der befürchtete Anruf

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Langsam laufe ich die Allee entlang die im sanften Licht der Straßenlaternen getaucht ist. Vereinzelt ertönt ein Motorengeräusch, ansonsten sieht man keine Menschenseele. Hier in dem kleinen Ort werden um 20:00 Uhr die Bürgersteige hochgeklappt. Eigentlich würde ich mich hier auch nicht mehr alleine rumtreiben da ich Angst vor der Dunkelheit habe, welches ein Kapitel in meinem Leben beschreibt, dem ich grade keine Aufmerksamkeit schenke. Nach einigen Metern biege ich rechts in eine kleine Seitenstraße ein. Nur noch ein paar Meter bis ich das Haus erreiche in dem Lou wohnt. Ich krame ihren Schlüssel,der seitdem sie dort eingezogen ist an meinen Schlüsselbund hängt, aus meiner Jackentasche und verschaffe mir Zugang zu ihrer Wohnung. Lou ist die weltbeste Schlüsselverlegerin, was in den Jahren auf mich abgefärbt hat,sodass wir beide einen Zweitschlüssel des anderen haben. Sofort ziehe ich meine Schuhe aus und hänge meine Jacke an die Garderobe. Es ist ein merkwürdiges Gefühl hier bei ihr, ohne sie zu sein. Ich begebe mich in ihr Wohnzimmer indem ihre Blumen auf der Fensterbank traurig ihre Köpfe hängen lassen. "Euch geht es wohl wie mir.", flüster ich ihnen zu. Ich laufe in die Küche und hole etwas Wasser um sie ein bisschen aufzumuntern. Aus meiner Hosentasche finger ich mein Handy. 5 verpasste Anrufe und 12 Whatsapp Nachrichten. Nervös gucke ich nach wer mich versucht hat anzurufen, immer mit der Angst, es könnte das Krankenhaus gewesen sein. Zum Glück erscheint nur Tims Name auf dem Display. Schnell schalte ich mein Handy auf laut um keinen wichtigen Anruf zu verpassen und schmeiße es auf das kleine gemütliche,weiße Sofa. Nachdem ich meine graue Schlabberhose und ein schwarzes Nike T-Shirt von Tim aus meinem Rucksack gekramt habe, ziehe ich mich um und laufe in die Küche um den Wasserkocher einzuschalten. Rechts neben der Spülmaschine öffne ich die zweite Schublade der weißen Hochglanzküche, in der Lou ihren geliebten Teevorrat verstaut und ziehe einen Beutel ihres Lieblibgstees ' heiße Liebe ' hervor. Dabei betrachte ich die Fotocollage die ich ihr zum 18ten Geburtstag schenkte. 18 Fotos von uns. Ein Foto aus jedem Lebensjahr unserer wunderbaren Freundschaft. Das klicken des Wasserkochers befördert mich unsanft zurück, aus meinen Gedanken, in die Realität. Ich befülle die Tasse mit dem kochenden Wasser, schnappe sie mir und gehe zurück ins Wohnzimmer um mich auf dem Sofa niederzulassen. Jetzt greife ich nach meinem Handy um mir die Nachrichten anzusehen. Beim Lesen werden meine Augen so schwer , dass mein Versuch sie aufzuhalten fehlschlägt und einfach zufallen. Ein grelles Geräusch lässt mich aufschrecken. Wo ist mein Handy? Als ich es hektisch versuche zu finden stoße ich versehentlich den mitlerweile kalt gewordenen Tee um, der sich noch zur Hälfte in meiner Tasse befand."Scheiße!", murmel ich, suche aber weiter nach dem Telefon was ich auf dem Boden finde. Schon wieder Tim. Ich drücke das Telefonat weg um ihm klar zu machen, dass ich nicht mit ihm reden möchte. Auch wenn ich ihn vermisse. Ich wünschte er wäre hier um mich einfach nur in den Arm zu nehmen. Ich ziehe das T-Shirt über meine Nase und atme seinen Duft tief ein . Nun eile ich in die Küche und suche ein Tuch um den verschütteten Tee aufzuwischen. Danach fällt mein Blick auf ein großes beklebtes Buch das ich gegenüber der Couch in dem Regal erblicke. Ich fische es es zwischen den anderen Büchern hervor und nehme es mit auf das Sofa. Ich zünde die Vanilleduftkerze an, die sich auf dem kleinen weißen Wohnzimmertisch befindet und lege mich bäuchlings hin. Ein kleines Lächeln huscht über mein Gesicht als ich das Buch aufschlage. Lou und mein Briefbuch. Wie ein Tagebuch nur für uns beide. Gedanken, Gefühle und Erlebnisse teilen wir hier miteinander. Ich kann gar nicht sagen wieviele Bücher wir schon vollgeschrieben haben. In der 5ten Klasse des Gymnasiums haben wir damit angefangen und führen das bis heute so fort. Vorsichtig blätter ich die Seiten durch um mir die lustigen Zeichnungen,Sprüche und Schnappschüsse anzusehen die das Buch verzieren. Ich schwelge in Erinnerungen und lasse einige Erlebnisse Revue passieren. Seite für Seite arbeite ich mich vor. "Mein Sonnenschein" , Headline der folgenden Seiten die ich noch nicht gelesen habe. Mein Blick entdeckt das Datum: 24. Januar 2018. Ich schlage das Buch zu, denn die ersten Worte verraten mir, dass ich diesen Text nun nicht lesen sollte. Die Worte: wie verabschiedet man sich? hallen in meinem Kopf nach. Plötzlich ertönt die Klingel und ich zucke zusammen. Wer kommt bitte auf die Idee nachts um zwei bei Lou aufzuschlagen? Schleichend mache ich mich auf den Weg zur Haustür und überlege ob ich sie wirklich öffnen sollte. Zögerlich drücke ich einen kleinen Knopf der mit einem Summen dafür verantwortlich ist, dass sich die Haustür aufdrücken lässt. Behutsam drücke ich die Klinke herunter und schiele zwischen dem Türspalt hindurch als ich Tims Stimme höre der mich bittet ihn reinzulassen. Ich öffne die Tür und schaue ihn mit großen Augen an. "Da ist ja mein Lieblingsshirt", bringt er mir vorsichtig mit einem unsicherem Lächeln entgegen. Er kommt auf mich zu nimmt mich in den Arm und haucht mir einen Kuss auf die Stirn. Plötzlich bricht es aus mir heraus, ich lasse mich fallen und sacke tränenüberströmt in seinen Armen zusammen. Kurzerhand hebt er mich hoch auf seinen Arm und trägt mich zum Sofa. Ich sitze auf seinem Schoß und vergrabe mein Gesicht in seiner Schulter. Behutsam streichelt er über meinen Rücken. Mein Schluchzen wird leiser und es stellt sich ein langsamer,tiefer, gleichmäßiger Atemrhythmus ein, der Tim signalisiert , dass ich ins Land der Träume abgedriftet bin. Mit der rechten Hand greift er die flauschige Wolldecke, legt sie über meinen Rücken und schließt ebenfalls die Augen ohne den Versuch zu starten mich auf das Sofa zu legen.

Mein Telefon klingelt und ich schrecke auf. Als ich nach dem Handy greife merke ich , dass es nicht meins ist welches ich grade in der Hand halte. Es blinkt auf und ich sehe eine Nachricht von Luisa. "Wer zur Hölle ist Luisa?" Ich entsperre das Handy und öffne die Nachricht. Es schnürt mir den Atem ab.Kurz überfliege ivh den Chatverlauf bevor ich sein handy auf das Sofa pfeffer und mich hastig von seinem Schoß kämpfe. Eilig suche ich nach meinem Handy dass grade zu klingeln aufgehört hat. Als ich es in den Händen halte nehme ich zitternd wahr, dass Susanna versucht hat mich zu erreichen. Mein Herz rast als ich die Wahlwiederholungstaste antippe und das Tuten in der Leitung ertönt. Es dauert nicht lange bis sich eine weinende Stimme meldet:"Tilda kannst du kommen?". "Ich bin auf dem Weg.", bekomme ich noch raus bevor ich hastig in meine Schuhe schlüpfe und meine Jacke überwerfe. Beim Rausgehen schnappe ich mir meine kleine Tasche die ich auf der Kommode im Flur abgestellt hatte. Ich stolper die Treppe runter und renne zurück nach Hause wo mein kleines blaues Auto vor der Tür auf mich wartet. Schnell setze ich mich hinter das Steuer und krame mein Handy hervor um eine Sprachnachricht an den, wahrscheinlich immer noch schlafenden, Tim zu senden. "Wenn ich wiederkomme bist du hoffentlich verschwunden. Das war es zwischen uns!"
Ich lasse das Auto an und fahre los.

There is hopeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt