Überraschungsbesuch

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"Hi",begrüße ich ihn, "komm rein."
Er grinst charmant bevor er ein : "hey" , herausbringt und die Tür von innen schließt.
"Lass uns auf den Balkon gehen", schlage ich vor und frage ob er auch ein Bier trinken möchte. Er sieht sich im Wohnzimmer um während ich in der Küche verschwinde um zwei kalte Bier aus dem Kühlschrank zu holen. Mein Gefühlsmix lässt vermuten was innerlich abgeht, meine "ich's" scheinen um die Anwesenheit zu kämpfen. Was macht dieses 'Herz-ich' mit mir. Schnell Befehle ich dem 'harten-ich' das Kommando zu übernehmen und atme tief durch.
Mit den beiden Bierflaschen bewaffnet laufe ich durch das Wohnzimmer zur geöffneten Balkontür. Paddy sieht sich grade das große Foto an der Wand an.
Das Wetter ist herrlich, 28°C und ein leichter Wind, sodass man es draußen gut aushalten kann. Ich streife meine Schuhe ab und hocke mich auf das, über Eck gebaute "Palettensofa", welches mit vielen Kissen in verschiedenen Farben und Größen, bestückt ist. Während ich es mir bequem mache, kommt er dazu und setzt sich rechts von mir auf die andere Längsseite. "Cheers", hält er mir sein Bier entgegen. "Prost", sage ich, als die Flaschen aneinander klirren, " mach es dir bequem."
"Wir hatten ja nicht so einen grandiosen Start, vielleicht sollten wir nochmal ganz von vorne beginnen?", schlägt er vor, " Ich bin Michael Patrick, kannst mich aber gerne weiter Paddy nennen." Er grinst und seine Augen glänzen. Lachend strecke ich ihm die Hand entgegen.
" Angenehm, ich bin Matilda, kannst mich aber gerne Tilda nennen", imitiere ich ihn. Sein grinsen wird größer: " Ganz schön frech die Dame." Er entdeckt das Fotobuch das ich schon vorher auf dem kleinen Tisch abgelegt habe um ihm Bilder von Lou zu zeigen. "Darf ich?" fragt er vorsichtig. Ich stimme zu und rutsche ein bisschen mehr zu ihm rüber, um mitgucken zu können. Ein kleiner, kurzer Schauer überkommt mich. Da ich dieses komische Gefühl nicht zuordnen kann, tue ich es gleich wieder ab, um mich den Bildern zu widmen. Er sieht sich die erste Seite, an auf der die Worte 'True love never ends' abgedruckt sind, an, worunter sich ein Bild von Lou und mir befindet. "Das ist sie", sage ich leise. Er betrachtet das Foto eine Weile bevor er feststellt: " Sie sieht sehr glücklich aus."
"Ja,das war sie meistens", gebe ich zurück und fange langsam an von ihr zu erzählen. Paddy hört mir aufmerksam zu, unterbricht mich nicht. Sitzt einfach nur da. Zwischendurch muss ich echt schlucken aber ich habe mich heute ziemlich gut im Griff, sodass Gefühlsausbrüche das Gespräch nicht übermäßig dramatisiert haben.
Nach dem ich einmal im Bad verschwunden bin und ich zwei neue Bier aus der Küche mitgebracht habe, holt sein Blick mich ab als ich auf den Balkon trete. Sofort fühle ich mich wieder sicher und lasse mich in die Kissen fallen. "Du vermisst sie sehr, kann das sein?" , flüstert er leise. Diesmal kann ich nicht sprechen, nicke nur und schlage meine Hände ins Gesicht um meine Tränen zu verbergen. "Sorry", murmel ich,
" eigentlich habe ich geplant diesmal nicht zu heulen." Vorsichtig nimmt er meine Hände aus dem Gesicht und hält sie sanft in seinen. "Feel
free to cry."
Einen Moment brauche ich um mich wieder zu fangen. Es fühlt sich gut an, dass jemand meine Hände hält. Vielleicht fühlt es sich aber auch nur gut an weil er sie hält? Er blickt mir tief in die Augen: "Es tut mir wirklich leid, das ich zu spät bin."
Ich nicke zustimmend: " Mir auch! Es ist einfach nicht fair, sie ist ..war viel zu jung. Danke, dass du dir das alles anhörst."
Ich bemerke wie er sich zu mir vorbeugt um mich in den Arm zu nehmen.
"Das mache ich wirklich gerne," versichert er mir. Kurze Zeit genieße ich es festgehalten zu werden, bis mich ein lautes Klopfen an der Wohnungstür zusammenschrecken lässt. Paddy lässt mich los. " Na?! Nächtlicher Besuch? ", fragt er um die Stimmung aufzulockern.
Schulterzuckend verdrehe ich die Augen als ich mich auf den Weg zur Tür mache. "Tim, bist du das?", will ich wissen. Doch es kommt keine verbale Antwort, sondern nur ein erneutes Klopfen. Mutig öffne ich die Tür, Paddys Anwesenheit lässt mich Stärke fühlen sodass ich auch nicht weiter drüber nachdenke, nicht auf zu machen. Hastig setzt Tim einen Fuß in die Wohnung, sodass ich keine Chance habe die Tür schnell wieder zu schließen. "Was willst du hier?", frage ich flüsternd. "Warum so leise Prinzessin?"
Er kommt auf mich zu und hält mich an den Handgelenken fest. "Tim, du bist betrunken, lass mich sofort los!", forderte ich immer noch mit gedämpfter Stimme auf. Sein Griff legt sich fester um meine Arme.
"Hör auf, du tust mir weh." Schreie ich ihn diesmal schon fast an. "Du kommst jetzt mit mir nach Hause!" "Nen Scheiß werde ich!" , gifte ich ihn an und versuche mich freizuschlagen. Sein lachen verstummt als er hinter sich plötzlich eine Stimme wahrnimmt die im festen Ton zu ihm sagt:" Lass sie sofort los!" Damit hat er nicht gerechnet und lässt reflexartig von mir ab. "Dein neuer Stecher ?", fragt er während er sich umdreht und sich vor Paddy aufbäumt.
Jetzt stehen die beiden voreinander, Tim mit seinen 1 Meter 85, ein ganzes Stück größer als Paddy. Hoffentlich eskaliert das hier jetzt nicht. "Tim, verpiss dich einfach", sage ich während ich seinen Arm greife um ihn Richtung Tür zu ziehen, welchen er aber impulsiv und ohne Probleme aus meinem Griff befreit. Er schaut zornig zu mir rüber, packt mich am Arm " Du kommst mit", zischt er während er mich Richtung Tür schubst. Paddy mischt sich erneut ein:" Was für ein armseliger Kerl musst du sein um Gewalt an einer Frau zu üben?"
Tim geht wieder auf Paddy zu. Mit dem Zeigefinger tippt er auf seine Brust. "Wir werden schon sehen wer den kürzeren zieht.", provoziert er Paddy.
Plötzlich werde ich wieder gepackt, diesmal an der Hand. Ich merke sofort, dass es nicht Tims Hand ist die mich zu ihm zieht und in den Arm nimmt. "Ich sicherlich nicht", gibt Paddy siegessicher zu verstehen während seine Augen strahlen. Tim gibt auf, öffnet die Tür während er triumphierend lacht : " Freu dich nicht zu früh, Kleiner ". Dann ist er weg.

There is hopeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt