Kapitel 41 - Ein Stück der Wahrheit

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Erschöpft erhebe ich mich von den kalten Fliesen und bekomme fast einen Herzinfarkt, als ich mein verheultes Gesicht im Spiegel betrachte. Meine Wimperntusche ist verschmiert und verpasst mir wirklich dunkle Augenringe. Sofort schnappe ich mir zwei Papiertücher und versuche zu retten, was noch zu retten ist. Nur gut, dass ich nie wirklich viel Schminke auftrage.
„Ich sollte wohl auch mal langsam wieder zurück zu den Jungs." Schwungvoll erhebt sich Shawn vom Boden, schenkt mir noch einen letzten aufmunternden Blick und verlässt die Damentoilette. Erst jetzt fällt mir auf, was für ein Glück wir eigentlich gehabt haben, dass anscheinend niemand auf die Toilette musste. Mit Sicherheit hätte ich einen wirklich verstörten Eindruck hinterlassen.
Mein Mascara ist fast komplett aus meinem müden Gesicht verschwunden und so schmeiße ich die beschmutzten Tücher in den Mülleimer.
Mit schweren Schritten verlasse auch ich das WC und steuere den großen Tisch an, an dem die ganzen Jungs sitzen. Ein mulmiges Gefühl macht sich sofort in mir breit. Was sie wohl denken, weil ich so lange weg gewesen bin und Shawn immerhin auch nicht nur auf dem Klo gewesen sein konnte. Bei diesen ganzen Überlegungen lasse ich meinen Kopf in Richtung Boden gesenkt. Es ist mir jetzt einfach zu unangenehm, in Masons Gesicht zu blicken. Allerdings bin ich schon bei ihnen angekommen und quetsche mich wieder auf meinen Platz zurück. Nichtssagend starre ich einfach nur mein Stück Käsekuchen an.
Dieses Gefühl, wenn dich einer mustert, du ihn aber nicht angucken willst, um dich zu vergewissern, dass er genau das tut, macht sich in mir breit. Unsicher schnappe ich mir meinen Kakao und trinke ihn mit großen Schlucken. Hmmm... Es ist wirklich der Beste den ich je getrunken habe, stelle ich fest. Mit meiner Hand wische ich mir über meinen Mund, damit nicht wieder Reste dort verweilen.
Eine hitzige Diskussion ist zwischen den Jungs im Gange, aber ich höre ihnen nur halbherzig zu. Viel zu beschäftigt bin ich mit meinen eigenen Gedanken. Wie so oft!
Kalvin diskutiert über den nächsten Fight, der ansteht, und bei diesem werde ich Daniel unter die Arme greifen müssen. So lautet schließlich unsere Abmachung, Büro und bei Kämpfen unterstützen.
„Wer kämpft eigentlich?", frage ich deshalb interessiert in die Runde. Immerhin muss ich mich mal langsam darauf vorbereiten und auch mal wieder mein Wissen über die aktuellen Kämpfer auffrischen.
„Mason gegen Anatol.", knirscht Shawn neben mir mit den Zähnen. Abrupt verhalten sich alle etwas angespannt. Als ich es wieder wage, in Masons Richtung zu blicken, schaut auch er finster drein. Eisig wird es gerade in dem sonst so blühenden Miami.
„Einer von diesen komischen Zwillingen, die letztens im Blade's waren?" Ich lege meine Stirn in Falten und hoffe auf mehr Informationen.
„Ja genau. Anatol ist der mit den braunen Augen, und er weiß nie, wann er besser mal sein Maul halten sollte. Immer einen dummen Spruch auf den Lippen. Aber vom Boxen versteht er immerhin was. Er ist der amtierende Regionalmeister. Leider!", knurrt Noah gefährlich. Plötzlich lacht der Tätowierte neben mir schadenfroh aber auch bedrohlich auf:
„Warum Leider? So habe ich endlich die Möglichkeit ihm die Scheiße aus dem Leib zu prügeln, und das legal." Die Jungs prusten alle laut los und denken über seine Worte nach. Die Stimmung ist angespannt, wiedermal wegen einer dummen Frage meinerseits.
„Mich hast du somit schon mal als Fangirl in der Tasche", zwinkere ich dem attraktiven Boxer neben mir zu. Ein schiefes Grinsen ersetzt seine finstere Mine und die Jungs ziehen scharf die Luft ein und brechen kurz darauf wieder in schallendes Gelächter aus. Als sich unsere Blicke treffen klopft mein Herz wie wild geworden gegen meine Rippen. Er strahlt eine solche Attraktivität auf mich aus, dass ich ihm am liebsten alle seine Kleider vom Leib reißen würde. Sein sanfter Blick wenn er den Kopf etwas schief neigt und sich über seine Lippen leckt, fasziniert mich. Er lässt mich einfach nicht kalt, obwohl er das eigentlich sollte. Solch eine Wirkung hatte nur ein einziger auf mich, und das war Jayden gewesen.
„Und ich dachte schon du bist Team Shawn?" Percey schaut mich mit einem hinterhältigen Grinsen an und sofort ist dieser magische Moment zwischen Mason und mir vorbei. Einfach verpufft könnte man sagen, denn Mason hat seinen Blick von mir abgewendet.
„Wie kommst du denn darauf, Percey?" Um Aufklärung bittend verschränke ich meine Arme vor der Brust.
„Wir sind nicht blöd, Ava. Du bist so lange verschwunden und plötzlich auch Shawn. Er taucht wieder fünf Minuten vor dir hier auf. Leuchtet Dir da was ein?" Die Worte verlassen seinen Mund etwas zu barsch für meinen Geschmack. Aber verübeln kann ich es ihm auch nicht. Immerhin hat er ja recht, dass Shawn und ich zusammen waren. Nur nicht auf eine solche Weise wie er der Meinung ist. Entgeistert fahre ich mir durchs Gesicht und überlege wie ich das noch retten kann ohne etwas von unserem Gespräch in der Damentoilette preis zu geben.
„Nur, weil du direkt ans Vögeln denkst, heißt es nicht gleich, dass wir alle so sind wie du, Percey!", knurrt Shawn beleidigt in seine Richtung. Ich hingegen piekse mit der Kuchengabel in meinem unberührten Käsekuchen herum. Mein Hunger ist mir schon nach der Bestellung vergangen, als Flitchen Price mich abschätzig beäugt und versucht hat, sich an meinen Kerl ran zu schmeißen. In Gedanken überlege ich schon, wie ich am besten ihre Leiche verschwinden lasse, als mir plötzlich klar wird, was ich da eigentlich denke. Ich weiß nicht was schlimmer ist: Die Tatsache, dass ich Mordgedanken hege oder aber, dass ich Mason als meinen Kerl beschimpfe. Hart schluckend trinke ich von meinem heißen Kakao.
„Sie hat mir nur ein paar Tipps gegeben. Ihr wisst doch wie selten ich ein paar Schläge abfeuere." Überrascht heben alle ihre Augenbrauen an, inklusive mir und auch Mason ist die Überraschung buchstäblich ins Gesicht geschrieben. Shawn hat die gelogene Erklärung mit den Hilfestellungen meinerseits so glaubhaft erläutert, dass ich nicht denke, einer der Jungs würde uns weiterhin ein Techtelmechtel unterstellen. Aber verletzend sind Perceys Worte trotzdem und versetzen mir einen kleinen Stich in meiner Brustgegend. Sie sind mir einfach alle so unglaublich ans Herz gewachsen. Jeder Einzelne von ihnen ist ein so wunderbarer Mensch und genau das macht es für mich so unerträglich, dass Shawn seine besten Freunde nur wegen mir anlügt. Das kann ich so einfach nicht stehen lassen.
Laut räuspere ich mich und ergreife Shawns Hand unter dem Tisch. Alle Augenpaare der Jungs verweilen nun auf mir.
„Es... es gab keine Tipps von mir. Ich... ich hatte einfach nur eine Panikattacke und... und Shawn war da um mir zu helfen", presse ich stotternd hervor. Meine Hand, die Shawns umfasst, drückt bei jedem Wort immer fester zu.
Ungewohnte Stille herrscht an unserem Tisch und ich beiße mir nervös auf die Unterlippe. Meinen Blick richte ich stur auf mein mittlerweile zermatschtes Stück Kuchen. Was definitiv viel angenehmer ist, als in die Gesichter der Jungs blicken zu müssen.
„Das hättest du nicht tun müssen.", beugt sich der Schwarzhaarige zu mir herüber und flüstert mir diese Worte zu. Ich hingegen begegne ihm nur mit einem zaghaften Lächeln, was ihm Antwort genug scheint.
„Jungs, sie ist kein Tier im Zoo. Eine solche Attacke ist nichts Ungewöhnliches. Viele Menschen werden von so etwas geplagt. Wer weiß, vielleicht auch einer von euch?" Shawn zuckt nur mit den Schultern und die unangenehmen Stille löst sich wieder auf.
„Ich glaube nur, dass wir mit so etwas einfach nicht gerechnet haben. Du wirkst sonst immer so... so... so beherrscht," erklärt Percey, schuldbewusst wegen seiner vorangegangenen Anschuldigung. Etwas amüsiert über seine Reue schleicht sich wieder ein minimales Grübchen auf mein Gesicht. Ein schlechtes Gewissen soll er ruhig haben, aber nachtragend werde ich nicht sein.
„Naja, wer erzählt solche Dinge auch schon Leuten, die man gerade erst mal ne Woche kennt? Sogar ihr werdet bestimmt untereinander einige Sachen für euch behalten," erkläre ich ihnen und bleibe bei dem zweiten Satz bei Josh hängen. Mir ist schon die ganze Zeit aufgefallen, dass er nicht ganz anwesend ist. Ob er über seinen illegalen Kampf nachdenkt? Allerdings lassen ihn meine letzten Worte nicht ganz kalt und er richtet sich etwas auf.
„Sagt die, die einem Kerl, den sie gerade erst mal ein paar Stunden kennt, ihr Herz ausschüttet", verächtlich schnaubt Josh aus. Jetzt sind alle über seinen plötzlichen Einwand irritiert.
Ob er sich von mir bedroht fühlt, weil ich sein Geheimnis kenne? Dabei möchte ich ihm und Jenny doch einfach nur helfen. Witzigerweise hat er Recht mit dem was er sagt und ich muss herzhaft Lachen. Die Blicke huschen immer hin und her, bis wir schließlich alle gemeinsam grölen, ja auch Josh.
„Jungs seid mir nicht böse, aber ich breche mal langsam auf." Die Uhrzeit auf meinem Handy zeigt mir an, dass in fünf Minuten ein Bus abfährt, und mit diesem habe ich vor nach Hause zu fahren. In meiner Tasche will ich mein Geld herauskramen, um meine Bestellung zu begleichen. Allerdings werde ich von Shawn unterbrochen.
„Lass stecken, ich wollte dich doch sowieso zum Dank noch Einladen." Er schenkt mir ein spitzbübisches Lächeln und seine Zahnlücke kommt zum Vorschein. Zeitgleich finde ich mein Portmonee und lege den zu bezahlenden Geldbetrag mit einem „Nein, danke!" auf den Tisch.
Anerkennend lachen sich die Jungs erneut schlapp und ich höre so Kommentare wie „Bissig die Kleine" oder „Ava hat's dir aber gegeben". Zufrieden werfe ich die Schlaufe meiner Tasche über meine Schulter.
„Wir sehen uns dann morgen beim Training", verabschiede ich mich von jedem Einzelnen und hechte anschließend zur Bushaltestelle.

Da bin ich wieder mit einem neuen Kapitel.

Da wollte es Percey aber genau wissen! Findet ihr die Reaktion von ihm zu übertrieben?

Ja und Shawn der gute. Um Ava's Panikattacke geheim zu halten, bedient er sich an einer Notlüge. Hättet ihr auch so gehandelt?

Ich muss mich nochmal berichtigen. Es werden insgesamt vier Kapitel hochgeladen und somit um 23:00 Uhr das letzte. 😘

Bis gleich meine Lieben ❤️❤️❤️

Angel Kiss (Beendet) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt