Kapitel 49 - Weitere Risse

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„Hey, Großer. Was machst du bloß für Sachen?", flüstert Mason in Josh's Richtung. Die Frage scheint wohl eher als Aussage gedacht zu sein. Der Breitschultrige legt seine große Hand auf die in sich zusammengefallene Schulter des zu Brei geprügelten Mannes. Seid mir nicht böse, aber innerhalb der letzten Stunde ist sein Gesicht noch mehr aufgequollen, und wenn ich nicht wissen würde, dass es sich vor uns um Josh handelt, dann würde ich ihn nicht wieder erkennen.
Sein eines Auge ist so dermaßen zugeschwollen, dass man es kaum sehen kann. Nur eine riesen Geschwulst. Seine Wange ist in allen Farben des Regenbogens getränkt, was ihm mit sehr großer Wahrscheinlichkeit unsägliche Schmerzen bereiten muss. Von ihm ist auch nur ein stetiges Knurren und Stöhnen zu vernehmen.
Jenny hingegen bewegt sich immer noch keinen Millimeter, als wenn sie in diesem Moment an einem ganz anderen Ort untergetaucht ist.
„Kann mir einer von euch mit anpacken, bis wir am Auto angekommen sind?" Mason schaut fragend zu den Männer herüber.
„Ja, ich helfe euch grad dabei, aber dann muss ich echt los", brummt Jack. Das erste Mal, dass ich ihn heute reden höre. Seine Stimme klingt genau so tief, wie ich sie mir vorgestellt habe, wie von einem richtigen Brummbären eben.
Der Boxer versucht seinen Kumpel aufzurichten, um ihn besser stützen zu können, aber seine Schmerzen müssen furchtbar sein, denn er kneift seine Augen schmerzverzerrt zusammen. Das kann ich an seinem noch relativ unbeschadeten Auge erkennen. Sein Aufstöhnen untermauert meine Annahme noch zusätzlich.
Jet nimmt eine weitere Pille aus seiner geheimnisvollen Dose und schiebt diese in Josh's Mund: „Gleich wird's dir besser gehen, Kumpel."
Angestrengt und stets darauf bedacht den geschundenen Körper nicht noch weiter zu quäle, mühen sich die zwei Männer damit ab, ihn in die Senkrechte zu bekommen.
Nun bin auch ich am Zug und versuche Jenny zu dirigieren, was wesentlich einfacher als bei den Jungs funktioniert. Sie ist zwar in weiter Ferne, lässt sich aber dennoch ohne Probleme von mir führen.
„Hier, Kleines. Das sind Josh's Sachen. Zwischen seiner Hose habe ich einen Zettel mit meiner Nummer geklemmt. Wenn was ist, zögere nicht, mich anzurufen." Mit einem Zwinkern wirft Jet mir einen schwarzen Rucksack zu, den ich gekonnt auffange. Aus dem Augenwinkel heraus kann ich Masons angespanntes Gesicht erkennen. Aber das wird wohl eher an der Gesamtsituation liegen, als an der flüchtigen Anmache von Jet, womit ich ehrlich gesagt auch nicht gerechnet habe.
Mit Schwung schultere ich den Rucksack, bedanke mich bei dem angehenden Arzt für die ganze Hilfe und harke mich bei Jenny unter, damit wir alle endlich nach Hause können. Was ein anstrengender Abend, denke ich und puste mir eine einzelne Haarsträhne aus meinem Gesicht.

Zurück in der großen Lagerhalle stelle ich schnell fest, dass endlich etwas Ruhe eingekehrt ist und wir uns nicht mehr durch die schwitzigen Massen kämpfen müssen. Vereinzelte Grüppchen stehen in den Ecken der kahlen Lagerhalle herum, rauchen, trinken und unterhalten sich ausgelassen. Von der Feindseligen Stimmung ist nicht mehr viel übrig geblieben, was natürlich auch für die Jungs von Vorteil ist.
Wenigstens hier ist das Glück auf unserer Seite, denke ich, als ich plötzlich von jemandem fest am Arm gepackt und mit einem Ruck zur Seite gewirbelt werde. Mein Puls beschleunigt sich wie eine Rakete, die gerade in andere Atmosphären eintauchten will, und ich blicke in ein sehr überheblich grinsendes Gesicht.
„Da ist ja mein, Babe", schnalzt Dawson mit seiner Zunge.
„Lass mich los und nenn mich nicht Babe!" Mit finsterer Mine zeige ich ihm seine Grenzen auf. Allerdings lacht er nur höhnisch und es hat keinerlei Wirkung auf ihn.
„Das gefällt mir besonders an dir. Keine Scheu deinen verlockenden Mund aufzumachen, obwohl ich gerade erst deinen ach so tollen Josh gezeigt habe, wo der Hammer hängt!" Sein Griff verfestigt sich noch mehr an meinem Oberarm, was langsam wirklich zu schmerzen beginnt, weswegen ich meine Zähne fest aufeinander presse, nur um ihm dies nicht Preis zu geben. Zornig starre ich in sein eigentlich hübsches Gesicht, zu Schade, dass sein beschissener Charakter davon nicht mehr profitieren kann. Ein gutes Aussehen kann schließlich keine abartige Seele überdecken!
„Hast du mich nicht verstanden? Loslassen sagte ich!" Eingeschnappt ziehe ich meinen Arm aus seinem Klammergriff. Was fällt ihm auch ein, mich einfach anzutatschen? Niemand, wirklich Niemand fasst mich je wieder ungefragt an! Die blanke Wut kocht in mir auf und nur, damit wir uns hier schnell vom Acker machen können, zügle ich mein Temperament, welches schon mal sehr hitzig sein kann.
Die übergebliebenen Leute verfolgen unsere Auseinandersetzung aufmerksam, auch die Jungs. Angespannt kneife ich meine Augen zusammen, um für einen Bruchteil einer Sekunde diesen unangenehmen Moment zu entfliehen. Noch nie mochte ich es, im Mittelpunkt zu stehen, und genau jetzt sehen mich alle so an, als sei ich die Hauptattraktion des Abends.
„Uuhhh, jetzt sollte ich lieber in Deckung gehen, sonst muss ich mir auch noch, so wie Jayden, einen fahrbaren Untersatz besorgen." Spottend und abwehrend zugleich hebt Dawson seine Hände. Ich hingegen gefriere zu einem riesigen Eisberg und meine Gesichtszüge entgleisen mir für einen Moment schuldbewusst.
Hat dieser Mistkerl wirklich auf meinen Ex-Freund angespielt? Also lag ich bei unserem ersten Aufeinandertreffen goldrichtig. Er hat mich erkannt und weiß von meiner Vergangenheit! Panik macht sich in mir breit. Meine Atmung verschnellert sich ungewollt ins Unermessliche und es macht sich die typische Enge in mir breit, die ich sonst nur bei einer meiner Panikattacke verspüre. Scheiße!
Als wenn das alles nicht schon genug ist, fällt auch Masons stechender Blick auf mich. Er und die anderen beiden Jungs steht nur wenige Zentimeter von mir und Jenny entfernt.
„Du hast sie gehört und nun lass uns gehen, Ava!" Die Stimme des Boxers ertönt gefährlich und er läuft, ohne eines weiteren Blickes in meine Richtung, an mir vorbei bis hinaus zum Ausgang der Lagerhalle.
Eingeschüchtert will ich Masons Anweisung Folge leisten, als ich ein zweites Mal von Dawson aufgehalten werde. Fragend blicke ich in sein süffisantes Gesicht. Er beugt sich gefährlich nah zu mir herüber, um mir erneut die Luft zum atmen zu rauben.
„Ich kann mich noch gut an Jaydens Erzählungen erinnern. Wie du, mit den richtigen Klapsen, genau das getan hast was er wollte." Zufrieden grinst mir dieses Arschloch zu.
Bei seinen Worten kann ich das Knacksen meines Herzens ganz laut hören. Es hat soeben einen weiteren Sprung abbekommen, obwohl ich es nicht mehr für möglich gehalten habe. Einen erneuten Riss von Jayden. Von dem Jenigen, dem ich nie wieder so etwas erlauben wollte. Lustig nur, dass er dafür noch nicht einmal anwesend sein muss. Ohne weiter darauf einzugehen entziehe ich Dawson meine Hand und schiebe Jenny so schnell wie möglich nach Draußen. Meine Sicht verschwimmt und ich versuche mich angestrengt zusammenzureißen. In meinem Nacken die höhnische Lache eines Widerlings.

Am Ausgang angekommen steht hier niemand, wie eigentlich erwartet. Worüber ich aber ganz froh bin. So habe ich einen Moment länger um mich zu sammeln. Die kühle Luft weht meine Haare ganz unverfroren durcheinander, was auch mein Gemüt etwas abzukühlen scheint. Mein eben noch wild pochendes Herz, schlägt allmählich wieder langsamer und die Enge in meiner Brust weicht einer frei atmenden Lunge. Noch gerade so bin ich an einer weiteren Panikattacke lang geschrammt. Zum Glück, denn es wäre mir vor Mason äußerst peinlich gewesen. Zudem erscheint er auch sehr distanziert zu mir. Ob es immer noch an dem Kuss liegt, oder daran was Dawson gerade zu mir gesagt hat, weiß ich nicht. Seufzend stapfe ich mit Jenny im Arm weiter.

Auf dem Parkplatz kann ich die Stimmen von Jack und Mason deutlich raushören. Sie versuchen Josh so angenehm wie möglich zu platzieren. Was definitiv nicht einfach ist.
Mit einem prüfenden Blick mustere ich meine Freundin, um zu überlegen, wer wo sitzt. Allerdings ist sie immer noch nicht ansprechbar, so entscheide ich für Sie und schiebe sie vorsichtig auf den Beifahrersitz. Dann werde ich hinten bei Josh sitzen, beschließe ich. Die Sorge um Josh lässt mich meine dunklen Gedanken für einen Moment lang vergessen und ich eile den Boxern zur Hilfe.
„Wie wäre es denn wenn ich mich zuerst reinsetze und ihr mir Josh's Kopf auf den Schoß legt? So ist es bestimmt angenehmer für ihn." Interessiert schaue ich zu Mason. Dieser weicht meinem Blick aber aus und zuckt nur mit den Schultern. Seufzend lasse ich mich auf der Rückbank nieder und die Jungs schieben Josh behutsam zu mir. Dieser glüht förmlich und verkrampft sich unter den ruckartigen Bewegungen seiner Freunde.
Bei seinem Anblick zieht sich meine Brust schmerzhaft zusammen. Der Kampf hat so gut angefangen und doch so schlimm geendet, denke ich, als sich plötzlich das Auto in Bewegung setzt. Mit gerunzelter Stirn schaue ich zum Fahrersitz herüber, auf welchem der attraktive Boxer sitzt. Stumm und aufmerksam schaut er auf die Straße, nur um uns alle heile, in Josh's Fall so unbeschadet wie möglich, nach Hause zu bringen.
Mit einen letzten Blick zu Josh herunter, schaue ich den restlichen Weg gedankenverloren aus dem Fenster.

Huhu,
da ich euch alle so gern habe, heute schon das neue Kapitel für euch❤️

Was da nur durch Masons Kopf geht?

Und was sagt ihr zu Dawson? Woher weiß er das alles bloß?

Fühlt euch gedrückt
❤️eljomucona❤️

Angel Kiss (Beendet) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt