Aussprache

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Endlich setzt der Flieger zur Landung an. Der Flug war die Hölle, so viele Luftlöcher. Diese zweieinhalb Stunden haben sich ewig gezogen. Vielleicht lag es auch daran, dass ich so angespannt war. Ich als totaler Harmoniesuchti kann mit solchen Spannungen nur schlecht umgehen, obwohl ich mit den Jahren gelernt habe,  nicht immer ja und Amen zu sagen, sondern meine  Mitmenschen auch mal wissen zu lassen wenn ich mich ärgere.
Paddy, aufmerksam wie er ist,  muss gemerkt haben, wie ich meine Finger in die Armlehne gebohrt habe, woraufhin er meine Hand genommen hat.
Klar hat das 'sture-ICH' in mir sich durchgesetzt was vehement versuchte die Hand wegzuziehen. Er hat sich aber nicht beirren lassen und sie festgehalten wodurch das 'sture-Ich' sich in die Ecke gedrängt fühlte und aufgegeben hat.
Wieviele 'Ichs' sich wohl noch in mir verbergen? 
Jetzt habe ich keine Zeit darüber nachzudenken.
Nachdem wir unsere Taschen ergattert haben , machen wir uns auf die Suche nach einem Taxi. Diesmal setzt sich Paddy zu mir nach hinten auf die Rückbank.
Sein Blick haftet hartnäckig auf mir. Nach kurzer Zeit ergebe ich mich, lasse mich mal wieder von seinen Augen verzaubern.
"Hast du dich wieder etwas beruhigt?"
Ich nicke obwohl diese Frage mich schon wieder etwas provoziert.
Seine Hand sucht nach meiner, unsere Finger verschränken sich und er fährt mit seinem Daumen immer wieder streichelnd über meine Hand. Auch wenn wir während der Fahrt nicht viel reden genieße ich sie sehr.
Nach einer Weile hält der Wagen vor einem alten Gebäude. Mitlerweile habe ich dann auch mal mitbekommen, dass wir uns in Italien befinden. Schon verrückt. In einer Woche zwei verschiedene Länder und dabei war dieser Urlaub nicht mal geplant. Nachdem wir uns an der Rezeption angemeldet haben , beziehen wir unser Zimmer.  Dieses Hotel ist sehr luxoriös und groß. Als ich das Bett erblicke stelle ich mein Gepäck neben der Tür ab und lass mich auf  das große Doppelbett fallten. Die Matratze senkt sich einen Moment als Paddy mit Anlauf neben mich springt.
"Der Betttest", grinst er.
Ich muss lachen. Manchmal ist er wie so ein kleines Kind, was ich ziemlich erfrischend finde.
Schließlich beugt er sich über mich um mich zu küssen. Irgendwie bin ich erleichtert, dass er sich jetzt nicht von mir distanziert.
"Wir müssen reden", fordere ich ihn auf. 
"Ja, du hast Recht", stimmt er mir zu.
Schnell streife ich meine Schuhe ab um es mir auf Bett bequem zu machen.
Paddy verschwindet im angrenzenden Bad bevor er sich wieder zu mir gesellt. Einen Moment schweigen wir beide.
Plötzlich versuchen wir gleichzeitig zu starten,was  natürlich nicht funktioniert , was mich allerdings zum lachen bringt , genau wie ihn der herzhaft losprustet was die Stimmung insgesamt anhebt.
"Also mein kleiner Sturkopf", sagt er neckisch, "was geht in deinem hübschen Kopf vor sich?"
"Ich bin verwirrt. Warum mussten wir so Hals über Kopf verschwinden?"
"Wir hätten nicht von jetzt auf gleich verschwinden müssen, ich hatte jetzt keine Angst , dass uns ein Serienmörder auflauert. Aber mein Privatleben ist mir heilig. Früher konnte ich keinen Schritt mehr ohne Bodyguard machen. Deswegen bin ich, was das Thema angeht, sehr empfindlich, ich will mich und meine Lieben schützen."
"Oh okay, das macht Sinn. Aber unsere Flucht löscht das Bild jetzt auch nicht aus dem Netz. Naja zumindest entstehen so auch keine Neuen:" sage ich nachdenklich.
"Einmal im Netz, immer im Netz! Aber mein Team bemüht sich um Schadenzbegrenzung. Das Internet ist eben Fluch und Segen zugleich."
"Wie wird diese Schadensbegrenzung aussehen? Meinst du, die Leute werden mich irgendwann identifizieren?"
"Ich würde das gerne verneinen, aber es gibt solche hardcore Fans die sich anscheinend mit nichts anderem beschäftigen als mit meinem Leben. Ich weiß nicht wie aber sie scheinen alles rauszubekommen."
Ein Seufzer entfährt mir. "Also sollte ich damit rechnen dieses Foto eines Tages auf der Titelseite der Bild zu sehen mit der Headline >MPK: Mit der Fanaffaire setzt er Ehe aufs Spiel< "
"Glaube für das Titelblatt bin ich nicht mehr gefragt genug", versucht er mich zu beruhigen.
Leider kann ich darauf nur mit einem müden Lächeln antworten.
"Und was ist mit meinem Handy? Darf ich das jetzt gar nicht mehr haben?
Er guckt mir in die Augen und sagt ehrlich: "es tut mir Leid, wollte dich nicht bevormunden, aber du hättest dir die Kommentare durchgelesen. Sowas sollte man sich echt nicht antun und schon gar nicht zu Herzen nehmen."
"Eigentlich möchte ich aber gerne wissen was die Leute über mich schreiben. Ausserdem würde ich gerne mein Titelbild ändern."
"Ja das habe ich befürchtet." Paddy fingert mein Handy aus seiner Hosentasche und hält es mir hin während er fragt: "Warum willst du dein Bild ändern?"
"Es ist ein Foto von Lou's und meiner Hand auf dem man unsere Tattoos sieht." Zögerlich nehme ich mein Telefon während ich über seine Worte nachdenke. Nervös tippe ich dennoch auf das blaue Facebooksymbol, wobei Paddy mir über die Schulter guckt. Sofort änder ich mein Titelbild , genau wie mein Profilbild, sodass ich gar nicht mehr zu sehen bin. Kurz darauf checke ich die Privatsphäreeinstellungen, allerdings muss ich daran nichts ändern da ich schon vorher sehr vorsichtig gewesen bin was das Internet angeht.

"Meinst du es waren die Mädels aus der Bar, die uns aufgelauert haben?", frag ich ihn nach seiner Meinung.
"Kann ich mir schon vorstellen. Eigentlich erkennt man mich in dem Teil Spaniens nicht unbedingt. Zumindest wurde ich dort bislang noch nie angesprochen oder beobachtet."
"Die sah eigentlich ganz friedlich aus", stelle ich fest, " was hast du nur für Fans?"
"Tja, es gibt Fans und Fans. Der größte Teil ist wirklich toll aber in letzter Zeit wächst die Fangemeinde kontinuirlich, damit leider auch solche die vor nichts halt machen."
"Kommst du gut damit klar?", will ich wissen.
"Naja ich habe einen Weg gefunden damit klarzukommen wie zum Beispiel öfter mal ne Auszeit nehmen oder Privates einfach Privat zu halten. Jede Medaille hat halt zwei Seiten. Ich liebe es auf der Bühne zu stehen und das ist eben die Kehrseite."

Ich beuge mich zu ihm rüber um ihn zu küssen. Meiner Meinung nach könnten wir den ganzen Tag hier im Bett liegen bleiben und knutschen. Doch nachdem unsere Zungen sich vorsichtig begegnet sind weiche ich ein Stück zurück.
"Herr Kelly, ich habe hunger." Daraufhin kommt er mir näher, saugt an meinem Hals. "Ich auch, könnte dich jetzt gleich vernaschen", versucht er mit besonders verführerischer Stimme zu sagen. 
"Tut mir Leid, aber ich habe gelernt , dass man den Nachtisch nicht vor dem Hauptgang essen darf."
"Oh, dann lass uns mal schnell zusehen, dass wir eine Hauptspeise bekommen. Sollen wir unten ins Restaurant gehen oder uns lieber was aufs Zimmer bestellen?"
"Zimmer", kommt es aus mir geschossen.
"Okay, aber nicht , dass du jetzt zum Stubenhocker mutierst." , grinst er frech.
"Bestimmt nicht. Aber im Moment bin ich ganz gerne mal ohne Menschen mit dir zusammen"
"Ist das jetzt irgendeine Anspielung?"

Flüchtig drücke ich ihm einen Kuss auf bevor ich mich aus dem Bett kämpfe um im Bad zu verschwinden. Auf dem Weg schmeiße ich ihm noch ein "Vielleicht" entgegen. Es machrt mir spaß ihn zu provozieren und insgeheim hoffe ich , dass er nacher die Initiative ergreift. Auch wenn ich die Emanzipiertheit in Person bin habe ich in den letzten Tagen über mich lernen können , dass es mich schon etwas anmacht, wenn betttechnisch sein Machogehabe zum Vorschein kommt.

Das Badezimmer ist genau so edel und stilvoll eingerichtet wie der Rest der kleinen Suite. Es sieht alles so teuer aus, dass ich mich schon fast fürchte irgendwas zu berühren. Mein Blick schweift durch den riesigen Raum indem man auch tanzen könnte. Später kann ich mich entscheiden ob ich ein Bad oder eine Dusche nehme denn es ist alles vorhanden.  Als ich mich im Spiegel betrachte, zucke ich zusammen. "Oh, mein Gott",  mit so einem Anblick habe ich nicht gerechnet. Irgendwie sehe ich fertig aus. Augenränder verzieren meine Augen, viele Rötungen übersäen mein ganzes Gesicht sowie meinen Hals und mein Dekoltee. Kein Wunder , dass Paddy sich schnell vom Roomservice überzeugen lassen hat, so müssen wir wenigstens nicht unter Leute die meinen Anblick ertragen müssen.
Den Wasserstrahl stelle ich auf Kalt. Meine Hände forme ich zu einer Schale, sammel das kühle Nass bevor ich es mir ins Gesicht schlage. "Gut, jetzt bin ich wenigstens gleichmäßig rot", stelle ich fest als ich mein Gesicht nach dem Abtrocknen nochmal betrachte.

"Ich hoffe du magst Spaghetti", brüllt der Herr Richtung Bad als ich grade die Tür öffne.
Mindestens genau so laut brülle ich zurück, dass ich sie liebe.  Aus seinen Augen sprühen mir Blitze entgegen, was ziemlich heiß aussieht wenn er seine Augen leicht zusammenkneift, teilweise von Haarsträhnen überdeckt sind , sodass man das tifblau nur gelegentlich durchschimmern sieht.
"Ganz schön frech, young Lady!"
"Oh", entfährt es mir etepete  wobei ich eine Hand sarkastisch vor den Mund halte und meine Hüfte nach rechts stemme 'a la Marilyn Monroe' , um ihm zu zeigen wieviel Angst ich jetzt vor ihm habe. Nämlich gar keine.
Anschließend muss ich über mich selber lachen . Auch ihn scheint es zu amüsieren, denn er hält sich vor lachen den Bauch.



There is hopeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt