Ablenkung

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Die Tür fällt ins Schloß. Ich atme tief ein. Paddy tritt ein Stück zurück und sieht mich eindringlich an. "Alles okay?"
Ich nicke während ich immer noch tief ein und ausatme, um mich zu beruhigen. Ich spüre, dass ich an die Hand genommen werde und folge  dem leichten Ziehen  apathisch. Plötzlich sitze ich wieder draußen auf dem Balkon und starre ins Leere. Ich höre wie die Kühlschranktür geöffnet und kurz darauf wieder geschlossen wird. Paddy kommt mit zwei Bier zurück.
"So kenne ich ihn gar nicht."
"He was totally smashed."
"Voll der Psycho!" Ich kann es gar nicht glauben, dass ich mit so jemanden zusammen gewesen bin. Mein Kopf ist etwas nach unten gesenkt wobei ich meinen Blick hebe, seine Augen suche, und ein " Danke!" ,  hervorbringe. In meinem Kopf spielen sich die ganze Zeit Situationen ab, was wäre gewesen wenn ich alleine gewesen wäre? Mich schüttelt es, sowas von einem Menschen,  von dem ich dachte, dass ich ihn in und auswendig kenne.
" Hey,  er ist jetzt weg." , nehme ich diese warme Stimme wahr.
" Du hast recht. Sorry, ist im Moment nicht so einfach mit mir. Dabei sollte es heute Abend doch um Lou gehen, nicht um mich und mein derzeit verkorkstes Leben" , stelle ich seufzend fest.
" Das ist okay, wir sitzen ja grade hier in deinem Leben. Lou hat ihre Ruhe gefunden und jetzt müssen wir zusehen, dass wir dein 'verkorkstes' Leben ein bisschen entkorksen."
Was? Wir? Völlig überrascht gucke ich ihn ungläubig mit großen Augen an. " Was machst du um dich auf andere Gedanken zu bringen?", fragt er.
"Hm", grübel ich, " mir ein neues Leben mit einem abgebrühten 'Ich' aufbauen."
Das habe ich jetzt nicht gesagt. Warum zur Hölle kommt sowas aus meinem Mund? Langsam erinner ich mich. Das bin ich. Ich trage mein Herz auf der Zunge. Zumindest damals. Also schon mit bedacht und nicht immer aber in guten Gesprächen mit Leuten denen ich vertraue. Wie kann ich ihm denn Vertrauen? Ich kenne ihn doch gar nicht. Aber er hat dich immerhin  beschützt und hört dir jetzt schon seit drei Stunden zu. Gedanken über Gedanken.
" Wir sollten eher versuchen dein altes 'ich' wieder auszugraben."
Skeptisch hebe ich meinen Kopf in seine Richtung. " Wieso tust du das alles hier?"
" Es gab eine dunkle Zeit in meinem Leben in der ich nicht mehr ich selbst war. Ich weiß wie es sich anfühlt sich selbst zu verlieren. Manchmal hätte ich mir eine Hand gewünscht die mich führt und mich hält. Ich hatte damals das Glück die richtige Entscheidung getroffen zu haben aber  du machst den Eindruck eine völlig falsche Richtung einzuschlagen."
Grade will ich zurückfeuern.  Was denkt er sich eigentlich? Woher will er wissen welcher meiner Entscheidungen richtig oder falsch ist? Doch dann muss ich mir eingestehen, dass er verdammt noch mal recht hat. Entschlossen rutsche ich zu ihm rüber und lehne mich an ihn. Sein Blick scheint etwas verdutzt, schließlich legt er aber einen Arm um meine Schulter und meint: " No worries, dich kriege ich wieder fit."
"Ich bin gespannt."
Eine Zeitlang sitzen wir einfach so da. Schon komisch dass ich bei einem fremden Typen im Arm sitze  und es sich völlig vertraut anfühlt.

"Wollen wir los?"
"Los? Wie? Wohin los?", frage ich.
"Die Mission beginnt jetzt. Wir sollten keine Zeit verlieren, schließlich will ich dein wahres 'ich' kennenlernen.
Bevor ich mich versehe habe ich meine Schuhe und eine dünne Strickjacke an. "Du bist verrückt, es ist halb 12, an einen Montag. Wo willst du hin?"
"Klappe halten, mitkommen!", befiehlt er mir frech grinsend.
" Aye aye, sir "
Paddy legt seinen Kopf schräg und betrachtet mich. " Du lernst schnell, so gefällt mir das! " Ich muss lachen.
Es ist wahnsinnig, dass ich mich vor einem Menschen so verletzlich mache , den ich grade mal ein paar Stunden kenne. Es ist wahrscheinlich den Umständen geschuldet, wenn man so alleine ist,  in deinem Leben zu viel passiert und dann jemand daher kommt, dir zuhört und das Gefühl gibt, dass du selbst und deine Gedanken wichtig sind. Ja so muss es sein, denke ich.  Während wir so die Straßen entlanglaufen genieße ich die frische Sommernacht und das laue Lüftchen dass meine langen braunen Haare tanzen lässt. " Machst du das öfter?" , frage ich den gutaussehenden Mann der rechts neben mir läuft. Er schmunzelt : " Klar, jeden Tag. Suche mir immer nette Mädels aus die mir gefallen , spiele den Verständnisvollen um sie danach abzuschleppen." Ja ne, ist klar", buffe ich ihn in die Seite,  " eigentlich meinte ich, ob du nachts öfter die Location wechselst und bis in die Puppen unterwegs bist ."
"Ach so", fängt er an zu lachen, "naja ich bin Musiker, da gehören lange Nächte und spätes Aufstehen einfach  dazu." Halt Stop,  hat er grade indirekt gesagt, dass ich ihm gefalle? Ein grinsen von einem Ohr zum anderen überfällt mich .
Erde an Tilda, was ist los mit dir, versuche ich mich grade selbst zu erden.
" Du bist doch sicherlich auch ein Nachtmensch, deiner Arbeit nach zu urteilen."
" Das ist nicht meine wirkliche Arbeit, also schon, aber eigentlich nicht." Was ein Wirrwarr an Wörtern aus meinem  Mund kommt. "Ja das verstehe ich total", neckt Paddy mich gekonnt.
" Den Job habe ich erst seit kurzem, habe nicht den Beruf der Saftschubse erlernt. Also wo gehen wir denn jetzt hin?",versuche ich von dem Thema abzulenken.
"Ein bisschen Geduld noch, sind ja gleich da."
"Oooookay", gebe ich gespielt genervt  zurück, " ich muss dir gestehen dass ich schonmal auf einem Konzert von dir war."
"Ach ?! War geil oder ?!", grinst er verschmitzt
" War okay", sage ich gelassen,  " musste Lou begleiten." Ich lache als ich seinen 'bösen' Blick sehe. "Okay okay, es war ganz nett." , gebe ich zu.
"Ganz nett", äfft er mich nach.
Wir lachen beide los. Es tut wirklich gut, mal wieder aus vollem Herzen zu lachen.
Jetzt laufen wir durch ein großes Tor, in eine Art Innenhof. Es sieht alles etwas abgefuckt aus. Vor einer alten, braunen Holztür kommen wir zum Stehen. Paddy scheint meine Nervosität zu spüren. "Alles ist gut " , grinst er zu mir rüber und drückt auf die Klingel, die mit dem Wort 'Keller' beschriftet ist.

There is hopeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt