Ich saß neben Miles und gegenüber von mir saß Edwin, der einsam auf sein Eis starrte. Er sah nicht wirklich so aus, als hätte er großen Appetit. Ich hatte auch kein großen Appetit. Nur Miles war heute irgendwie aufgedreht. Er lachte die ganze Zeit und machte Späße. Um die Stimmung aufzulockern, lachte ich auch öfters mit. Edwin war schweigsam. ,,Schmeckt es dir nicht?", wollte Miles neugierig wissen. Edwin schaute nicht mal auf. Er war tief in seinen Gedanken versunken. ,,Edwin", sagte ich leise. ,,Hm?", er schaute auf. ,,Wir können auch gehen, wenn es dir nicht so gut geht", bot ich an. Miles schaute enttäuscht. ,,Gott, nein. Ich habe doch nur ein wenig geträumt", verwarf er mein Angebot. Ich schluckte. Der Ärmste muss an seine Mutter denken. Miles strich mit seinen Fingern über mein Handrücken. Ich lächelte ihn an. Er lächelte glücklich zurück. Ich hoffe, dass das auch irgendwann für ihn anhaltend sein wird. Dass er sein Leben glücklich gestalten kann, ohne blaue Flecken und ein gebrochenes Herz. Ich bemerkte Edwins feindseligen Blick ,,Was ist los?", wollte ich verwundert wissen. Miles bemerkte es nicht. Er konzentrierte sich jetzt nämlich nebenbei auf seinen Eisbecher, während er über meine Hand strich. ,,Was soll sein?", murmelte Edwin nur mürrisch und senkte den Blick. Ich atmete tief durch. Lass dich bloß nicht von seiner Laune herunter ziehen. Miles schaute sofort auf, sobald er Edwins Unterton bemerkte. Erst starrte er ihn verständnislos an, dann begann er bloß zu lächeln und ließ von meiner Hand ab. Erst jetzt verstand ich es. War Edwin gerade eifersüchtig auf mich und Miles? Unglaublich. ,,Können wir losgehen?", knurrte Edwin. Ich lächelte verliebt in mich hinein. Er war tatsächlich eifersüchtig. Als wir an der Bahn angelangten, verabschiedeten wir uns von Miles. Schweigend saß Edwin neben mir. ,,Ed", ich rüttelte leicht an seiner Schulter. ,,Hm?", brummte er. ,,Du darfst deine Launen nicht an Andere auslassen. Bei mir ist das kein Problem, aber Andere, die dich noch nicht so gut kennen, könnten das falsch auffassen", sprach ich sanft auf ihn ein. ,,Ist es denn so falsch, angst davor zu haben, noch mehr Menschen zu verlieren?", zischte er wütend. Ich zuckte zusammen und zog meine Hand von seiner Schulter zurück. Mein Blick hielt ich gesenkt. Er seufzte: ,,Tut mir leid. Ich habe dich verschreckt." Er küsste mich entschuldigend auf die Wange. Aber es hatte dieses Mal nicht diese gewohnt gute Wirkung auf mich. ,,Vertraust du mir denn nicht?", flüsterte ich und zog mein Kopf von seinen Lippen weg. Er wandte sich mit roten Wangen von mir ab, als hätte er sich in eine peinliche Situation gebracht: ,,Ich vertraue dir vom ganzen Herzen, Scarlett. Tut mir leid, ich bin dir ein schlechter Freund." Ich lächelte ihn an: ,,Jeder hat mal einen schlechten Tag." Er antwortete nicht und in unangenehme Stille war es wieder zwischen uns. Er schaute nachdenklich aus den Fenster. Er war wieder in seiner eigenen Welt. Mitleidig beobachtete ich ihn dabei.Ich saß auf meiner Terrasse und Musik dröhnte aus meinen Kopfhörern. Ausnahmsweise lag neben mir eine Bierflasche. Doch habe ich bis jetzt nur ein Schluck daraus genommen. Ich beobachtete den Himmel. Die dunkelste Nacht auf Lebenszeiten. Der Blutmond. Ich stellte mir vor, wie ich hier mit Dad sitze und er mir alles darüber erzählt, was ein normaler Mensch nicht weiß. Dad liebt Physik unglaublich. Dad. Ich starrte auf mein Laptop. Wie könnte ich die Mail für meine Mom beginnen? Mein Herz raste. War ich überhaupt bereit dafür? Plötzlich bemerkte ich wie jemand auf den Boden plumpste. Erschrocken setzte ich meine Kopfhörer ab und starrte erschrocken zur männlichen Gestalt. ,,Miles?", sagte ich dann schließlich verdutzt. Miles atmete unregelmäßig und bleib krümmend auf den Boden liegen. ,,Miles!", rief ich jetzt besorgt und eilte zu ihn. Ich drehte sein Gesicht zu mir. Vollkommen verstellt. Er sah übel aus. Ich schnappte entsetzt nach Luft und schaute hilflos umher. ,,Du musst jetzt kurz stark sein, Miles. Ich kann dich leider nicht alleine tragen", flüsterte ich ihn zu. Er nickte nur und hüstelte Blut aus. Ich half ihn hoch und stützte ihn auf den Weg zu meinem Bett. Vollkommen K.O. lag er da. Ich holte schnell ein paar Utensilien und begann ihn zu behandeln. Er spuckte Blut aus, seine Augen waren zu und er murmelte Unverständliches vor sich hin. Und seine Stirn glühte. Sein ganzer Körper glühte. Ich hielt seine Hand und redete sanft auf ihn ein. Als ich glaubte, dass er schlief, ließ ich seine Hand los und wollte mir eine Matratze her schaffen, auf der ich schlafen konnte. Plötzlich begann er wieder unruhig zu werden: ,,Bitte bleib hier... lass mich nicht alleine." Tränen flossen über sein Gesicht. Mitleidig betrachtete ich ihn und nahm sofort wieder seine Hand. ,,Leg dich zu mir", murmelte er nun. Noch immer war er unruhig. Mit großen Augen sah ich ihn kurz an, dann legte ich mich um ihn. Er schlang seine kräftigen Arme um mich und schlief schließlich ein. Auch mir gab sein Dasein Mut. Ich konnte ebenfalls friedlich in seinen Armen einschlafen.
DU LIEST GERADE
Edwin
Romance,,Edwin" war für Scarlett ein Name, bei dem sie sich nur wünscht, dass sie behaupten kann, dass ihr das nichts sagt. Aber das tut es leider wohl. Er erinnert sie an ihre gemeinsame Vergangenheit. Jedoch nicht an ihre gute Vergangenheit, sondern ihre...