Mit leichten Schlägen bringe ich den Boxsack vor mir zum schwingen. Vor und zurück, vor und zurück ...
Alexander neben mir verprügelt seinen Boxsack regelrecht. Ein Wunder, dass dieser noch keine Risse aufweist, bei der Kraft seiner Treffer. Seine Muskeln spannen sich bei jeder Bewegung so doll an, dass man sie selbst durch sein weißes T-Shirt hindurch bestaunen kann.
Beeindruckt, mit was für einer Präzision er immer wieder auf dieselbe Stelle schlägt, schaue ich ihm etwas zu.
Die Ausführung seiner Schläge ist traumhaft und äußerst kraftvoll. Einen Treffer von ihm stelle ich mir sehr schmerzhaft vor. Während ich darüber nachdenke, verziehe ich mein Gesicht schmerzhaft.
Noah und Mason stehen noch an den Boxbirnen und bearbeiten diese auch sehr eindrucksvoll. Mir scheint so, dass jeder von den Jungs ganz genau weiß, was er zu tun hat.
Es liegt so viel Testosteron in der Luft, dass ich mich ihnen unterlegen fühle. Aber Gott sei Dank ist es nur ein Gefühl, denn unterlegen bin ich ihnen in keinster Weise.
Voller Energie widme ich mich wieder meinem großen Boxsack vor mir und übe an meiner Schlagkraft. Nachdem ich gesehen habe, wie Alexander seinen bearbeitet hat, bin ich neidisch und zugleich von Ehrgeiz gepackt, es auch so fabelhaft hinzubekommen.
Jab, Jab, Cross und wieder Jab, Jab, Cross. Aber leider will sich mein Boxsack nicht mal ansatzweise so gegen meine Schläge winden, wie er es bei Alexander tut.
Plötzlich spüre ich, dass jemand ganz dicht hinter mir steht. Vorsichtig schaue ich mich um und kann Alexander erkennen der mir schmunzelnd zuschaut.
„Du musst etwas mehr auf deine Atmung achten. Mehr aus dem Bauch heraus während des Schlages. Und schau mal hier." Alexander stellt sich nun noch dichter an mich heran und umfasst meine Arme.
„Du musst deinen Schlag auch komplett ausführen. Also was ich meine ist, dass du deinen Arm komplett strecken musst und nicht nur halb. Achte auf die richtige Distanz und komplette Ausführung." Er nimmt meine Rechte, zieht sie an mich ran und holt zum Schlag aus. Diesen führt er in einer geraden Linie komplett mit einer leichten Drehung aus. So, dass ich verstehe, was er mir damit sagen wollte. Dies wiederholt er noch zweimal, nur um auf Nummer sicher zu gehen.
Überrascht hebe ich meine Augenbrauen und lasse Alexanders Berührungen über mich ergehen.
Durch die Zeit mit Jayden fällt mir jegliche Nähe von Anderen sehr schwer. Erst recht, wenn sie unerwartet ist und ich mich nicht darauf vorbereiten kann. Mein ganzer Körper steht unter Spannung und ich versuche es so gut es geht zu verbergen. Alexander meint es ja schließlich nur gut und will mir helfen. Was mich zugegebenermaßen sehr freut, denn meine Schlagkraft muss dringend aufpoliert werden. Schnelligkeit war schon immer mein Ass im Ärmel, aber ist leider nicht das einzig wichtige Element beim Boxen. Ich würde behaupten Schnelligkeit, Schlagkraft und Ausdauer sind einer der drei wichtigsten Bestandteile beim Boxen und müssen auch kontinuierlich trainiert werden, damit man seinen Level beibehält, oder sogar verbessert.
„Na, wenn das Mel sieht", lacht jemand rau neben uns auf. Fragend runzeln Alexander und ich gleichzeitig die Stirn. Als ich in die Richtung der Stimme schaue sehe ich direkt in Masons kantiges Gesicht. Seine Haare fallen ihm in die Stirn und ein leichter Schweißfilm ziert seinen prachtvollen Körper. Seine Erschöpfung ist ihm allmählich anzusehen. Zudem sind seine Adern an den Armen beeindruckend aufgeplustert. Dieses Bild was mir gerade geboten wird, ist göttlich und werde ich definitiv nicht mehr so schnell vergessen können. Mit diesem undurchdringlichen Blick, der dennoch so viel auszusagen scheint. Was hat dieser Kerl nur an sich, dass er mich schon wieder in seinen Bann zieht?
„Was soll sie schon sagen? Es ist ja nicht so, dass ich Ava meine Zunge in den Rachen schiebe", stöhnt Alexander hinter mir sichtlich genervt über Masons Bemerkung auf.
Da stellt sich mir doch gleich die Frage, wer Mel ist und vor allem ob Mason uns die ganze Zeit schon beobachtet hat oder einfach nur in den ungünstigsten Momenten?
Mason wendet sich sichtlich amüsiert wieder seinem Gerät zu. Selbst von hinten sieht er atemberaubend aus. Bei diesen Gedanken will ich mich am liebsten selber Ohrfeigen.
„Wer ist denn Mel?", frage ich Alexander interessiert und drehe mich zu ihm herum. Den geringen Abstand zwischen uns vergrößere ich wieder unauffällig.
„Mel ist mein Mädchen. Aber keine Sorge, sie ist keine von denen die krankhaft eifersüchtig sind", verkündet er stolz. Für einen Moment spiegelt sich all seine Liebe zu seiner Freundin in seinen Augen wieder. Er scheint es mit ihr wirklich ernst zu meinen, was ich eigentlich ehrlich gesagt von keinen dieser sechs Jungs erwartet hätte. Auf mich machen sie alle eher den Eindruck der unnahbaren Hotties, die nur auf ihren Spaß aus sind. Aber was weiß ich schon? Ich habe schon oft in solchen Dingen daneben gelegen. Was mir auch mehr als einmal teuer zu stehen gekommen ist.
„Na dann habe ich ja nochmal Glück gehabt", erwidere ich gespielt erleichtert und streiche mir den imaginären Schweiß von der Stirn, „Puh". Sogleich verfallen wir in schallendes Gelächter. Alexander hat so ein herzliches Lachen, dass er einen gleich mit in seinem Bann zieht. Seine blonden Haarlocken fallen ihm dabei ins Gesicht und schmeicheln ihm nur noch mehr.
„Aber mal Spaß bei Seite, wie lange seid ihr denn schon zusammen?" Interessiert es mich dann doch.
„Mel und ich sind jetzt seit knapp vier Jahren zusammen. Aber kennen tun wir uns eigentlich schon ewig. Haben die gleichen Schulen besucht und jetzt studieren wir hier zusammen", antwortete Alexander unbeeindruckt, als wenn es das Normalste auf der Welt ist. Ich hingegen finde es immer sehr beeindruckend, wenn die erste große Liebe noch wie am ersten Tag blüht. Denn für gewöhnlich verwelkt alles mit dem älter werden und vor allem mit dem Gang aufs College.
„Das ist ja schon eine lange Zeit, freut mich für euch. Hätte ich dir gar nicht zugetraut." Leicht schlage ich ihn gegen seine Schulter und ziehe ihn provozierenden auf, kann mir aber mein dümmliches Grinsen nicht verkneifen. Er hingegen schaut mich mit hochgezogener Augenbraue an, aber als er dann auch zu grinsen anfängt, scheint er meinen Humor zu teilen.
„So ist das also Fräulein Sawyer. Dann erzählen sie doch Mal, wie sieht es denn bei ihnen aus? Gibt es da auch einen Mr. Sawyer?", stellt er mir nun die Gegenfrage. Er stemmt seine Boxhandschuhe in die Hüften und guckt mich aus zusammengekniffenen Augen an. Das sieht einfach zu komisch aus und ich kann nicht anders als erneut laut aufzulachen. Alexander hingegen schaut mich unbeirrt weiter aus Schlitzen an und wartet auf meine Antwort.
„Nein es gibt keinen Mr. Sawyer und den wird es so schnell auch nicht geben. Ich bin ganz zufrieden mit der Ruhe und vor allem der Freiheit, die ich dadurch habe", antworte ich ihm ehrlich und überkreuze meine Arme vor der Brust.
„Also ich habe auch meine Freiheit trotz meiner Beziehung, und Mel genauso. Wenn man sich vertraut ist alles möglich. Ich weiß ja nicht, was für Beziehungen du so geführt hast, aber schön scheinen sie ja nicht gewesen zu sein, denn dann wärst du jetzt nicht so ein positiver Single." Alexander setzt nochmal neckend nach und streckt mir wie ein kleines Kind die Zunge heraus.
Wenn er wüsste, wie recht er damit hat, würde er nicht mehr so siegessicher Strahlen. Aber das behalte ich besser für mich.
Meine einzige Beziehung die ich je geführt habe, hatte nichts mit Vertrauen zu tun, genauso wenig mit Respekt oder Liebe. Am Anfang vielleicht schon, aber hinterher definitiv nicht mehr. Da beinhaltete sie nur noch Angst, Schmerz und Verzweiflung.
Ganz am Ende reihte sich sogar noch Hass ein, und um jemanden zu hassen, gehörte sehr viel Leid dazu, das wissen wir alle!
„Oder vielleicht bin ich ein so positiver Single, weil ich mich nicht entscheiden kann, welche Frucht ich als nächstes vernasche", erwidere ich Alexander zuckersüß. So leicht gebe ich mich nicht geschlagen, dass er ins Schwarze getroffen hat muss er ja nicht wissen. Genauso wenig muss er wissen, wie extrem Monogam ich doch bin.
Für mich gehört schon ein wenig mehr dazu um mit jemandem in die Kiste zu hüpfen. Mir ist es nicht wichtig, den heißesten Kerl der Umgebung abzuschleppen oder zu den Beliebten zu gehören. Nein, dass alles war mir schon lange nicht mehr wichtig, denn der Weg nach unten ist kalt und definitiv Steinig. Das kann ich euch versprechen.
Abrupt weiten sich die Augen von Alexander geschockt. Er sieht sehr überrascht über meine Aussage aus und braucht einen Moment bis er sich wieder gesammelt hat. „Sawyer, also wirklich, das habe ich jetzt nicht von dir erwartet", lacht er tief. Dieses Mal schlägt er mir sanft gegen die Schulter. Ich zucke als Antwort nur mit den Schultern und nehme im Augenwinkel Mason war. Wie er uns aus der Ferne beobachtet und etwas trinkt. Als ich offensichtlicher hinschaue, um mich zu vergewissern, redet er mit Noah. Vielleicht habe ich mir das Beobachten seiner Seits auch nur eingebildet. Aber ich habe dieses seltsame Gefühl, des beobachtet werdens auf mir gespürt.
„So alle einmal einen Partner heraussuchen und nacheinander in den Ring", befielt Daniel rau und holt mich wiedermal aus meinen Gedanken. Dies scheint langsam zur Angewohnheit zu werden.
Josh stellt sich zu Percey und deutet ihm an, mit ihm zu sparren. Percey stimmt ihm mit einem einfachen Nicken zu. Noah sparrt natürlich mit Mason und da bleiben nur noch Kalvin und Alexander, der neben mir steht, übrig. Alexander wirft mir einen fragenden Gesichtsausdruck zu und scheint tatsächlich zu überlegen, mit mir zu sparren. Aber da dies für mich nicht infrage kommt, trete ich gleich einen Schritt zurück und zeige auf Kalvin.
„Es wäre nur fair, wenn du Kalvin nimmst. Außerdem habe ich noch ein bisschen was zu tun und werde mich gleich auf den Weg nach Hause machen. Vielen Dank nochmal für deine Tipps", bestärke ich ihn, mit Kalvin zu sparren und kein schlechtes Gewissen meinetwegen zu haben. Denn das muss er wirklich nicht, ich will ja schließlich gegen niemanden mehr die Hand erheben.
„Kein Ding Sawyer, für dich mache ich das doch gerne." Alexander lächelt mich sanft an und zwinkert mir verschmitzt bei dem nächsten Satz zu: „Und nasch nicht von zu vielen verdorbenen Früchten".
Lachend und kopfschüttelnd entferne ich mich von ihm und schaue mich nach Daniel um. Er steht in der Mitte am Ring, neben Josh und Percey. Irgendetwas fuchtelt er an dem Gesichtsschutz von Josh herum. Als ich neben Ihnen zum Stehen komme, klettern die zwei Jungs schon in den Ring.
„Daniel ich werde dann mal langsam abhauen wenn nix dagegen spricht? Im Büro habe ich schon einiges erledigt und mache dann morgen weiter. Damit du Bescheid weißt." Prüfend und mit einer undurchdringlichen Miene schaut er mich an. Er sieht so aus, als versuche er in die tiefsten Abgründe meiner Seele zu schauen. Dies macht mir irgendwie Angst und schnürt mir in diesem Moment die Luft zum Atmen ab.
Er stellt sich bestimmt die Frage, warum ich nicht noch bleibe, um das Training mit dem Sparren zu beenden. Denn früher bin ich zum Ende des Trainings erst richtig aufgeblüht und schon fast in den Ring gestürmt, um meinen gegenüber freudig zu vermöbeln. Im Ring konnte ich zeigen, was ich drauf hatte und habe mir so den Respekt aller Anwesenden verdient. Zum Anderen war es auch immer spannender mit Gegenwehr und die bessere Vorbereitung auf einen bevorstehenden Kampf. Aber das ist nun nicht mehr mein Ziel.
„Alles klar, bis Morgen dann", erwidert Daniel monoton. Er wendet sich wieder seinen Schützlingen im Ring zu und überrascht mich mit seiner gelassenen Reaktion. Ich habe wirklich mit mehr Gegenwehr gerechnet, da ich einfach so das Training für mich beendet habe obwohl er der Trainer ist und auch viel Wert auf Respekt legt.
Immer noch verwundert bahne ich mir meinen Weg zurück durch die große Halle zu den Umkleiden.
„Bis Morgen Jungs", rufe ich noch einmal zum Abschied quer durch den Club. Der sonst so wilde Haufen erwidert meine Verabschiedung sichtlich irritiert und ruhiger als sonst. Aber dennoch schauen fast alle noch ein letztes Mal in meine Richtung und winken mir zu. Alle bis auf Mason, der mich sonst immer so großzügig gemustert hat. Komisch.Überarbeitet am 29.07.2019
Hallo ihr Lieben,
nun wurde es mal wieder Zeit, für ein neues Kapitel. :)
Ich hoffe es gefällt euch und ihr lasst mir ein nettes Kommentar oder sogar ein Sternchen da. :)
Was mich passend zu diesem Kapitel interessiert, ob ihr noch mit eurer ersten großen Liebe zusammen seid?
Wenn ja, wie lange schon?Eure eljomucona ;)
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Angel Kiss (Beendet)
Romantik"Ich gebe nicht auf, niemals. Wenn es sein muss, dann kämpfe ich bis zum bitteren Ende und notfalls noch weiter." Ava Sawyers große Leidenschaft ist das Boxen. Im Boxverein eines alten Bekannten möchte sie von vorn beginnen, einen Neustart wagen, d...