Kapitel 47 - Vier Runden

293 29 10
                                    

Dawson wird mit ein paar guten Kombinationen von Josh bearbeitet, was mir eine außerordentliche Schadenfreude beschert. Mit einem leichten Grinsen im Gesicht stupse ich Jenny mit der Schulter an.
„Siehst du? Josh wird das schon schaffen", flüstere ich ihr zu. Aufgeregt, aber immerhin etwas entspannter, verfolgt sie die nächsten zwei Runden, in denen Josh sehr gekonnt seinem Gegner den Hintern versohlt. Allmählich sieht man auch Dawson den Kampf an. Er hat ein paar sichtbare Prellungen und wenn ich mich nicht täusche, sind auch seine Knöchel an den Fingern aufgeplatzt. Kommt schließlich davon, wenn man keine Handschuhe trägt! Irgendwie tut er mir etwas leid. Aber genau in dem Moment, als ich wirklich etwas Mitleid für ihn empfinden, holt er einmal kräftig aus und trifft erneut auf die Platzwunde von Josh. Was für eine hinterhältige Ratte, denke ich wütend. Das Blut fließt wieder wie aus Eimern. Die ganzen Leute Jubeln und freuen sich sichtlich über die gebotenen Szenen.
Dawson holt immer wieder zu Schlägen aus, die Josh nicht gut abwehren kann und schließlich in die Seile gedrängt wird. Gott sei Dank ertönt gleich darauf das Signal zur kurzen Pause. Schnell schnappe ich mir wieder die Lappen und versuche die Wunde zu säubern. Jet durchwühlt alles hektisch und gibt auch sein Bestes, um seinem Kumpel zu helfen. Josh's Knöchel sind total zerfetzt und blutverschmiert, sein Körper mit Prellungen und sein linkes Auge mit einer dicken Schwellung gezeichnet. Nicht zu vergessen die riesige Platzwunde. Der Gong ertönt schon wieder und die vierte Runde beginnt. Josh erhebt sich gequält von dem kleinen Hocker und ich blicke hilflos zu Jet herüber. Dieser zerrt mich zurück hinter die Seile.
„Aber... aber... seine Wunde hört gar nicht auf zu bluten! Er kann so nicht weiter Kämpfen!", presse ich mühsam hervor.
„Kleines, hier gibt es keine Regeln außer eine. Diese Regel besagt: Es wird immer bis zum bitteren Ende gekämpft und wenn ich sage immer, dann meine ich auch immer!" Jet sieht mir ernst ins Gesicht. Fassungslos schnappe ich nach Luft.
Ein Blick auf den Boxring verrät mir, wie schlecht es um Josh steht. Seine Deckung kann er nur noch sehr mühsam aufrecht halten, sein Gang wirkt eher schwankend und sein Auge schwillt immer mehr an. Wer weiß, was passiert, wenn er noch mehr Schläge einstecken muss. Wie weit wird Dawson wohl gehen, frage ich mich sogleich und lasse meinen Blick zu ihm schweifen. Der Dunkelhaarige macht nicht so einen lädierten Eindruck auf mich und kann sich noch recht gut bewegen. Zufrieden mustert er sein Gegenüber. Mit großen Schritten geht er auf Josh zu und packt diesen mit einer Hand am Kopf fest, nur um sein Gesicht gegen sein Knie zu schlagen. Mit wildem Jubel geht Josh zu Boden.
Ein lauter Schrei holt mich aus meiner Starre. Ich kann sehen wie Jenny schreiend von Jet festgehalten wird. Ihr laufen die Tränen ungehindert über ihr zartes Gesicht und mein Magen verkrampft sich unruhig. Sofort reiße ich meine Freundin an mich und versuche sie zu beruhigen. Bewusst wende ich ihr Gesicht von dem schmutzigen Ring weg. Laut schluchzend liegt ihr Kopf auf meiner Schulter und ich halte sie einfach fest.
Meine Sicht hingegen ist nicht eingeschränkt und ich kann die Szenen vor mir immer noch gut mitverfolgen. Josh liegt bewusstlos auf dem Dreckigen Boden des Rings und Dawson steht Hasserfüllt über seinem geschundenen Körper. Ganz langsam beugt er sich nach unten und zieht mit seiner blutbeschmierten Hand Knights Kopf an seinen Haaren nach oben. Scharf ziehe ich die Luft ein und traue mich nicht weiter zu Atmen, in der Hoffnung so die Zeit anhalten zu können. Nur leider besitze ich keine Zauberkräfte und es nimmt kein gutes Ende.
Dieser Widerling schaut tatsächlich lüstern in meine Richtung, mit Josh's Kopf in der Hand und holt mit der anderen weit aus um wirklich hart zuzuschlagen. Ungläubig verfolge ich diese schreckliche Szene vor mir, mit der aufgewühlten Jenny im Arm. Zudem bin ich mir sehr sicher, dass ich das nie wieder aus meinem Kopf bekommen werde. Der Kopf von dem Boxer prallt mit einem dumpfen Aufschlag erneut hart auf den Boden auf. Mein Herz krampft sich schmerzhaft zusammen und ich weiß nicht was ich tun soll. Der Kampf wurde immerhin noch nicht als beendet erklärt und Jet hat mir diese eine Regel mehr als klar gemacht. Schwer atmend, halte ich immer noch Jenny in meinen Armen um sie vor diese schreckliche Bilder zu schützen. Immerhin ist es ihr Freund der bewusstlos vor uns liegt. Selbst Jet sieht man die Anspannung an.
Mit dem letzten Gong für heute Abend ist endlich die Runde und somit der Kampf für beendet erklärt. Der alte Mann steigt erneut mit einem Mikrofon in den blutbeschmierten Boxring. Er hält die Hand von Dawson, dem Sieger, in die Luft. Wie aus weiter Entfernung nehme ich die ganzen Stimmen um mich herum nur gedämpft wahr und das Adrenalin durchflutet meinen schwitzenden Körper.
Josh wird von Jet und einem weiteren Kerl aus dem Ring getragen. Immer noch hängt sein Kopf schlaff herunter. Wie ein lebloses Stück Fleisch.

„Komm, Jenny!", befehle ich meiner Freundin und wir laufen auf eine der Türen zu, in die Jet hinein gegangen ist.
Jennys ganzer Körper zittert und sie weint immer noch ununterbrochen. Mir ist klar, dass ich auf sie in diesem Zustand nicht zählen kann. Aber wir müssen jetzt erst Mal Josh finden.
Hinter der Tür verbirgt sich ein schmaler Gang, wo noch mehr Türen zu sehen sind. Allerdings sehe ich niemanden mehr und weiß nicht, wo die Männer mit Josh hin sind. Seufzend öffne ich jede einzelne der Türen, bis ich endlich die Richtige aufstoße.
„Oh mein Gott!" Auch wenn meine Freundin gerade schon außer sich war, ist sie jetzt definitiv komplett am Ende. Josh liegt übel zugerichtet schlapp auf einer einfachen Trage. Jet überprüft den Puls und ich bete zu Gott, dass er noch am Leben ist.
Wie eingefroren stehen wir verloren in diesem trostlosen Raum und warten auf ein Zeichen, dass alles wieder gut wird. Aber die Sekunden fühlen sich gerade wie eine halbe Ewigkeit an und die Enge in meiner Brust schnürt sich immer mehr zu.
„Er hat Puls! Schnell, Jack, gib mir mal die Tasche dort." Mit schnellen Bewegungen zeigt Jet auf eine braune Sporttasche, die am anderen Ende des Raumes liegt. Ein Mann mittleren Alters, der wie zuvor erwähnt Jack heißt, bringt sie zu unserem bewusstlosen Freund herüber. Ruckartig wird diese geöffnet und der mit den hinreißenden Grübchen holt einige Utensilien heraus, nur um mit geübten Griffen unseren Freund zu helfen.
Wie, als wenn die Seifenblase um mich herum endlich zu platzen beginnt, stürme ich auf die Männer zu.
„Wie kann ich helfen?" Fragend suche ich die Antwort in den angespannten Gesichtern vor mir.
„Du solltest jemanden Bescheid geben, der euch abholen kann. Denn ich bezweifle stark, dass ihr beide unseren Muskelprotz hier, in seine Wohnung bekommt." Ohne Jet eines Blickes zu würdigen, lausche ich seinen Worten. Meine Aufmerksamkeit ist in diesem Moment nur auf Josh fixiert. Wie er blutend und wirklich grausam zugerichtet einfach nur da liegt. Seufzend muss ich dem Braunhaarigen recht geben. Jenny, die einfach nur starr auf ihren Freund schaut, wird mir auch keine große Hilfe sein.
Aber wen soll ich nur anrufen? Immerhin weiß anscheinend keiner der Jungs von diesen Kämpfen hier.
Verzweifelt überlege ich hin und her, aber die einzige Möglichkeit, die wir haben, sind die Jungs. Mit einem extrem schlechten Gewissen greife ich nach meinem Handy und rufe die erste Person an, die mir in den Sinn kommt. Mit einem Freizeichen beginnt es im Hörer zu tuten. Hoffentlich ist er nicht im Tiefschlaf, denke ich, als nach dem dritten Mal Klingeln endlich jemand abhebt.
„Ja?", erklingt es verschlafen auf der anderen Seite.
„Ich bin's, Ava. Sorry wenn ich dich so spät noch störe, aber ich brauche deine Hilfe. Wenn es nicht wichtig wäre, hätte ich dich nicht um diese Uhrzeit gestört. Das musst du mir glauben..."
Nervös knabbere ich auf meiner Unterlippe herum.
„Es ist okay, Ava. Wobei brauchst du denn meine Hilfe?" Überrascht von der direkten Zusage stockt mir kurz der Atem und ich überlege, wie ich es ihm am schonendsten beibringe. Mit meiner freien Hand fahre ich mir angespannt durchs gelockte Haar.
„Könntest du Jenny, Josh und mich abholen?" Er muss ja nicht gleich alles wissen, rechtfertige ich meine halbe Wahrheit.
„Kann euch nicht Josh fahren? Wenn er doch schon dabei ist?" Kurzzeitig ist es still zwischen uns. Denn ich überlege wie ich es ihm am sanftesten beibringen kann, dass sein Freund zu nichts in der Lage ist.
„Oder hat er sich wieder so voll laufen lassen, dass er nicht mal mehr geradeaus laufen kann?" Dankbar über seine Vermutung nutze ich diese Ausrede erstmal vorläufig.
„Ehm... so in etwa. Das Problem ist, dass Jenny und ich ihn nicht vom Fleck bekommen. Er ist einfach zu schwer für uns", erkläre ich und stelle fest, dass ich noch nicht einmal gelogen habe.
„Typisch Josh. Schick mir die Adresse. In zehn Minuten fahre ich los, bis gleich." Amüsiert über seinen Kumpel lacht er auf.
„Ja mache ich, bis gleich und Danke."
Wenn du nur wüsstest, denke ich mir und es läuft mir eiskalt den Rücken runter.

Sorry, Sorry, Sorry, dass ihr so lange warten musstet, meine Lieben.
Hier ist nun endlich Kapitel 47.

Was meint ihr wen Ava angerufen hat?

Fühlt euch gedrückt
   ❤️eljomucona❤️

Angel Kiss (Beendet) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt