Angst

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Scheiße! Die Zeit sitzt mir im Nacken. Meine Augen sind geschlossen als plötzlich eine Träne unter meinem Augenlid hervorblitzt und meine Wange entlangrinnt.
Es ist ganz still in dem sterilen Zimmer in dem ich sitze und eine Hand halte. Die Hand, die mich immer gehalten hat als ich sie brauchte. Die schon immer da gewesen ist, seitdem ich nur denken kann. Und jetzt bin ich hier. Die Angst, dass es das letzte mal sein könnte, lässt mich verrückt werden. Alles um mich herum verliert an Priorität wenn ich sie im Krankenbett liegen sehe.
Ihr hübsches,blasses Gesicht sieht engelsgleich aus. Ihr hüftlanges blondes Haar trägt sie in einem geflochtenen Zopf der über ihrer Brust liegt und bis zum Bauchnabel reicht. Ihr linkes Handgelenk ist von der Innenseite mit einem kleinen dezentem Tattoo geschmückt. Ein kleines Herz. Es ist wirklich klein. Genau so klein wie meins, welches auf meinem Handgelenk zu finden ist.

 Genau so klein wie meins, welches auf meinem Handgelenk zu finden ist

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Wir beiden gegen den Rest der Welt. Ja, das ist einer dieser Sprüche, den wir lebten.
Ich lege ihre Hand vorsichtig zurück auf ihren Bauch, bevor ich aufstehe und das Zimmer verlasse.

Ich muss raus. Einmal frische Luft schnappen. Ein paar Meter gehen. Im Fahrstuhl ziehe ich mein Handy aus der Hosentasche. Es ist bereits 19:28 Uhr. Seit heute morgen um 8 Uhr bin ich mit zwei kurzen Unterbrechungen im Krankenhaus. Zimmer 246. Als der Fahrstuhl im Erdgeschoss anhält verlasse ich diesen und biege rechts ab, laufe den langen Flur entlang während ich meine Tränen nicht unter Kontrolle halten kann und sie wie ein Wasserfall mein Gesicht runterlaufen. Meine Haut brennt von dieser klaren, salzigen Flüssigkeit. Draußen angekommen, tippe ich auf meinem Handy rum und schlender durch den Park. 3 neue Nachrichten verrät mir meine Mailbox. Ich zöger eine Weile ob ich mir diese Nachrichten wirklich anhören möchte. Da ich ein ganz komisches Bauchgefühl habe fällt mir die Entscheidung nicht leicht, ringe mich aber letztendlich durch und halte mein Handy mutig an mein Ohr. Eigentlich war ich der Meinung , es kann nicht schlimmer werden , doch mein Bauchgefühl sollte mir auch diesmal wieder recht geben. 3 Anrufe von Tim. Tim ist mein Freund mit dem ich mitlerweile seit sieben Jahren zusammen bin. Zwischen uns läuft es eigentlich einwandfrei, wenn man von der Eifersucht absieht. "Ich bin's Tim, dein Freund, falls du dich noch daran erinnerst. Wäre schön dich auch mal wieder zu sehen." Das war die erste Nachricht die mir um 11:43 Uhr hinterlassen wurde. Nachdem mir seine Worte einen Stich ins Herz versetzt haben. Schiebe ich mein Telefon zurück in meine hellblaue, abgewetzte Lieblingsjeans,drehe um und laufe zurück ins Krankenhaus, die Treppen hoch in den zweiten Stock.

Vor dem Zimmer 246 werden meine Schritte kürzer. Jedes mal bevor ich das Zimmer betrete, schicke ich ein kleines Gebet in den Himmel und bitte darum, dass sie noch da ist. Sie, die wundervollste beste Freundin die man sich nur wünschen kann. Sie, die ich brauche wie die Luft zum atmen. Sie, die ich das erste mal sah als unsere Muttis uns gemeinsam auf die Krabbeldecke gelegt haben. Als ich das Zimmer betrete bin ich erleichtert und setze mich zu Lou ans Bett. Sichtlich angestrengt öffnet sie ihre grünen Augen und wirft mir ein kleines Lächeln entgegen. "Hey mein Lieblingsmensch, du bist ja wach. Ich war nur kurz draußen einmal durchatmen." Als ich ihre Hand in meine nehme, drückt sie leicht zu. "Ich habe Angst, Tilda" , haucht Lou. Wie kann ich ihr nur diese verfluchte Angst nehmen. In meinem Kopf tanzen Fragezeichen und mir fällt einfach nichts ein, was ich tun oder sagen könnte um ihr ein wenig Mut zu machen. " Du bist das stärkste Mädchen was ich kenne, egal was passieren wird, ich werde hier sein und deine Hand halten." Meine Tränen kann ich kaum noch unterdrücken, doch ich zwinge mich stark zu bleiben. Ein dumpfes Klopfen ertönt an der Tür bevor eine ältere Krankenschwester auf uns zukommt und mich darauf hinweist, dass die Patientin nun ihre Ruhe braucht und die Besuchszeit jetzt endet. Langsam erhebe ich mich von meinem Stuhl und drücke Lou einen dicken Schmatzer auf die Wange "Morgen früh bin ich wieder da, halt die Ohren steif!"
An der Tür angekommen, drehe ich mich noch einmal zu ihr um und winke ihr zum Abschied. Hoffentlich kein Abschied für immer, sind die einzigen Gedanken die sich in meinem Kopf abspielen.

There is hopeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt