der Tag danach

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Vorsichtig öffne ich die Augen. Ich habe ein ungutes Gefühl. Es ist stockfinster als ich mit meinen Händen das Bett abtaste um mein Telefon zu suchen. Ohne Erfolg quäle ich mich hoch, taste mich an den Möbeln entlang und suche den Lichtschalter.  Mein Kopf dröhnt. Was ist gestern passiert? Als das Licht angeht ziehen sich meine Augen zusammen. Wie bin ich nach Hause gekommen? Mein Magen dreht sich um und ich renne zur Toilette. Grade noch so geschafft. Vorsichtig luke ich ins Wohnzimmer um zu sehen ob Jess vielleicht hier ist. Aber das Sofa ist leer.
Unsicher tapse ich zurück ins Schlafzimmer auf der Suche nach meiner Hose.Vor dem Bett entdecke ich sie, hebe sie auf und ziehe mein Handy aus der Tasche.
Scheiße, denke ich. 32 Nachrichten und 14 Anrufe in Abwesenheit. Ein Anruf ist von Jess und der Rest von Paddy. Da fällt mir ein, dass wir eigentlich abgemacht haben zu telefonieren. Zielsicher drücke ich die Wahlwiederholungstaste und nach einem Klingeln höre ich ihn schon in der Leitung.
"Was ist passiert?" will er wissen. Paddy klingt aufgebracht. "Wie was ist passiert?", frage ich vorsichtig nach. "Geht es dir gut?" startet er einen weiteren Versuch. Ich kann mich an nichts mehr erinnern. Mein Herz rast während fetzen zurück in meine Erinnerungen katapuliert werden. "Tilda, geht es dir gut?" "Mir ist schlecht", gebe ich zurück: "Rufe gleich zurück" Im nächsten Moment finde ich mich vor der Kloschüssel wieder.
So schlecht war mir lange nicht mehr. In der Küche wühle ich in einer Schublade nach einer Packung Schmerztabletten. Als ich sie endlich zu packen bekomme drücke ich mir zwei Ibus aus dem Blister und hoffe, dass die jetzt drinbleiben und meine Kopfschmerzen bekämpfen.
Wieder schnappe ich mir mein Handy und lasse mich auf dem Sofa nieder. Zögerlich öffne ich WhatsApp. Ein paar Nachrichten von Jess >> Wo bist du?<<    >>Meld dich bitte<< . Eigentlich möchte ich ihr schreiben und sie fragen was gestern passiert ist aber irgendwie ist mir das peinlich.Oder eher: ich habe Panik, dass was sie erzählt peinlich ist. Kurzerhand entscheide ich mich dazu erst die anderen Nachrichten zu lesen. Dann öffne ich Paddys Chat.  >>hol mach weh. brauhs dich, jannst du kmmen= << Meine letzte Nachricht die ich ihm gesendet habe. Scheiße scheiße scheiße. Darauf folgen eine Menge Nachrichten von ihm >>Wo bist du?<< >>Geht es dir gut?<< >>Ich mache mir sorgen, bitte meld dich<<  Ich haue mir die flache Hand vor die Stirn. Wie kann man sich nur so abschießen? Jetzt versuche ich es nochmal mit dem Telefonieren. Es klingelt aber er nimmt nicht ab. Nach ein paar weiteren Veruschen tippe ich ihm eine Nachricht. >>Ich weiß nicht was gestern mit mir los war. Es tut mir Leid :( Bitte meld dich.<<
Ich schmeiße mein Handy auf das Sofa und besorge mir erstmal einen Kaffee. Mitlerweile ist es schon 15:00 Uhr und mein Kopf hämmert immer noch wie bekloppt. Es ist wie als wäre ich gestern ab einem bestimmten Punkt nicht mehr dabei gewesen. Als hätte ich eine Pause von mir gemacht. Keine Erinnerungen mehr. Egal wie sehr ich mich bemühe. Zwischendurch blitzen zwar ein paar Schnipsel auf ,mehr aber auch nicht. Laute Musik, ich tanze, ich sitze auf dem Klo und habe mein Handy in der Hand. Aber es ergibt alles keinen Sinn. Mein Handy klingelt und reißt mich aus den Gedanken. Schnell laufe ich zum Sofa um mit Paddy zu sprechen.
"Hi", antworte ich vorsichtig. "Tilda was war das gestern?", höre ich Jessy. Enttäuscht entfährt mir ein Seufzer. "Ihr habt mich abgefüllt" versuche ich die Schuld abzugeben. "Das war ein Abend", lacht sie jetzt. Mir ist ganz und gar nicht zum Lachen zumute. Ich weiß nicht ob ich fragen soll was passiert ist.
"Bist du zu Hause? Ich komm vorbei?"
"Ja Jess. Aber sei mir nicht bö..." Da vernehme ich schon das Tuten in der Leitung. Sie hat mich nicht ausreden lassen weil sie sich nicht abwimmeln lassen wollte. Da lege ich meine Hand für ins Feuer. Gleich steht sie hier garantiert vor der Tür. Vielleicht höre ich die Klingel dann einfach nicht.

Paddy hat meine Nachrichten immer noch nicht gelesen, beide Haken sind noch grau. Einen kurzen Moment überlege ich mich wieder ins Bett zu begeben, entscheide mich dann aber dazu mich unter die Dusche zu quälen. Duschen hilft immer. Nach und nach drehe ich das Wasser kälter bis es schon fast wehtut, doch ich halte es aus. Als ich mich nach dem Duschen abtrockne schmerzt mein rechter Oberarm. Als ich ihn genauer inspiziere entdecken ich einen blauen Fleck. Auch mein Handgelenke weisen leichte Verfärbungen auf. Was ist da gestern nur passiert?  Vorsichtig schlüpfe ich in eine graue Jogginghose und schmeiße mir ein schwarzes schlabbriges T-Shirt über. Die Haare lasse ich zum Lufttrocknen einfach achtlos runterhängen. In der Zwischenzeit ist mein Kaffee kalt geworden. Bah, kalter Kaffee ist echt eklig. Ich leere die Tasse in der Spüle und mache mir einen Neuen, den ich dann mit auf den Balkon nehme. Jetzt sitze ich dort und blätter alte Fotos durch da das Fotobuch noch immer auf dem Palettensofa liegt. In solchen Momenten wird mir klar, dass ich Lou so unendlich vermisse sie aber  einfach nie wiederkommen wird.
Die Sonne scheint mir ins Gesicht und trotzdem friere ich, sodass ich mir eine leichte Decke über die Beine lege. Grade als ich beginne YouTube Videos zu schauen um mich ein bisschen abzulenken klingelt es. Na da ist sie ja. Vielleicht bleibe ich hier einfach sitzen und lasse sie draußen stehen.
Den Gedanken verwerfe ich schläunigst, ich muss unbedingt wissen was da gestern los war.Also kämpfe ich mich hoch und schwanke zzr Tür An der Gegensprechanlage vergewisser ich mich ob es wirklich Jess ist. "Los mach auf", höre ich sie sagen bevor ich den Türöffner drücke. Die Wohnungstür habe ich angelehnt und bin schonmal in der Küche verschwunden um ihr auch einen Kaffee zu machen. "Na du Partyqueen", begrüßt sie mich lachend. Ich bringe nur ein einfaches "Hi" hervor.
"Den Jungs hast du es aber ganz schön gezeigt". Fragend gucke ich sie an.
"Tobi und Rene werden es so schnell nicht wieder versuchen dich unter den Tisch zu saufen." Amüsiert nimmt sie mich in den Arm und drückt mich. "Lass uns auf den Balkon gehen", schlage ich vor und halte ihr die Tasse entgegen  "Jess, ich erinner mich an nichts mehr."  "Das kann ich mir vorstellen du warst ganz schön besoffen aber du hattest Spaß", erzählt sie mir. Na super. Was soll ich mit dieser Aussage nun anfangen?  "Hast du mich nach Hause gebracht?" "Japp mit Lukas zusammen" Zum Glück hat sie mich nicht mit ihm  alleine gelassen. "Ich denke nächstes Wochenende sollten wir an diesem grandiosen Abend anknüpfen."
"Auf gar keinen Fall! Für die nächsten 5 Jahre habe ich erstmal genug. Ich fühl mich als hätte mir jemand was ins Glas geschüttet." Jess wirft mir einen mitleidigen Blick zu bis sie mir einen Hieb in die Seite gibt: "Du hast einfach nur zu viel getrunken."  "Ich habe schon öfter mal zu viel getrunken aber dieses Mal ist es irgendiwe anders. Ich kann mich an nichts mehr erinnern."
"Es ist nichts wildes passiert", versichert Jessy. "Wir haben getanzt, gelacht. Einfach Party gemacht. Übrigens ich wusste gar nicht das Lukas und du euch kennt. Ihr scheint euch ziemlich gut zu verstehen." "Unter gut verstehen verstehe ich definitiv was anderes.", pflaume ich sie an.
"Warum bist du eigentlich so schlecht gelaunt heute?" "Weil mich das alles nervt. Warum weiß ich nichts mehr, ich habe den Kater des Todes und ausserdem meldet sich Paddy nicht zurück."
"Paddy?" bohrt sie nach. "Ist das Mister geheimnisvoll?". Ich nicke. "Halt warte. Aber nicht der Paddy, oder?" Mit großen Augen sehe ich zu ihr rüber und ziehe meine Augenbrauen hoch. "Na der von der Kelly Family, mit den langen dunklen Haaren?" Ich schüttel den Kopf. Warum habe ich das Gefühl ihr nichts von ihm erzählen zu sollen. Skeptisch horche ich in mich hinein und vertraue auf mein Bauchgefühl. "Ich glaube ja, dass Lukas auf dich steht.", bricht sie die Stille. "Ja, das fürchte ich auch", seufze ich.  Schnell ist unser Augenmerk wieder auf Lukas gerichtet und über Paddy sprechen wir nicht mehr. Eine ganze Weile sitze ich noch mit Jess auf dem Balkon. Zwischendurch schaue ich immer wieder nervös auf mein Handy aber nichts. Keine Nachricht, kein Anruf von ihm, nichts. Funkstille? Geht es mir durch den Kopf.  "Pizza?" So langsam bekomme ich Hunger.
Jess schüttelt den Kopf."Ich muss noch was erledigen. Wie wäre es mit ein paar DVDs heute Abend? Mädelsabend bei dir?" "Ja , warum nicht.Um 8? Wo musst du denn auf einem Sonntag hin?", hake ich nach. "Lukas will mit mir reden,scheint wichtig zu sein." Eigentlich würde ich gerne nachfragen was da los ist. Woher kennt sie Lukas und überhaupt kommt mir das ganze merkwürdig vor. Für später nehme ich mir vor sie darauf anzusprechen. "Soll ich eine Flasche Wein mitbringen?" "Für mich nicht", schüttel ich vehement den Kopf. Dann verlässt sie lachend die Wohnung.

Mich lässt das Gefühl nicht los, dass irgendwas im Busch ist. Leider kann ich ich gar nicht einschätzen wo mein Unbehagen herkommt aber es ist einfach da. Heute liege ich einfach nur faul auf dem Balkon rum. Zwischendurch fallen mir die Augen zu, nebenbei gucke ich langweilige Youtube Videos denen ich eh nicht folgen kann. Mein Kater ist auch sehr penetrant und weicht mir heute nicht von der Seite. Ich nenne ihn den sentimentalen Kater. Das ist der schlimmste, der macht, dass ich mich einsam und alleine fühle. Der mich an Lou denken lässt und an Paddy, der sich übeigens immer noch nicht gemeldet hat.

Dann klingelt es an der Tür. Langsam stehe ich auf und schlurfe zur Tür. Wieder drücke ich auf die kleine Taste um mit meinem bevorstehenden Besucher zu sprechen. "Jess?"
"Nein, ich bin es." Mein Herz bleibt stehen.


There is hopeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt