Kapitel 4 - Daniel Blade

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Daniel Blade's Sicht

Da sitzt Ava Sawyer nun vor mir mit ihren hoffnungsvollen smaragdgrünen Augen und bittet mich um einen Platz zum Trainieren.
So zierlich und gebrechlich wie sie scheint ist sie keineswegs, das weiß ich nur zu gut. So gekonnt, wie sie damals austeilen konnte, konnte sie auch einstecken.
In Mancos habe ich Ava oft kämpfen sehen und war davon überzeugt, noch viel von ihr zu hören. Sie hatte den richtigen Ehrgeiz, eine super Technik und gepaart mit ihrer Schnelligkeit war sie einfach unschlagbar. Das alles schon mit zarten zehn Jahren. Von Jahr zu Jahr wurde sie immer stärker und besser.
Wäre doch nur nicht vor einem Jahr der tragische Unfall mit Jayden geschehen.
Jayden war zu dieser Zeit ihr fester Freund und ich trainierte ihn drei mal die Woche.
Wenn man mich fragt, war dieser Boxer immer viel zu überheblich und zu sehr von sich selbst überzeugt. Er war der Meinung, unbesiegbar zu sein und das alles nur, weil er einen guten Lauf hatte. Leider wurde er so überheblich, dass er anfing nachzulassen und seinen Fokus auf andere, unwichtige Dinge richtete.
Wenn er nicht im Rollstuhl gelandet wäre, dann hätte er definitiv auf der Abschussliste gestanden, denn die Sponsoren ließen sich nicht lange auf der Nase herum tanzen. Viel zu undiszipliniert, dieser Knabe.
Nun liegt es an mir, Ava zurück ins Boot zu holen und vielleicht wäre sie auch irgendwann wieder bereit, einen Wettkampf zu bestreiten. Viel zu schade ein solches Talent wegzuwerfen.
Die Vergangenheit werde ich ruhen lassen, denn jeder hat immerhin eine zweite Chance verdient. Zudem war es ja auch schließlich eine Verkettung von unvorhersehbaren Zufällen.
„Es scheint für dich also nicht infrage zu kommen?", gibt Ava sichtlich traurig und enttäuscht von sich, „Es ist wegen Jayden, oder?"
Ein Moment der Stille legt sich über uns und ich kann sehen, wie sie nach den richtigen Worten sucht. Ihr Blick wandert von mir zu ihren verschränkten Fingern vor ihrer Brust.
„Weißt du Daniel, ich habe echt gedacht, meine Vergangenheit verfolgt mich nicht bis nach Miami. Da kann man mal sehen wie leicht man sich täuscht!" Im gleichen Atemzug des letzten Wortes, steht Ava enttäuscht auf, packt ihre Sporttasche und will sich zum Ausgang bewegen. Doch das lasse ich nicht zu und packe sie an der Schulter, so dass sie sich wieder zu mir herum dreht. In diesem Moment sehe ich in ihre vor Wut und Schmerz, brennenden Augen, die jeglichen Glanz verloren zu haben scheinen.
„Seit wann gibt Ava Sawyer kampflos auf?", frage ich sie herausfordernd.
Sichtlich müde und verwirrt sieht sie mir entgegen, bringt allerdings kein Wort heraus. Ungläubig wartet sie darauf was ich als Nächstes tun oder sagen könnte.
Ein bisschen muss ich die Anspannung aufrecht erhalten, allein aus Spaß an der Freude. Wenn es nach mir ginge, würde ich sie direkt heute schon trainieren und wenn sie noch das gleiche Potenzial von damals hat, zum nächsten Wettkampf anmelden. Allerdings ist das nicht in ihrem Sinne, aber ich habe schon eine Idee sie wieder Blut lecken zu lassen. Einmal Boxer immer Boxer!
„Du bekommst deinen Platz zum Trainieren unter zwei Bedingungen. Die Erste ist, dass du hier im Club mit über den Papierkram guckst. Denn das ist, wie man schwer übersehen kann, nicht meine Stärke. Die zweite Bedingung ist, dass du mit auf Wettkämpfe kommst und die Jungs, so gut es geht, unterstützt. So habe ich etwas weniger Arbeit, du deinen Platz zum Trainieren und wir beide sind Glücklich und Zufrieden", schlage ich Ava vor und bin gespannt was sie dazu sagt.
Ungläubig schaut sie mich mit einem immer größer werdenden Grinsen an. Das steht der Kleinen so viel besser, als die trostlose Mine, die sie gerade eben noch hatte. Es ist schon echt interessant wie ein so junges Mädchen schon so gezeichnet von Leben scheint. Das sollte lieber gerechtigkeitshalber uns alten Knackern vorbehalten sein.
Ava kommt dieses Mal mit geöffneten Armen auf mich zu und zieht mich in eine feste Umarmung. Eigentlich stehe ich nicht so auf Körperkontakt, aber solange es nur Ava macht und keiner von meinen Jungs, werde ich es ausnahmsweise über mich ergehen lassen.
„Danke. Wirklich Daniel, ich weiß das sehr zu schätzen", presst sie emotionsgeladen an meine Schulter. Als wir uns wieder voneinander lösen strahlen wir beide bis über beide Ohren.
„Wann sehe ich dich das erste mal trainieren und, viel wichtiger, in meinem Büro? Wie du siehst kann ich schon den schiefen Turm von Pisa Konkurrenz machen. Zum Anderen muss ich dich auch noch mit den Jungs bekannt machen, damit du weißt, wen du auf den Wettkämpfen begleitest", erkläre ich mit wild gestikulierenden Händen und einem zufriedenen Gesichtsausdruck.
„Gleich morgen wenn dir das nichts ausmacht. Ich habe allerdings erst noch eine Einführungsveranstaltung auf dem College und keine Ahnung, wie lange das geht. Ich würde dann direkt danach hier her kommen", erklärt das Mädchen vor mir detailliert.
„Ja das ist okay. Ich bin ja meistens schon ab 12:00 Uhr hier und die Tür ist offen", willige ich ein.
„Ich würde mich noch gerne in deiner Umkleide umziehen bevor ich jetzt gehe, damit ich den Weg zurück noch laufen kann. Ist das okay?", fragt Ava höflich.
„Ja Klar, dann nimm bitte die Linke Umkleide. Dort gehen die Jungs nie rein, denn die weibliche Gattung ist hier eher selten gesehen" Ich lache und bin innerlich schon voller Vorfreude auf die dummen Gesichter der Jungs. Ava wird garantiert wieder etwas mehr Leben und Energie in den Club bringen, und die Jungs werden sie sicherlich unterschätzen. Wer denkt schon, dass in so einer zarten Gestalt, wie Ava es ist, so eine Kämpferin steckt? Sie wird den Jungs schon einheizen und zeigen wo der Hammer hängt. Da bin ich mir sicher.
Als Ava in die Umkleide verschwindet wende ich mich meinem heiß geliebten Berg aus Papieren wieder zu. Gerade als ich meinen Taschenrechner aus der Schublade heraus ziehe, sehe ich durch mein großes Fenster, wie die Jungs zum Training herein kommen. Gut gelaunt wie immer höre ich sie reden und lachen. Allerdings verstummt das Gelächter abrupt, als Ava fertig umgezogen aus der Umkleide heraus kommt.
Total unbeeindruckt von den Jungs dreht Ava sich noch einmal zu mir herum, winkt mir ein letztes Mal für heute zu und verlässt den Club.
Ich kann sehen wie die Jungs versuchen die Verbindung zwischen Ava und mir herzustellen. Belustigt schreite ich aus meinem Büro heraus, um wieder streng die Zügel in die Hand zu nehmen.
„Ihr seht aus, als wenn ihr einen Geist gesehen habt. Allerdings interessiert mich das herzlich wenig! Interessieren tut es mich erst dann, wenn ihr schneller als der Geist seid und es geschafft habt, diesen K.O. zu schlagen", brülle ich schon fast und denke mir verschmitzt wie Recht ich doch habe, ohne dass die Jungs das wissen. „Und jetzt ab, umziehen. Wir wollen heute noch mit dem Training beginnen!"

Überarbeitet am 18.01.2019

Angel Kiss (Beendet) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt