Orientierungslos

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Es summt und Paddy drückt die Tür auf. Wir laufen einen dunklen Flur entlang bevor wir rechts abbiegen um die Kellertreppe zu erreichen. Eine schmale steile Treppe, die Wände aus Stein und lediglich eine kleine Glühbirne die ein schummriges, ja schon fast gruseliges Licht zaubert. "Schön hier" , scherze ich. Paddy der vor mir läuft, dreht sich zu mir um, grinst und spricht belehrend : " Du solltest dich nicht so auf die Äußerlichkeiten konzentrieren"
Am Ende der Treppe angekommen klopft er gegen eine kleine weiße Tür, die umgehend geöffnet wird.
Musik tönt in meinen Ohren, die Wände mit alten Postern bekleidet, bunte Lichterketten schmücken den Raum. Links befindet sich eine kleine Theke wie man sie aus einem Partykeller kennt. Davor stehen zwei Typen, einer davon kommt direkt auf uns zu und begrüßt Paddy mit einer Umarmung. " Mr. Kelly, was eine Überraschung, du auch mal wieder im Lande?".
" Hi Alex ", begrüßt er ihn freudig, " das ist Tilda." Stellt er mich ihm vor, woraufhin Alex  mich ebenso in den Arm nimmt. "Schön, dass du hier bist", heißt er mich wilkommen.
Rechts stehen alte Sessel, ein riesiges Sofa auf denen einige Leute sitzen und auf einen großen Fernseher starren, der den Liedtext des aktuellen Songs aufzeigt. Ein Mädel hat ein Mikrofon in der Hand und  wartet auf ihren Einsatz bevor sie aus voller Kehle 'Because of you' von Kelly Clarkson singt. Dabei wird sie von der Sofacrew lautstark unterstützt. In dem  großen Raum findet man ausserdem einen Tisch an denen 3 Leute sitzen und ein Spiel spielen und 3 Stehtische an denen ebenfalls gelacht und gesungen wird. Hinten rechts im Raum liegt eine Matratze in einer kleinen Nische, vor der ein bodenlanger Vorhang hängt welcher aber nicht zugezogen ist, sodass ich einen Blick erhasche und sehe dass dort ein Kerl liegt und schläft. Die kleine Höhle ist in das Licht einer kleinen roten Herzlichterkette getaucht.

"Bier oder Sekt?", fragt mich Alex. "Bier", antwortet meine Begleitung für mich. "Das ging aber schnell, dass ich  meine Entscheidung nicht mehr selber treffen darf, Unterdrückung!", protestiere ich merklich gespielt. Paddy grinst mich mit seinen funkelnden blauen Augen an während er seine Bierflasche in meine Richtung hält. Wir stoßen an. "Ich habe gehört, dass du ganz gerne mal Karaoke singst."
"Wer erzählt denn sowas?", will ich wissen.
"Ich habe es aufgeschnappt als du mit deinem Freund in der Bar gesprochen hast."
"Es ist nicht mein Freund", schießt es aus mir heraus. Oh man Tilda, rügt mich mein 'hartes-Ich'.
"Ähm ja", stammel ich, " Privat machen wir ganz gerne mal ne Karaokeparty aber meine Stimme ist leider nicht Öffentlichkeitstauglich."
Er sieht mich verschmitzt durch seine ins gesichtfallenden Haarsträhnen an :" Dann passt das ja, hier ist es sehr Privat ."  "Hier tummeln sich bestimmt um die 25 Leute."
Plötzlich wird unter Gespräch gestört. Das singende weibliche Geschöpf hat Paddy erblickt, rast auf ihn zu und springt ihm in die Arme. "Hello Dreamboy", bringt sie mit einem quieksen hervor und drückt ihm einen dicken Schmatzer auf die Wange. "Hallo Sandy", bringt er unsicher hervor während seine Augen meinen Blick suchen. Ich merke wie ich sauer werde. Unglaublich . Das darf doch wohl nicht wahr sein. Was ist nur los mit mir?! Schnell genehmige ich mir einen großen Schluck meines Biers. "Das ist Tilda" , stellt er mich ihr vor. Sie dreht sich zu mir und nickt mir zu bevor sie sich wieder ganz Paddy widmet. Glücklicherweise schiebt er Sandy zur Seite und kommt ein Stück näher zu mir. "Young Ladie ? Welches Lied darf es denn nun sein?"
"Ähm, ich denke Keins". Hier in dieser Räumlichkeit sind ungefähr 25 Leute vor denen ich mich echt nicht zum Affen machen will. Wär Lou hier wär das anders. Mir wär es egal was andere denken, aber so alleine ist es so als hätte sie die Hälfte meines Selbstbewusstseins mit in den Himmel genommen.
"Let's do it together", ermutigt er mich. Dann kann ich wenigstens nur so tun als ob ich singen würde. "Okay, Spice Girls- wannabe, und vorher einen Tequila!", gebe ich meine Anforderungen souverän bekannt, in der Hoffnung, dass er den Schwanz einzieht.
Er geht hinter die Bar,  kramt zwei Pinnchen hervor und gießt Tequila hinein:" Zitrone ist aus", grinst er mich frech an und reicht mir eins der kleinen Gläser. Als der Tequila meine Kehle runterrinnt überkommt mich ein wärmendes Gefühl.
"Bereit?" Ich nicke zaghaft. Er macht uns zwei Mikros klar, nachdem er dem Typen am Laptop unsere Liedauswahl mitgeteilt hat. Zu meinem Glück zeigt der Alkohol so langsam seine Wirkung und ich bin etwas ungehemmter.
Anfänglich erklingt nur eine kleine zaghafte Stimme aus den Boxen die neben Paddys Gesang kaum zu hören ist. Doch im Laufe des Lieds komm ich aus mir raus und gebe alles, wahrscheinlich nicht zuletzt weil Paddys Stimme mir Sicherheit gibt. Trotzdem bin ich froh, als der Song vorbei ist. Er nimmt mich flüchtig in den Arm und flüstert:"great job, das nächste machst du alleine."
"Klar,kein Ding", äußer ich gespielt großkotzig. 
Alex kommt mit der Flasche Tequila auf uns zu.

Mein Schädel brummt. Vorsichtig öffne ich die Augen welche ein helles Licht hinter den Lidern erahnen.
Unsicher mustere ich die Umgebung. Weiße hohe Wände,  ein großer messingfarbener Kronleuchter der unter der Decke hängt. Ich liege in einem riesigen Boxspringbett. Mein Körper ist in eine leichte Decke die in einen weißen Seidenbezug gehüllt ist, gewickelt. An der wand gegenüber entdecke ich einen überdimensionalen Fernseher und bodenlange Vorgänge tanzen im Wind der geöffneten Fenster. Langsam setze ich mich auf wobei ich meinen pochenden Kopf mit meiner rechten Hand stütze. Mit der linken Hand schiebe ich die Decke an die Seite um aufstehen zu können. Als ich endlich vor dem Bett stehe, was der Anstrengung eines Marathons glich, schnellen meine Arme blitzschnell Richtung Decke um sie hastig um mich zu wickeln als ich bemerke, dass ich nur in Unterwäsche dastand. Meine Gedanken versuchen vergebens den gestrigen Abend zu rekonstruieren. "Scheiße" fluche ich verzweifelt. In die Decke gehüllt sehe ich mich nochmals in dem großen Raum um aber ich kann trotz aller Anstrengung nicht ausmachen wo ich bin. Ich schreite zu der langen Fenszerfront und schiebe die Vorgänge zur Seite. Auf jedenfall befinde ich mich ganz weit oben, denn ich kann gefühlt über ganz Hamburg gucken. Für die Decke ist es einfach zu warm und da ich weit und breit niemanden sehen kann, werfe ich die Decke schwungvoll auf das Bett.  Dabei bleibt mein Blick am Nachttisch hängen. Darauf steht eine Flasche Wasser, eine Packung Ibuprofen 400 mg und ein Zettel mit der Botschaft  'die wirst du brauchen'.
Ich drücke zwei Tabletten aus dem Blister und spüle sie mit einem großen Schluck Wasser herunter. Jetzt erkundige ich das Zimmer auf der Suche nach meinen Klamotten. Es gibt zwei Türen. Nachdem ich die erste öffnete und in einen großen Flur blickte, indem sich noch etliche dieser Türen befanden schlug ich sie hastig wieder zu. Die ganze Zeit frage ich mich in welchem Hotel ich mich befinde, wie ich dorthin kam und vor allem von wem diese Nachricht ist und warum ich nur noch Unterwäsche anhabe. Wie erwartet befindet sich hinter der anderen Tür ein Badezimmer. Den Wasserhahn stelle ich auf ganz kalt, forme mit meinen Händen eine Schale und schmeiße mir das kühle Wasser ins Gesicht. Ein Blick in den Spiegel lässt mich schnell aus dem Bad verschwinde. Meine Magen grummelt und ich merke Übelkeit in mir aufsteigen. Konzentriert schlucke ich den gesteigerten Speichelfluss hinunter da ich mich keinesfalls übergeben wollte, da ich noch auf die Wirkung der Schmerztablette wartete. Schnell lege ich mich wieder ins Bett und konzentriere mich weiter darauf alles bei mir zu behalten, dabei werden meine Augen so schwer dass sie mir wieder zu fallen.

There is hopeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt