"
Marti brach in schallendes Gelächter aus und küsste ihn.
Von da an hatte Marti seinen Spitznamen weg.
Und keiner ihrer Freunde erfuhr je die Geschichte, warum Jako seinen Mann, der doch seine erste und einzige große Liebe war, „Nummer Sieben" nannte.
Und erst recht niemand erfuhr, dass das mit dem „extra scharf" regelmäßig wieder einer genauen Prüfung unterzogen wurde.
Schließlich musste man, was solche Dinge betraf, auf Nummer sicher gehen.
Und in Martis Lieferdienst wurde das Gericht mit der Nummer sieben von der Karte gestrichen.
Denn das gibt es seitdem nur noch für einen einzigen, ganz speziellen Kunden.
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Berliner Sammlung
Fiksi PenggemarEine kleine Sammlung von Drabbles, Oneshots und ähnlichem über die Berliner Youtuber. Alles, was mir dazu so in den Kopf kommt.