Mächtig Gewaltig

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Kennt Ihr die Filme der „Olsenbande"? Das sind Krimikomödien aus Dänemark, die in meiner Kindheit häufig im Fernsehen liefen. Die drei Chaotischen Möchtegern-Gangster Egon Olsen, Benny und Kjeld versuchen dabei immer, den großen Coup zu landen,was aber nie gelingt.
Benny sagt in diesen Filmen immer wieder etwas, was man im deutschen mit „Scheißgut!" übersetzen müsste. Da man aber das „Scheiß..." nicht haben wollte, hat man es in der deutschen Synchro durch die DEFA mit „Mächtig gewaltig!" wiedergegeben.
Na ja, und diese Geschichte hier ist von der Olsenbande inspiriert.



Ich widme sie „SilentHope", die mir mit „Löcher, Melodie, Bank" die Stichworte zu dieser etwas schrägen Nummer geliefert hat.


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Leise, leise pirschten sich Marti Olsen, der große Meisterverbrecher, und seine beiden Helfershelfer Felix und Jako durch den Keller der Bank.
„Oh Mann, oh Mann, Oh Mann," jammerte Felix leise. „Das ist doch sicher gefährlich!"
„Ruhe dahinten," knurrte Marti. „Das ist die ganz große Nummer. Wenn wir das durchziehen, werden wir reich. Können uns zur Ruhe setzen. Und du, Felix, kannst deiner Kathrin endlich mal was bieten, damit sie nicht immer so rumzetert!"
„Mächtig gewaltig Marti," kicherte Jako, der dem Chef der Bande an den Lippen klebte und eigentlich immer alles toll fand, was Marti Olsen so von sich gab.


Felix seufzte. Er würde sich gegen die anderen sowieso nicht durchsetzen können.
Also hielt er den Mund und schlich weiter hinter den beiden her.
Schließlich erreichten sie den Vorraum zum Tresorraum und standen vor der großen Stahltür, hinter der all die Reichtümer ruhten, die so verlockend durch ihre Köpfe geisterten.
„Ich... wäre jetzt viel lieber zu Hause und würde Musik machen," flüsterte Felix.
„Mann!" motzte Marti.
„Na ja," sagte Jako leise, „Musizieren wäre jetzt toll..."
„Jungs," sagte der Chef. „Wenn wir erst mal reich sind, könnt ihr alle Instrumente haben, die ihr euch vorstellen könnt, okay?"
Die bedien nickten.
Felix zögernd. Jakob begeistert. Denn wie gesagt, er fand alles toll was Marti so sagte...
Er fand Marti insgesamt toll. Also so richtig toll. Aber das würde er doch besser für sich behalten.
„Außerdem hab ich Hunger," jammerte Felix.


„Schluss jetzt," schimpfte Marti leise.
„Also wollen wir das Ding nun durchziehen oder nicht!?"
„Ja doch," sagte Felix.
„Klar, Marti, mächtig gewaltig!" sagte Jako.


Gut," sagte der Chef. Dann lasst uns den Plan noch mal durchgehen. Zuerst Uhrenvergleich? Es ist jetzt genau: der einunddreißigste Dezember 2017, dreiundzwanzig Uhr und drei Minuten."
„Passt," sagte Felix.
„Mächt..." setzte Jakob an, wurde aber mit einem Rippenstoß von Felix abgelenkt, dem das inzwischen mächtig gewaltig auf den Keks ging. (Auf den dänischen Butterkeks.) „Passt," sagte Jako also, etwas verschnupft.


„Gut," sagte Marti Olsen. „Also. Wir werden mehrere Löcher bohren und dann den Tresor sprengen. Felix, das Dynamit?" „Hab ich."
„Gut," setzte Marti fort. „Dann weiter. Um dreiundzwanzig Uhr dreißig beginnt auf dem Vorplatz der Bank das Neujahrs- Nachtkonzert und um Mitternacht das Feuerwerk. Hier..." Und er deutete auf sein Smartphone, „,... lasse ich die Life- Übertagung laufen. Und wir bohren während des Konzertes, und zwar immer dann, wenn das Orchester besonders laut spielt. und wir sprengen dann, wenn draußen das Feuerwerk knallt. So ist gewährleistet, dass niemand unsere Tätigkeit hört und wir in Ruhe den Tresor ausräumen können."
„Mä..." wieder kriegte Jako einen Rippenstoß von Felix, dem es allmählich reichte.
„Das ist doch genau so bekloppt wie dänische Soße," sagte der. „Und gefährlich. Ich hätte mich nie darauf einlassen sollen. Ich hab immerhin Familie..."
Er schniefte.


Marti wurde nun doch sauer.
„Dann geh doch. Aber dann glaub nicht, dass auch nur ein einziges winziges Münzlein für dich abfällt! Was wird deine Frau wohl dazu sagen!"
Felix seufzte.
„Also gut. Dann lasst uns mit den Vorbereitungen beginnen."
Sie legten los.
Bohrmaschine anschließen.
Staubschutz vor den Mund.
Genaue Position der Bohrlöcher ausmessen.
Dynamit bereit halten.


„Jako, du hältst den Gang im Auge. Pfeife, wenn irgendwas nicht in Ordnung ist. Felix, du bleibst bei mir und achtest auf das Handy. Gibst mir immer Bescheid, wenn ich bohren kann."
Beide nickten. Jako bezog Posten. Felix hielt das Smartphone in der Hand und bibberte. Ihm war nicht wohl. Gar nicht wohl.


Dreiundzwanzig Uhr dreißig. Das Konzert begann. Der Livestream zeigte die Musiker, die ihre Instrumente angesetzt hatten. Das Stück, irgendwas klassisches, begann mit einer leisen Melodie. Steigerte sich. Dann die Paukenschläge.
„Jetzt!" Marti bohrte.
„Und Stopp!"
Warten. Der Musik lauschen. Laute Bläser und Trommeln.
„Jetzt!"


Und so ging es weiter, bis kurz vor zwölf alle Bohrlöcher fertig waren. Schnell machten sich die beiden daran, das Dynamit dort hinein zu stopfen.
Marti schloss den Zündmechanismus an.
„So, Felix, jetzt in Deckung im nächsten Raum!"
Sie huschten davon.
Sobald draußen die erste Feuerwerkssalve krachen würde, würde Marti die Zündung betätigen und: „Bumm!"


So war der Plan.
Es war ein guter Plan. Marti war ein großer Planer. Oh ja, er konnte großartig Pläne schmieden.
Pläne, die ihn und seine Kumpane reich machten, schnell und ohne viel Arbeit.
Er hatte schon viele solche Pläne geschmiedet.
Ähm.. aber wenn dem so war... warum waren er, Felix und Jako denn noch nicht reich???


Nun ja, man muss zugeben, dass Martis Pläne bisher nie funktioniert hatten.
Am Ende war er immer im Gefängnis gelandet, hatte seine Strafe abgesessen, wärmend Jako und Felix es jedesmalig geschafft hatten, sich zu verdrücken und dann bei Kathrin zu Hause gesessen, Kuchen gegessen und auf Martis Freilassung gewartet hatte. Und Marti in der Zelle neue Pläne geschmiedet hatte.
Geniale Pläne.
Unfehlbare Pläne..
Na ja.


Der Plan diesmal würde funktionieren. Was sollte schließlich schief gehen?


*


*


*


Was schief ging, war die Tatsache, das Felix, der Spezialist, nicht daran gedacht hatte, dass der Livestream mit ca. dreißig Sekunden Verzögerung lief. Sie rutschten daher mit ihren Bohrattacken aus der Melodie, und ein aufmerksamer Wachmann hörte die ungewöhnlichen Bohrgeräusche aus dem Tresorraum und rief die Polizei.


Was schief lief, war, dass Jako, der ja Wache halten sollte, mit seinen Gedanken bei Marti war. Na ja, um genau zu sein, von Marti träumte. Von sich und Marti. In ganz bestimmten Situationen... Mächtig gewaltig.
Und das besagter Jako die Polizisten erst bemerkte, als sie beinahe schon vor ihm standen.


Zwar schaffte er es, sich zu verstecken, und Felix, der schaffte es, schnell wie ein Kaninchen durch die Kellergänge zu verschwinden.
Aber Marti, der hatte wieder einmal Pech.
Kommissar Schuto und Kommissar Rieck grinsten mächtig gewaltig, als sie ihn abführten.


Was solls, dachte Marti, dann hab ich eben wieder Zeit zum Pläne schmieden. Beim nächsten Mal klappts bestimmt.
Mann, dachte Felix, ich hab doch gewusst, dass das gefährlich ist. Und reich werden wir auch wieder nicht.
Schade, dachte Jako. Aber egal, dann werde ich eben weiter von ihm träumen.

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