ausgelassene Stimmung

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"Tilda" höre ich eine Stimme. Ich drehe mich um, um mich der Stimme zu zuwenden. Reflexartig schnellt meine rechte Hand nach oben um das Handtuch zu fangen was gradewegs auf mich zugeflattert kommt. Dann entdecke ich einen grinsenden Gentleman "Gute Reflexe" lobt er mich. Ich bringe ein leises "Danke" hervor und lege mir das Handtuch über die Schultern. Er stellt sich neben mich und fragt ob ich eine gute Zeit hatte. Eifrig nicke ich "es hat echt Spaß gemacht". Immer wieder spüre ich Paddys Blicke auf mir , die er mir zuwirft während er sich unterhält. Ein Grinsen überkommt mich. "Woher kennt ihr euch?", will Gentleman jetzt wissen , dessen Blick zwischen mir und Paddy hin und her schweift. Tja jetzt stehe ich hier mit meinem kurzen Hemd. Tilda Mund tut Wahrheit kund. "Ich habe ihm ne PN bei Facebook geschrieben und daraufhin hat er mich besucht." Gentleman guckt verdutzt und fängt dann lauthals an zu lachen. " Ja ne ist klar." Kurz bin ich verwirrt. Ich lasse die Worte nochmal Revue passieren und merke wie bekloppt es sich anhört , lasse mich anstecken und steige in das Gelächter mit ein. Schnell wird Paddys Neugierde geweckt und er schleicht sich zu uns rüber. Er wirft uns fragende Blicke zu die wir allerdings momentan nicht fähig sind zu beantworten. Nach einem Moment der Eskalation japst Gentleman nach Luft und gibt sinngemäß meine Worte  wieder. Langsam beruhigen wir uns. Einen Augenblick waren wir etwas drüber aber es ist uns einfach überkommen. Das Thema des Kennenlernens wird zum Glück nicht mehr tiefer analysiert. "Wie lange bist du noch in Hamburg?", will Gentleman wissen. "Eigentlich geht es morgen zurück nach Bayern aber..." Die Worte brennen in meinen Ohren. Erst jetzt erinner ich mich daran, dass er mir erzählt hat Montag weiter zu müssen. Den Rest des Satzes bekomme ich nicht mit. Gedanken überschlagen sich. Fährt er zurück zu seiner Frau? Wann werde ich ihn Wiedersehen? Unbehagen macht sich in mir breit und mir entgleiten alle Gesichtszüge. "Alles gut bei dir?", reißt Gentleman mich aus meinen Gedanken. "Ähm ja, ja klar. Alles gut", versichere ich ihm."Paddy hebt eine Augenbraue und sieht mich eindringlich an. Ich versuche ein Lächeln auf meine Lippen zu beamen was , glaube ich, ziemlich bescheuert ausgesehen haben muss.
"Eine gute Schauspielerin wirst du in diesem Leben nicht", höre ich Paddy sagen. Wenn du wüsstest, geht es in meinem Kopf vor während ich ihn mit lieblichen Augen anklimper.
Gentleman beendet diese bizarre Situation und fragt ob wir noch was trinken gehen wollen? Ein Blick in Paddys Gesicht reicht aus um darin ablesen zu können , dass er eigentlich keinen richtigen Bock hat. Entgegen seiner Ansicht strahle ich Gentleman an und sage , dass ich schon Bock hätte. Kurzerhand willigt Paddy ein und ein wenig später finden wir uns um Taxi wieder. Mitlerweile ist es halb 12 und das Hamburger Nachtleben nimmt an Fahrt auf, auch wenn es sich um einen Sonntag handelt. Ich bin gespannt wo wir landen, ne Runde Reeperbahn ist ja für viele das Highlight in der Hansestadt. Plötzlich fällt mir wieder ein, dass das wahrscheinlich keine gute Idee isr, denn die beiden sind ja nicht ganz unbekannt. Während der Fahrt ärger ich mich schon über mich selber. Warum reagiere ich manchmal so wie ich reagiere? Warum bin ich manchmal so unbedacht und fühle mich gekränkt obwohl diese Aussage wahrscheinlich gar keine bösen Absichten hatte. Es sollte mir bestimmt lediglich zeigen, dass er mir nicht glaubt. Langsam löse ich meinen starren Blick aus der Autoscheibe und schaue zu ihm rüber. Paddy sitzt links neben mir wobei der Platz in der Mitte frei ist da Gentleman vorne sitzt. Unbemerkt greift er mit seiner rechten Hand nach meiner und drückt sie sanft als er bemerkt, dass ich mich ihm zugewendet habe. "Wie heißt der Laden?", fragt Gentleman und dreht sich zu uns um. Blitzschnell zieht er seine Hand weg und geht auf ihn ein. Als ich spitz kriege, dass die beiden vorhaben in meinen Laden abzusteigen pocht mein Herz wie wild. "Euer ernst?" frage ich völlig entgeistert. Paddy nickt stumpf " Du meintest doch , dass Lukas heute nicht da ist?" "Ja zumindest nicht um zu arbeiten", nuschel ich vor mir hin. Gedanklich sehe ich ihn schon vor dem Tresen hocken, denn gefühlt verbringt er jede freie Minute dort. Jeden Tag die gleiche Location, die gleichen Leute, die gleichen Gesprächsinhalte. Ich bin froh nicht ständig dort sein zu müssen.
"Wie bitte?", hakt Paddy nach. "Du hast recht", gebe ich nicht ganz wahrheitsgemäß zurück. Als das Auto am Seitenstreifen unseres Zielorts hält werde ich etwas nervös, aber schließlich habe ich ja heute zwei starke Begleiter, beruhige ich mich.
Selbstbewusst öffne ich die Tür und begrüße die Leutchen in dem Laden.
"OH Billard" , freut sich Gentleman. Zielstrebig steuert er den freien Tisch an. "Los Paddy, ich will mal eben gewinnen."
Paddy grinst: " Das werden wir ja sehen."
Ein junger Herr kommt auf uns zu und meint, dass sie noch ein Spiel drauf hätten und , dass sie danach eh vorhatten zu gehen.
"Perfekt" säuselt Gentleman siegesgewiss.
"Jungs was wollt ihr trinken? Bleiben wir bei Bier? Ich bekomme ein einstimmiges Nicken zurück.
Bis wir unser Bierchen bekommen bemerke ich eine Gruppe junger Mädels die an einem Tisch sitzen und tuscheln. Wär ich jetzt am arbeiten wär mir sicher ein frecher Spruch eingefallen. Nach der Bildpanne bevorzuge ich allerdings nun die Zurückhaltung und schenke ihnen keine weitere Aufmerksamkeit.
Mit unseren vollen Gläsern suchen wir uns ein freies Plätzchen , lassen uns nieder und quatschen ne Runde.  Paddy und Gentleman flaxen rum und erinnern sich an die SingmeinSong-Staffel, bei der sie sich kennengelernt haben. Da scheint ein dickes Band zwischen den Beiden entstanden zu sein. Es macht wirklich Spaß ihnen zu zuhören , da kann man fast neidisch werden nicht dabei gewesen zu sein. Nach einer Weile verschwindet Paddy auf der Toilette und verabschiedet sich kurzweilig, er müsse mal für kleine Rockstars. Kurz darauf fasst sich ein nett lächelndes Mädel ein Herz und kommt auf Gentleman zu und spricht ihn an. Schnell nutze ich die Gunst der Stunde "Bin auch mal grade für kleine Königskinder" und verschwinde in dem kleinen Flur zu den Toiletten. Timing ist alles. Grade als sich die Flurtür hinter mir schließt kommt Paddy aus der Herrentoilette. Ich steuer direkt auf ihn zu und meine Lippen treffen selbstbewusst auf seine. Er erwiedert den heftigen leidenschaftlichen Kuss. Nach ein paar Sekunden lasse ich vom ihm ab und setze meinen Weg unbeirrt in Richtung Damentoilette fort. Aus meinen Augenwinkeln kann ich sehen, dass er noch einen Moment wie angewurzelt stehen bleibt. Damit hat er wohl nicht gerechnet.
Als ich nach einer Weile wieder zurückkomme sind die beiden Herren an einen Stehtisch neben dem Billardtisch umgezogen.  "Du bist in meinem Team", sagt Paddy grade als Gentleman den ersten Stoß gibt um die Kugeln auseinander zu hauen. "Oh Paddy, ob das eine gute Idee ist", degradiere ich mich grade selbst zur absoluten Billardniete. In Wirklichkeit bin ich gar nicht so schlecht darin aber mit siegessicheren Mädels können die Kerle ja meist nicht umgehen. Ich lasse sie lieber in dem Glauben mir noch richtig was beibringen zu können. Paddy entscheidet sich für die halben Kugeln und es gelingt ihm die Erste einzulochen. "It's your turn, Tilda" Ohne dass ich überhaupt gefragt habe gibt er mir den Rat die grüne Kugel zu nehmen. Ich nicke während er mir seinen Queue gibt. In Windeseile steht er hinter mir zeigt mir, wie ich den Queue richtig halten soll.Dabei kommt er mir gefährlich nah. Sein Atem streift meinen Nacken, kurz zucke ich zusammen.Natürlich komme ich seiner bitte nach und konzentriere mich auf den Tisch. Rücke die weiße Kugel ein Stück von der Bande weg, setze an, ziele, und versenke die Kugel sicher. Gentleman gröhlt :"Wuhuuu Anfängerglück". Jetzt ist Paddy an der Reihe. Bei dem Versuch trifft er die weiße nicht richtig und gibt demzufolge an Gentleman ab. "Jetzt zeige ich euch mal wie man das macht."  Tatsächlich versenkt er vier Kugeln hintereinander, die fünfte ist dann eine Halbe für uns."Vielen Dank"
"Damit ihr eine Chance habt", zwinkert er mir zu. Na warte.
Mir gelingt es alle Kugeln bis auf eine zu versenken. Die Jungs gucken nicht schlecht als sie den aufgeräumten Tisch begutachten. "Das war gegen die Spielregeln, junge Dame! Du hättest mit Paddy abwechseln müssen"
"Hat da jemand Angst zu verlieren?" ziehe ich Gentleman auf. Den Rest des Spiels halte ich mich zurück und amüsiere mich über die beiden. Als Paddy auf der anderen Seite steht und sich hochkonzentriert über den Tisch beugt funkeln seine Augen zwischen seinen Haarsträhnen hervor. Wie gerne würde ich ihn jetzt küssen. "Mund zu, Milch wird sauer" ertönt Gentlemans Stimme dicht neben meinem Ohr was mich zusammenzucken lässt. Hitze steigt in mir auf und ich merke wie mir die Röte ins Gesicht steigt.  Schnell entzieh ich mich der unangenehmen Situation und laufe hinter den Tresen  um uns neben einem weiteren Bier einen Orgasmus einzuschenken. Einen Schnaps des Hauses. Man befülle ein Pinnchen dreiviertel mit Apfelkorn, gieße einen Schluck Baileys hinzu (der verklumpt in dem Getränk und sieht wie ein Gehirn aus) und zum Abschluss lasse man noch einen Spritzer Grenadine ins Glas um das ganze noch etwas ekliger zu gestalten. Mit meinem Tablett geht es wieder zurück.
"Du hast es nicht tatsächlich noch geschafft zu verlieren? "
"Ich wollte nicht, dass er anfängt zu weinen" und deutet auf seinen Kumpel. "Gnädiger Paddy", lache ich.

Wir heben die Gläser und stoßen auf den netten Abend an. Gentleman schüttelt sich nachdem er das Zeug runtergeschluckt hat " Ist ja widerlich"
Paddy sitzt neben mir auf einem Hocker. Meine Hand liegt unbemerkt auf seinem Oberschenkel und schiebt sich kaum merklich Zentimeter für Zentimeter nach oben. Nervös rutscht er auf seinem Hocker hin und her und beisst sich auf die Unterlippe. Die Kneipe ist in ein schummriges Licht getaucht wodurch eine wohlige Atmosphäre herrscht. Als "Twist and Shout" aus der Musikbox erklingt springt Paddy auf und entzieht sich so meinen Berührungen. Er versucht einen Rock'n'Roll zum Besten zu geben. Gentleman schließt sich dem schnell an und einen Moment beobachte sie , wie sie ihre Arme und Beine im Takt der Musik hin und her schleudern. Die Stimmung ist ausgelassen und auch ich lasse mich hinreißen mein Tanzbein zu schwingen. Lachend geben wir uns dem Rhytmus hin bis die sich die Tür öffnet.

There is hopeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt