Alexander erzählt mir gerade eine witzige Geschichte über die Jungs und sich, während ich herzhaft lachen muss. So habe ich sie mir immer untereinander vorgestellt, total chaotisch.
Aus dem Augenwinkel heraus fällt mir auf, dass Mason mich beobachtet und sofort breitet sich ein komisches Gefühl in mir aus. Kein ungutes Gefühl, eher ein... Glücksgefühl?
Der Boxer sitzt die ganze Zeit schon total stumm neben uns und mustert mich. Ob ihm meine Narben an meinen Beinen aufgefallen sind und er sich deswegen so komisch benimmt? Bei dem Gedanken an meine vernarbte Haut überkommt mich das Gefühl von purem Scham, sodass ich versuche diese Stellen unauffällig mit meinen Händen zu verdecken. Im Sitzen gelingt mir das auch ganz gut, allerdings frage ich mich, ob es auch vorhin im Stehen funktioniert hat. Bis jetzt hat noch keiner ein Wort darüber verloren oder ansatzweise in diese Richtung geguckt, also gehe ich mal vom Besten aus.
„Ich gehe eine letzte Runde ins Wasser, kommt noch jemand mit?" Mason springt wiedermal blitzschnell auf und auch die anderen Jungs folgen ihm. Nur Jenny und ich bleiben zurück und sehen ihnen hinterher.
Jenny schaut sehr verliebt zu Josh herüber und auch ihm kann man seine Gefühle Jenny gegenüber ansehen. Er war bis jetzt eher immer zurückhaltend und deswegen hätte ich nie im Leben daran gedacht, dass genau er, der Auserwählte von der eher lauten und hibbeligen Jenny sein würde. Ein leichtes Schmunzeln unterstreicht meinen Gedankengang. Stumm und unseren eigenen Gedanken hinterherhinkend, beobachten wir noch eine Weile die Jungs im Wasser, bis Jenny näher an mich heranrückt.
Sie legt einen undefinierbaren, aber dennoch sehr sanften Gesichtsausdruck auf und mustert meine Beine. „Was ist dir denn da passiert? Ich wollte dich vorhin nicht vor den Jungs darauf ansprechen." Jenny zeigt mit ihren dünnen Fingern auf meine Narben. Also war ich doch nicht so gut beim Verstecken spielen und mein Gehirn fängt an zu rattern. Was sage ich ihr jetzt? Die Wahrheit auf keinen Fall, aber belügen möchte ich sie auch nicht. „Ach das?", frage ich so monoton wie möglich und zeige auf meine verblassten Narben und fahre fort, „Das war ein dummer Unfall. Ich habe mir kochendes Nudelwasser drüber geschüttet. Tat echt höllisch weh und sieht auch nicht gerade schön aus." Zufrieden mit meiner nicht mal gelogenen Antwort atme ich erleichtert aus. Das Mädchen neben mir betrachtet meine Beine eindringlich und strahlt mich dann mit ihrer typischen Wärme an. „Das glaube ich dir aufs Wort. Habe gerade gesehen, wie unangenehm dir das vor den Jungs ist und ich habe eine Idee." Sofort kramt sie in ihrer großen Strandtasche herum und zieht einen luftigen Schal heraus. Diesen hält sie mir entgegen und ihr Gesicht hellt sich gleich freudig auf. „Hier nimm! Den Kannst du dir um deine sexy Hüften binden, damit diese blöden Dinger verschwinden und du dich, hoffentlich, wieder wohler fühlst", klärt mich die Schönheit neben mir auf und zwinkert mir zu. Ohne ein Wort zu sagen, stehe ich sofort auf, schwinge das weiche Tuch um meinen Po und das alles, bevor die Jungs wiederauftauchen können. Tatsächlich ist es so lang, dass es meine hässlichen Beine verdeckt. „Danke, Jenny." Zufrieden lasse ich mich wieder neben ihr nieder. „Weißt du, auch trotz deiner Narben bist du wunderschön und solltest dich nicht verstecken. Ich hoffe, das weißt du?" Fragend blickt sie mich erneut eindringlich an und ich bin so überrascht von ihren ehrlichen Worten, dass ich nichts darauf zu sagen weiß. Auch wenn dieses Kompliment von einer weiblichen Person kommt, schmeichelt es mir trotzdem sehr und ich weiche peinlich berührt ihrem Blick aus, indem ich auf meine verknoteten Finger starre. Wie lang es schon her ist von jemand anderem, als Liz oder Adam, ein Kompliment zu bekommen, weiß ich gar nicht mehr und es tut mir wirklich gut. Allein aus dem Grund, weil Jenny selbst eine totale Granate ist.
Allerdings bin ich der Meinung, dass sie es nicht nur aufs Äußerliche bezieht und mich überkommt erneut eine Welle der ungewohnten Gefühle.
In der einen Woche, die ich jetzt schon hier in Miami lebe, habe ich mehr positive und verwirrende Gefühle einstecken müssen, als in den letzten Jahren in Mancos und so stöhne ich einmal kaum hörbar auf. Meine neu gewonnene Freundin, und das ist Jenny wirklich, nimmt mich, meiner momentanen Gefühlslage bewusst, in den Arm und drückt mich fest an sich. „Weißt du, Ava, wir kennen uns jetzt nicht wirklich lang, aber ich spüre, dass dich etwas belastet. Solltest du je darüber reden wollen, bin ich für dich da, ich hoffe, das weißt du? Aber jetzt genug Gefühlsduselei! Viel wichtiger, was geht da bei dir und Mason? Guter Geschmack übrigens", grinst sie mich schelmisch an und schiebt mich wieder von sich weg.
Was ist denn nur los mit allen, dass sie denken, dass irgendetwas zwischen Mason und mir läuft? „Ich weiß echt nicht was ihr alle habt, aber um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung.", zucke ich mit meinen Schultern und streiche mir eine herausgefallene Haarsträhne zurück hinter mein Ohr. Wissend nickt sie und holt einmal tief Luft. „Dann sollte ich meine Frage neu formulieren. Wäre Mason denn überhaupt ein Kandidat für dich?" Interessiert mustert mich das Mädchen neben mir. „Puh, gute Frage. Ich meine, über sein Aussehen brauchen wir überhaupt nicht diskutieren, er ist genau mein Typ. Aber bei dem Rest bin ich mir nicht so sicher. Er ist nett, keine Frage, aber halt auch ein Boxer und vor einiger Zeit habe ich mir geschworen von einem solchen Typ die Finger zu lassen. Ich habe ja schließlich aus meinen Fehlern gelernt." Zurückhaltend spiele ich mit meinen Fingern herum und hoffe nicht zu viel Preis gegeben zu haben. Es ist einen Moment lang still zwischen uns, bis Jenny erneut das Wort ergreift und ohne zu wissen eine Frage in mir aufwirft, die ich so schnell nicht mehr vergessen werde: „Oder du irrst dich in ihm. Man sollte nicht alle in eine Schublade stecken, Süße." Wie recht sie eigentlich damit hat! Dabei sollte ich es am besten wissen und nicht alle über einen Kamm scheren.
„In wem irrt ihr euch?", ertönt Masons raue Stimme plötzlich. Überrumpelt blicken wir Mädels uns an und scheinen beide dasselbe zu überlegen. Seit wann stand er schon da und wie viel hat er von unserem Gespräch mitbekommen?
Er hingegen kommt lässig mit großen Schritten auf uns zu und streicht seine nassen Haare mit seiner tätowierten Hand nach hinten. Seine Muskeln beginnen zu spielen und mein Gehirn wird schon wieder lahmgelegt, denn ich bringe kein Wort heraus und kann ihn nur anstarren. „Ach in niemanden", winkt Jenny unauffällig ab. Aber dennoch scheint ihn mein Totalausfall nicht entgangen zu sein, denn er lässt sich schmunzelnd neben mir nieder und kramt ein Handtuch hervor, mit welchem er sich etwas trocken tupft. Allerdings perlt das übrig gebliebene Wasser auf seiner Schulter herunter und zieht meine ganze Aufmerksamkeit auf sich. Wie es so einsam und verzweifelt diese muskulöse, aber dennoch weiche Haut nach unten perlt. Über seine tätowierte Brust bis zu seinem Sixpack, wo es an dem Bund seiner Schwimmhose verschwindet. Das einzige, was bleibt, ist sein heißer Körper und meine lüsternen Blicke. Ein Brummen neben mir lässt mich den Blick von seinem strammen Körper in sein makelloses Gesicht heben. Seine Augen strahlen mich wie Scheinwerfer an und dieses Lachen, einfach nur göttlich. Wissend, dass er mich beim Starren erwischt hat, stehen meine Wangen in Flammen und ich glühe förmlich, was man mir auch definitiv ansehen kann. Sogleich löse ich meinen Blick von ihm und mir ist es wieder einmal total peinlich. Ungläubig stelle ich fest, dass ich mich ja wirklich wie ein hormongesteuertes Luder benehme und atme einmal tief durch.
Vielleicht sollte ich etwas Abstand zu den Jungs halten und mich mal wieder mehr aufs Wesentliche konzentrieren? Wobei ich ihre Gegenwart schon sehr genieße und sie mich immerhin aus meinen einsamen Gedanken und vier Wänden geholt haben. Wer weiß, wie mein trostloser Tag sonst ausgesehen hätte? Also sollte ich mich nicht von allen fernhalten, sondern nur von einer Person, nämlich Mason!
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Angel Kiss (Beendet)
Storie d'amore"Ich gebe nicht auf, niemals. Wenn es sein muss, dann kämpfe ich bis zum bitteren Ende und notfalls noch weiter." Ava Sawyers große Leidenschaft ist das Boxen. Im Boxverein eines alten Bekannten möchte sie von vorn beginnen, einen Neustart wagen, d...