Kapitel 39 - Shawn

357 28 18
                                    

Das Training ist im vollem Gange; Kalvin, Percey, Josh, Alexander und Noah toben sich an den Sandsäcken und Boxbirnen aus, während Mason mit dem Unbekannten im Ring steht und sich mit ihm ein würdiges Duell liefert. Daniel ist nicht so ganz mit der Abwehr der Jungs zufrieden, was man ihm durch sein ständiges Gebrülle und Haareraufen nur zu deutlich ansehen kann. Interessiert schleiche ich mich an die Seile neben Daniel und verstehe nur zu gut, worüber sich dieser ständig aufregt.
Mason vernachlässigt oft seine Deckung in der Hoffnung, einen bösen Treffer bei dem Schwarzhaarigen landen zu können. Wohingegen dieser seine Schutzmauer gut aufrecht erhält, sich aber nicht traut auszuteilen. Kopfschüttelnd fluche ich mit Daniel im Chor.
Augenblicklich gucken mich zwei saphierfarbene Augen entgeistert an und als wenn das nicht schon schlimm genug ist, scheint Blackhead aus seiner Komfortzone auszubrechen. Mason sieht, dank mir, den Schlag nicht kommen, weswegen er mit voller Wucht getroffen wird.
Erschrocken reißen wir beide synchron die Augen auf, nur mit dem Unterschied, dass Mason gefährlich nach hinten taumelt. Kurz vor den Seilen kann er sich allerdings wieder fangen und schnellt mit einer finsteren Mine auf seinen Gegner zu.
Das Einzige was in meiner Nähe bleibt, ist sein mysteriöser, minziger Duft. Tief inhaliere ich diesen und sofort lullt mich ein Gefühl von Vertrautheit ein.
Die Zwei im Ring geben in drei weiteren Runden ihr bestes, bis Daniel endlich abpfeift. Sofort lassen die beiden erschöpft ihre Arme baumeln und schütteln sie etwas aus, damit sich die Muskeln entspannen können. Um den Boxern etwas entgegen zu kommen, schnappe ich mir ihre Trinkflaschen und reiche sie ihnen.
Der Tätowierte zieht seinen Gesichtsschutz von seinem Kopf und ich kann nicht anders, als ihn dümmlich anzustarren. Es ist viel zu faszinierend wie seine markanten Wangen frei gelassen werden und sein bezauberndes Gesicht wieder zum Vorschein kommt. Hart schluckend wende ich meinen Blick ab und reiche dem Schwarzhaarigen seine Flasche. Dieser nimmt sie sofort dankbar entgegen.
Beim näheren Betrachten stelle ich schnell fest, dass auch er überdurchschnittlich gut aussieht. Wo kommen die nur alle her, kann man sich die Jungs etwa in einen Katalog bestellen?
Seine schwarzen Locken fallen ihm verschwitzt in die Stirn, was ihn sehr Jungenhaft aussehen lässt, aber sofort streicht er diese wieder nach hinten. Sein dunkles Muskelshirt gewährt mir freien Blick auf seine muskulösen Oberarme, welche zwar nicht so trainiert und tätowiert wie Masons sind, aber immerhin sehr ansehnlich. Dazu muss ich auch sagen, ist es nicht einfach gegen den Tätowierten anzukommen. Die Messlatte hängt wirklich hoch.
Mit einen schiefen Grinsen weckt mich der Unbekannte aus meinen Tagträumen und er streckt mir lässig seine Hand entgegen.
„Ich bin übrigens Shawn",stellt er sich vor und ich ergreife gleich seine Hand und teile ihm mit wer ich bin. „Ava ist ein schöner Name. Nett dich kennen zu lernen." Er zwinkert mir mit seinen schokobraunen Augen zu. Also tatsächlich noch einer von der Sorte Macho, stelle ich fest.
Augenblicklich werden wir von Mason unterbrochen, der seinen Kumpel spielerisch in den Schwitzkasten nimmt.
„Du hattest echt Glück, dass ich kurzzeitig abgelenkt war, sonst hättest du niemals so einen Treffer landen können!", schimpft der Tätowierte gleich los und entlässt Shawn wieder aus seinen bunten Armen.
Amüsiert schaue ich den beiden dabei zu, wie sie ihr Versagen zu rechtfertigen versuchen. Allerdings dringen Masons Worte erst jetzt bewusst in mein Hirn vor. Er war abgelenkt, wegen mir? Er hat indirekt zugegeben, dass ich ihn abgelenkt habe! Bei dieser Erkenntnis breitet sich gleich ein tobendes Inferno in mir aus. Er! Abgelenkt! Wegen mir!
„Na dann muss ich die Schönheit, zum Dank dafür mal auf einen Kaffee einladen?" Fragend schaut Shawn mich an.
Total überrascht von dieser Einladung halte ich meinen Blick in die schönsten saphierfarbenen Augen, die ich je gesehen habe, aufrecht. Seine Miene wirkt etwas angespannt aber ich kann mich auch täuschen, immerhin kennen wir uns ja gerade erst mal seit einer Woche.
„Sorry kein Interesse", antworte ich ehrlich und schaue nun in die schokobraunen Augen von dem Schwarzhaarigen. Seine Gesichtszüge entgleiten ihm für einen kurzen Moment.
Die Jungs scheinen echt selten ein „Nein" zu hören, umso amüsierter ist sein Kumpel darüber. Mason muss sich über meinen Korb seinen Kumpel gegenüber, ein Lachen sichtlich verkneifen. Seine Mundwinkel zucken ständig nach oben, obwohl er krampfhaft darauf bedacht ist, es zu verstecken.
Shawn schaut zwischen seinem Freund und mir hin und her, ehe er seinen Gesicht mit einem breiten Lächeln schmückt. Seine weißen Zähne blitzen hervor und ich kann in der Mitte eine kleine, aber gut sichtbare, Zahnlücke erkennen. Irgendwie süß.
„Oh ich verstehe. Ich hoffe er behandelt dich gut, und wenn nicht wird uns beiden schon ein Weg einfallen, ihn außer Gefecht zu setzen. So wie du es gerade schon erfolgreich geschafft hast, Ava." Der Schwarzhaarige grinst von uns dreien am Amüsiertesten, denn Masons Mundwinkel Zucken nun ertappt nach unten und ich laufe wiedermal rot an vor lauter Scham.
Oh mein Gott ist mir diese Situation unangenehm, denke ich, als sich der Tätowierte laut räuspert und seinem Kumpel auf die Schulter klopft.
„Ich bin dann mal meine Technik aufpolieren und lasse euch mal weitere, verzweifelte Manipulationstaktiken ausarbeiten. Vielleicht kannst du mich dann endlich mal schlagen, Shawnilein." Mit lässigen Schritten entfernt sich der braunhaarige Muskelprotz von uns und ich vermisse sogleich die Wärme die immer in seiner Nähe aufkommt.
„Wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich echt behaupten, dass er gefallen an dir gefunden hat. Was bei ihm schon fast einem Wunder gleicht." Überrumpelt von der Ehrlichkeit in seiner Stimme runzle ich fragend meine Stirn.
Dies scheint mein Gegenüber zu bemerken, denn er fährt fort: „Weißt du, ich kenne Mason jetzt schon sehr lange. Er war mal mit meiner Schwester zusammen, Delia." Seine Stimme bricht bei ihrem Namen und er streicht sich durch sein eher rundes Gesicht, so als wenn ihm diese Worte viel Schmerz bereiten würden.
„Ich hätte mir keinen besseren Partner für sie wünschen können und das soll schon viel heißen, wenn das ein Bruder freiwillig zu gibt." Er lacht heiser auf.
Immer noch nicht wissend, was er mir jetzt damit sagen will, schaue ich in seine braunen Augen, die irgendwie glasig wirken. Er strahlt plötzlich so eine Traurigkeit aus, dass es für mich kaum auszuhalten ist und ich nicht weiß, wie ich mich verhalten soll. Immerhin gehen mich diese Dinge nichts an. Auf der anderen Seite bin ich jetzt aber auch neugierig, warum seine Stimmung so schnell gekippt ist und er mir die Beziehung von seiner Schwestern und Mason aufs Auge drückt.
„Wieso sind sie nicht mehr zusammen?" Erschrocken über meine Neugier presse ich meine Lippen fest aufeinander.
„Das ist eine längere Geschichte", winkt er nur ab und sieht wieder viel gefasster aus, als vor ein paar Sekunden. Wie gemein, dass er mich erst neugierig macht, und mich dann einfach wie eine heisse Kartoffel fallen lässt. Einfach frustrierend! Aber ich belasse es dabei.

Nach dem Training sind wir alle zusammen ins Biscuit gefahren und die Fahrt dorthin habe ich fest umschlungen hinter Mason verbracht. Wie gestern, einfach ein mega geiles Gefühl wenn der Wind die nackte Haut streift und einen seine verwirrenden Gedanken vergessen lässt. Einfach im Hier und Jetzt zu leben, diesen Moment vollkommen zu genießen.
Im Biscuit setzen wir uns wieder an den selben Tisch, an dem wir auch mit meinen Freunden schon gesessen haben. Die Atmosphäre in dem kleinen Café ist einfach so kuschelig, ich fühle mich wie in Zuckerwatte eingewickelt, und der leckere Duft von dem ganzen Gebäck raubt mir erst Recht alle Sinne. Meine Empfindungen überschlagen sich beinahe, denn ich weiß nicht, ob meine Vorfreude oder doch der Hunger überwiegt.
Diesmal bin ich von Shawn und Mason eingekesselt und nicht von Kalvin und Josh, was mein Herz tausendmal schneller schlagen lässt. Jede Bewegung von dem Tätowierten verfolge ich, gewollt oder ungewollt, im Augenwinkel und erwische mich tatsächlich bei dem Gedanken, näher an ihn heranrücken zu wollen.
Diese neuen Bedürfnisse in seiner Gegenwart bringen mich völlig aus dem Konzept und ich widme mich eisern der Bestellkarte vor mir. Krampfhaft und in der Hoffnung, dass keiner der Jungs etwas bemerkt, studiere ich die Angebote, die das Kärtchen in meiner Hand hergibt.
Die hübsche Bedienung vom letzten Mal kommt wieder mit einer solchen Leichtigkeit an unseren Tisch heran geschwebt, dass man sie nicht kommen hört und sie sich erst lautstark ihre Aufmerksamkeit erkämpfen muss. Was definitiv nicht leicht bei diesem Haufen ist.
Still schweigend beobachte ich das Geschehen und fühle mich zwischen ihnen wie Zuhause angekommen. Als ob ich schon immer dazu gehöre, mit ihnen die durchzechte Nacht damals mitgemacht habe. Eine ungewohnte Fröhlichkeit durchflutet jeden Zentimeter meines Körpers und lässt mich meine Mundwinkel heben. Ich gehöre endlich dazu!
Alia Price, die Kellnerin, nimmt von jedem einzelnen die Bestellung entgegen und Kritzelt auf ihrem Block herum. Vermutlich schreibt sie alles auf, da wir eine große Gruppe sind. Ihr Blick immer gleich freundlich, allerdings ist mir aufgefallen, dass sie Mason öfter als nötig anfunkelt und das mehr als nur freundlich. Ihre blonden Locken hat sie heute in einem Zopf versteckt. Ihre Kleidung hingegen ist immer noch süß, aber durch die Kürze und den großen Ausschnitt sehr aufreizend. Sie erinnert mich irgendwie an diese sexy Schülerinnen mit einer riesigen Nerd-Brille, durch die sie ihre Opfer mit einem verruchten Blick anstarren, bis diese ihren kleinen Freund in der Hose nicht mehr stand halten können und sich auf dieses Flitchen stürzten.
Erschrocken über meine Gedanken ziehe ich meine Speisekarte wieder an mich heran und entscheide mich für ein Stück Käsekuchen und einen heißen Kakao, was ich der Kellnerin auch gleich freundlich mitteile. Sie hingegen schreibt meine Wünsche mit einem abschätzigen Blick auf.
Fragend ziehe ich meine Stirn kraus aber entscheide mich dazu es einfach gut sein zu lassen. Immerhin bin ich das einzige Weibchen zwischen den ganzen sexy Männern hier und das könnte für einige falsch rüber kommen. Aber was jucken mich schon die anderen? Ich habe vor einiger Zeit schon gelernt mit solchen Vorurteilen klar zu kommen und da wird mich bestimmt keine unbedeutende Alia Price aus der Bahn werfen.
Mein Herz zieht sich bei den Gedanken aus Mancos krampfhaft zusammen und versetzt mir einen Stich. Denn meine Vergangenheit lässt mich nicht die Tatsache vergessen, dass ich eigentlich um solche Jungs, von denen ich gerade umringt bin, einen großen Bogen machen wollte. Eigentlich dürfte ich gar nicht hier sitzen, wer weiß was sie mir irgendwann antun werden, wenn ich nicht achtsam genug bin.
Plötzlich fühle ich mich nicht mehr wie Zuhause, viel eher gefangen.
Gefangen in meinen eigenen verwirrenden und schmerzhaften Erinnerungen. Mein Puls beschleunigt sich, mein Körper fängt an, unerträglich zu schwitzen, zu zittern und ich bekomme immer weniger Luft. Suchend schaue ich mich nach den Toiletten um und kann sie ganz hinten in einer Ecke ausfindig machen. Sofort schieße ich ungeduldig nach oben und deute den Jungs an, dass ich mal aufs Klo muss.
Shawn macht mir sofort Platz, seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen bemerkt er mein Unwohlsein, dennoch lässt er mich ohne ein Kommentar ziehen, worüber ich ihm sehr dankbar bin.
Mit wackeligen Beinen komme ich vor den Toiletten an und stoße die Eingangstür schwungvoll auf, dass sie nicht an der Wand abprallt gleicht einem Wunder. Stürmisch torkle ich zu den Waschbecken herüber und stütze mich mit meinem Oberkörper darauf ab, um mir kaltes Wasser in Gesicht zu spritzen.
Als das Schwindelgefühl und die Atemnot etwas nachlassen, lasse ich mich mit einem Plumps auf den Boden fallen.
Was zur Hölle war das gerade? Total verwirrt und erschrocken über meinen Ausbruch, oder sollte ich besser Panikattacke sagen, streife ich mir die nassen Haare aus dem Gesicht, als es plötzlich an der Tür klopft.

Hallo meine Lieben,
mit etwas Verspätung ist nun Kapitel 39 da.

Was sagt ihr zu Shawn?

Was meint ihr wer vor der Tür steht?

Fühlt euch gedrückt❤️,
eljomucona

Angel Kiss (Beendet) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt